The Project Gutenberg EBook of Einfuehrung in die moderne Logik. Erster
Teil. by Goswin Uphues



This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with almost no
restrictions whatsoever. You may copy it, give it away or re-use it under
the terms of the Project Gutenberg License included with this eBook or
online at http://www.gutenberg.org/license



Title: Einfuehrung in die moderne Logik. Erster Teil.

Author: Goswin Uphues

Release Date: January 5, 2008 [Ebook #24172]

Language: German

Character set encoding: US-ASCII


***START OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK EINFUeHRUNG IN DIE MODERNE LOGIK. ERSTER TEIL.***





Einfuehrung in die moderne Logik. Erster Teil.


by Goswin Uphues




Edition 1 , (January 5, 2008)





                                   Der

                        Buecherschatz des Lehrers.



                      Wissenschaftliches Sammelwerk

                zur intellektuellen und materiellen Hebung

                            des Lehrerstandes.



       Unter Mitwirkung massgebender Fachgelehrter und Schulmaenner

                              herausgegeben

                                   von

                               K. O. Beetz,

                          Schuldirektor in Gotha



                              Fuenfter Band.

                     Einfuehrung in die moderne Logik.

                            ------------------

                             Osterwieck/Harz.

                       Verlag von A. W. Zickfeldt.

                                  1901.





                     Einfuehrung in die moderne Logik.

                            ------------------

                                   Von

                              Goswin Uphues

                   Professor an der Universitaet Halle.

                            ------------------

                               Erster Teil:

                     Grundzuege der Erkenntnistheorie.

                            ------------------

                             Osterwieck/Harz.

                       Verlag von A. W. Zickfeldt.

                                  1901.






VORWORT.


                            ------------------

Wer die Entwicklung der philosophischen Forschung der letzten zehn Jahre
mit aufmerksamem Blicke verfolgte, dem konnte es nicht entgehen, dass in
der Auffassung des Verhaeltnisses von Psychologie und Logik eine Wandlung
eintrat oder sich wenigstens anbahnte. Anfangs hatte es den Anschein, als
ob die Psychologie die Stellung einer ersten und herrschenden Disciplin
erhalten sollte. Das Erkennen und Denken sind doch Bewusstseinsthatsachen
und anderseits Voraussetzungen aller Wissenschaften und somit auch der
Philosophie. Was lag naeher, als die Wissenschaft von den
Bewusstseinsthatsachen, die Psychologie, als grundlegende philosophische
Disciplin zu betrachten, ja noch mehr, sie zur Grundlage aller
Wissenschaften zu machen. Allmaehlich aber brach sich der Gedanke Bahn,
dass vom Erkennen und Denken als Bewusstseinsthatsachen das Erkannte und
Gedachte sorgfaeltig unterschieden werden muesse und dass die Untersuchung
hierueber eher das Recht in Anspruch nehmen koenne als Voraussetzung aller
Wissenschaften und als grundlegende philosophische Disciplin zu gelten. So
trat die Logik an die Stelle der Psychologie; sie nahm wieder, wie ehemals
in der Philosophie, unter den philosophischen Disciplinen die erste Stelle
ein. Aber Hand in Hand damit ging auch eine andere Auffassung der Logik.
Man begnuegte sich nicht mehr mit einer Behandlung der blossen Formen des
Denkens, sondern Fragen, die den Inhalt des Denkens und Erkennens, das
Gedachte und Erkannte betreffen, wurden in immer groesserer Zahl in die
Logik hineingezogen. Die Logik wurde aus einer formalen Disciplin, zu der
sie unter dem Einflusse Kants geworden war, in eine erkenntnistheoretische
Disciplin umgestaltet. Das hatte seinen Grund nicht bloss in der
Entwicklung der philosophischen Forschung, sondern wird auch durch die
Natur der Sache gefordert.

Verstehen wir unter Logik die Wissenschaft vom Denken, so ist doch nicht
alles Denken Gegenstand der Logik, sondern nur das Denken, durch welches
aus dem im Bewusstsein Gegebenen Erkenntnisse werden, das Denken also, das
seinen Zweck im Erkennen hat und ihm als Mittel dient. In der Logik ist
also das Denken dem Erkennen untergeordnet. Die Logik ist in erster Linie
Erkenntnislehre und erst in zweiter Linie Denklehre. _Was heisst Erkennen?
Was koennen wir erkennen?_ Das sind die Fragen, welche die Logik vor allem
zu beantworten hat. Ihre erste Aufgabe ist, den Begriff des Erkennens nach
seinem Inhalt und Umfang zu bestimmen.

Aber das Erkennen ist eine Thaetigkeit, die sich auf ein Ziel richtet.
Dieses Ziel ist die Wahrheit. Eine solche Thaetigkeit setzt die Erkenntnis
des Zieles, seiner Erreichbarkeit und der Normen, die sie zu befolgen hat,
voraus. Was Erkennen heisst, koennen wir nur bestimmen, wenn wir wissen,
was Wahrheit ist (Definition der Wahrheit), wie wir sie erreichen koennen
(Kennzeichen der Wahrheit), welche Regeln wir zu diesem Zwecke beobachten
muessen (Gesetze des Erkennens). Die Untersuchungen ueber den Begriff der
Wahrheit, ueber das Kennzeichen der Wahrheit und ueber die Gesetze des
Erkennens, wie ich sie in der vorliegenden Schrift dargestellt habe,
machten seit 1896 den ersten Teil meiner in jedem Sommer gehaltenen
Vorlesungen ueber Logik aus. Sie erscheinen hier um ein Betraechtliches
vermehrt, naemlich um den ganzen vierten Abschnitt dieser Schrift, der vom
Umfange unsers Wissens handelt. In diesem Abschnitte beantworten wir die
zweite Frage der Erkenntnistheorie: Was koennen wir erkennen? waehrend die
Untersuchungen ueber die Definition der Wahrheit, das Kennzeichen der
Wahrheit und die Gesetze des Erkennens, die drei ersten Abschnitte dieser
Schrift umfassend, die erste Frage der Erkenntnistheorie: Was heisst
Erkennen zu beantworten suchen.

Die Auffassung der Logik als erkenntnistheoretischer Disciplin ist eine
Wendung zum Besseren. Allein ruecksichtlich dessen, was Erkenntnistheorie
zu leisten hat und leisten kann, gehen die Meinungen weit auseinander. Das
Erkennen im gewoehnlichen von allen wissenschaftlichen Forschern mit
Ausnahme einiger Erkenntnistheoretiker angenommenen Sinne hat eine
_metaphysische_ Bedeutung. Die Wahrheit ist ein metaphysischer Begriff.
Was wahr ist, ist nur wahr, weil es fuer alle Zeit und darum fuer die
Ewigkeit gilt. Nur darum gilt es auch fuer alle Denkenden. Wirklich ist
etwas nur, weil es an diesem Ewigkeitscharakter der Wahrheit teilnimmt.
Diesem Begriff der Wahrheit moechten viele um jeden Preis aus dem Wege
gehen, obgleich er in jeder ernstgemeinten Behauptung wiederkehrt und
natuerlich von allen wissenschaftlichen Forschern ausser einigen
Erkenntnistheoretikern, wenn auch unbewusst, festgehalten wird. Man greift
zu allerlei Kunststuecken, beginnt mit der Umdeutung und endet mit der
Wegdeutung dieses Begriffs -- alles aus Scheu vor der Metaphysik. Man hat
das Gefuehl, diese Forscher wandern an einem Abgrunde in bestaendiger
Furcht, in ihn hineinzufallen. Der Abgrund heisst Metaphysik. Oft werden
sie vom Schwindel ergriffen und fallen wirklich hinein. Der Begriff der
Wahrheit laesst sich eben nicht unterdruecken. Aber alsbald arbeiten sie
sich wieder in die Hoehe und setzen ihre gefaehrliche Wanderung fort. Ihre
muehselige Arbeit macht einen trostlosen Eindruck. Das Ergebnis ist ein
unfruchtbarer Formalismus.

Kant wollte das Wissen beseitigen, um dem Glauben Raum zu schaffen. Haette
er diesen Gedanken weiter verfolgt, dann wuerde er zu einer Wuerdigung der
geschichtlichen Erkenntnisse gekommen sein, die wir bei dem grossen Denker
vermissen. Denn die Glaubensueberzeugungen gehoeren zu den geschichtlichen
Erkenntnissen. Fuer unsere modernen Formalisten hat dieser Gedanke Kants
keinen Wert, sie empfinden ihn als des grossen Kant unwuerdig. Folgerichtig
darf man darum auch bei ihnen keine Wuerdigung der geschichtlichen
Erkenntnisse erwarten. Es scheint oft, als ob sie durch die
Erkenntniskritik nur der vergoetterten Naturwissenschaft freie Bahn machen
wollen und als ob diese an die Stelle des realen Inhalts der Philosophie
treten soll. Und doch ist der Erkenntnis- und Bildungswert der
Naturwissenschaft, wie wir zeigen werden, viel geringer als der der
Geschichte.

Die gegensaetzliche Trennung des Erkennens und seines Gegenstandes fuehrte
Kant zu dem Unbegriff des Dinges an sich oder des Gegenstandes, wie er
unerkannterweise ist. Unsere Formalisten moechten dieses caput mortuum der
Kantischen Spekulation am liebsten beseitigen oder durch den
transcendentalen Gegenstand, die Regel der Vorstellungsverknuepfung
ersetzen -- da das Ding an sich nach ihrer Meinung die Grundvoraussetzung
aller Metaphysik bildet. Waere das der Fall, dann muesste man freilich aller
Metaphysik entsagen. Denn das Ding an sich ist in der That ein ungereimter
Begriff. Aber gerade die Aufrechthaltung der metaphysischen Bedeutung des
Erkennens und sie allein macht, wie wir zeigen werden, die Beseitigung des
Dinges an sich moeglich.

Die Scheu vor der Metaphysik ist noch viel verbreitet; sie ist eine
Nachwirkung der sensualistischen Psychologie und der formalistischen
Logik. Aber die Anzeichen einer Entwicklung des philosophischen Denkens,
die der Metaphysik guenstig ist, mehren sich. Viele bekennen sich
rueckhaltlos zur Metaphysik und treten mutig fuer sie ein. Sie moechten
nicht, dass ein formalistischer Logismus die Stelle des sensualistischen
Psychologismus einnaehme. Auch der formalistische Logismus kann wie der
sensualistische Psychologismus nur eine voruebergehende Entwicklungsphase
der Philosophie sein. Die Logik bedarf notwendig zu ihrem Unterbaue einer
Auseinandersetzung ueber die Wahrheit im alten Sinne, und diese
Auseinandersetzung ist ein Zweig der Metaphysik. Das ist die Anschauung,
die wir im ersten Teile unserer Schrift vertreten.

Die Erkenntnistheorie umfasst die schwierigsten Fragen der Philosophie.
Ihr Verstaendnis setzt nachdenkliche verinnerlichte Naturen voraus, die
heutzutage nicht allzuhaeufig sind. Gewiegte Paedagogen behaupten, dass
manchen im uebrigen gut begabten Schuelern jede Anlage fuer Mathematik fehlt.
Mit anscheinend groesserem Rechte kann man sagen, dass fast allen Menschen
mit sehr wenigen Ausnahmen die Anlage fuer jenen Teil der Philosophie
abgeht. Aber ich bin ueberzeugt, dass jeder einigermassen Beanlagte bei
entsprechendem Unterrichte ein Verstaendnis der Mathematik gewinnen kann.
Und was dem Eindringen in jenen schwierigen Teil der Philosophie
hinderlich im Wege steht, sind Lebensgewohnheiten, die durch
Selbsterziehung ueberwunden werden koennen und ueberwunden werden muessen. Wer
fuehlt sich nicht angezogen von der Schilderung des wahren Philosophen im
platonischen Theaetet? Wer moechte sich von einem Platon nicht gern die
Weihe des Gedankens erteilen lassen? Aus der schwierigsten dieser Fragen,
der Frage nach dem Verhaeltnis von Wahrheit und Wirklichkeit redet der
Geist Platons zu uns. Er hat sie zuerst gestellt, und die Antwort, welche
er gab, ist auch heute noch beachtenswert.

Ich habe das Buch geschrieben fuer diejenigen, welche diese schwierigen
Fragen studieren d. h. durchdenken wollen, um sich eine eigene Meinung zu
bilden; nicht fuer die, welche sich mit einer blossen Kenntnisnahme der in
der Erkenntnistheorie behandelten Fragen begnuegen moechten. Kritische
Auseinandersetzungen mit den Anschauungen anderer, diese Schatten fuer das
Licht der eigenen Gedanken, die seinen Glanz erhoehen sollen, wurden
grundsaetzlich vermieden. Sie sind fuer die blosse Kenntnisnahme nuetzlich,
fuer die Vertiefung in die Sache meistens schaedlich.

Hoffentlich dienen dem Zweck dieser Vertiefung das ausfuehrliche
Inhaltsverzeichnis, das die behandelten Thesen der Reihe nach formuliert
und das ebenso ausfuehrliche Namen- und Sachregister, das die eroerterten
Grundbegriffe in alphabetischer Folge darstellt. Beide zeigen, wie viel
Gedankenarbeit der Verfasser selbst uebernimmt und wieviel er seinen Lesern
zumutet. Die letztere ist nicht geringer als die erstere. Es gibt
Wissenschaften, die man sich nicht aneignen kann ohne selbst an der
Forschungsarbeit teil zu nehmen, das Lernen ist hier bedingt durch das
Mitforschen. Zu diesen Wissenschaften gehoert in erster Linie die
Erkenntnistheorie. Es waere fuer mich leichter gewesen bei den einzelnen
Fragen laenger zu verweilen und ihre Behandlung umfangreicher zu gestalten,
wohl auch bequemer fuer den Leser. Es lag so nahe zu diesem Zweck die
gewohnte und gelaeufige Form von Vorlesungen zu waehlen, wie ich sie ueber
diese Fragen oft gehalten habe. Was ich hier biete ist nur ein gedraengter
Auszug aus diesen Vorlesungen, den ich am Schluss derselben zu diktieren
und zur Grundlage von seminaristischen Uebungen zu machen pflege. Nach
meinen Erfahrungen regt gerade diese gekuerzte Form der Darstellung am
meisten zum Selbstdenken an. Sache des Lesers ist es bei den einzelnen
Gedanken stehen zu bleiben und zu diesem Zweck fuer die erste
Durcharbeitung das Inhaltsverzeichnis allein, fuer die wiederholte
Durcharbeitung das Inhaltsverzeichnis und Register zu benutzen. Ich moechte
das auch manchen Fachgenossen empfehlen, namentlich denen, die ueber eine
mehr als "mittlere Begabung" verfuegen. Jedenfalls bin ich dann vor
Missverstaendnissen geschuetzt, wie sie in der Philosophie an der
Tagesordnung sind. Ich bemerke noch, dass die Zusammengehoerigkeit, der
Grundbegriff meiner 1893 erschienenen Psychologie des Erkennens auch den
Grundbegriff dieser Erkenntnistheorie bildet.

*Halle*, 14. Juni 1901.





INHALTSVERZEICHNIS.


                     *Die Wahrheit und unser Wissen.*

                           _Erster Hauptteil._

                             *Die Wahrheit.*

                  Erster Abschnitt: *Was ist Wahrheit?*

    Erste Untersuchung.

Die herkoemmliche Definition der Wahrheit   1

  Was ist "Ding an sich"? Definition der Wahrheit; a) falsche, b) richtige
  Auffassung. Erkennen a) nach rationalistischer, b) nach empiristischer
  Auffassung. Gegenstand des Erkennens -- die Wahrheit. Inhaltsmerkmal der
  Wahrheit, Kennzeichen der Wahrheit.

    Zweite Untersuchung.

Der ueberzeitliche Charakter der Wahrheit   3

  Begriffsurteile. Thatsachenurteile. Auch die Wahrheit der letzteren hat
  einen ueberzeitlichen Charakter.

    Dritte Untersuchung.

Bedeutung des ueberzeitlichen Charakters der Wahrheit 4

  Ewige Bedeutung -- Grund der ueberzeitlichen Geltung. Nur als Glied der
  Gesamtwirklichkeit ist etwas wahr. Spinozas "sub specie aeternitatis".
  Gelten und Existieren, Wahrheit und Wirklichkeit.

    Vierte Untersuchung.

Nur Eine Wahrheit fuer alle Denkenden   5

  Aus der ueberzeitlichen Geltung folgt die Allgemeingueltigkeit fuer alle
  Denkenden. Die Wahrheit kein Produkt der menschlichen Organisation.
  Wahrheit kein Ding an sich, untrennbar vom Erkennen a) als Bewusstsein
  ueberhaupt, b) als menschliches Erkennen, dessen Hervortreten in der Zeit
  nicht bloss durch seine ewige Bedeutung bedingt ist, sondern auch selbst
  eine ewige Bedeutung hat. Die neuentdeckten Wahrheiten darum schon vor
  ihrer Entdeckung untrennbar vom menschlichen Erkennen.

    Fuenfte Untersuchung.

Die Wahrheit und das Urteil   6

  Das Bewusstsein der Wahrheit gleich der Beziehung auf die Objektivitaet.
  Erkennen und Urteil keine Abbildung der Wahrheit, sonst waere diese Ding
  an sich. Im Erkennen besitzen wir die Wahrheit selbst, nicht ihr
  Spiegelbild. Mit jedem Urteil treten wir in die ewige, ueberzeitliche,
  unvergaengliche, uebersinnliche Welt ein und fassen in ihr festen Fuss.
  Augustin, Eckhart. Nikolaus von Cues. Platons Ideenwelt das, was wir
  Wahrheit nennen.

        Zweiter Abschnitt: *Die Wahrheit und das Wesen der Dinge.*

    Sechste Untersuchung.

Wesentliche und unwesentliche Merkmale   7

  Das Wesentliche und das Wesen ist Ziel des Erkennens. Wesentlich nicht
  gleich notwendig dem Dinge oder notwendig fuer seinen Begriff. Die
  Merkmale sicher nach ihrem Werte verschieden. Ein Merkmal, das eine
  Unterscheidung eines Dinges von allen andern ermoeglicht, gehoert darum
  noch nicht in die Definition des Dinges. Das Notwendige gehoert (zum Teil
  wenigstens) zum Ausserwesentlichen.

    Siebente Untersuchung.

Wie gewinnen wir die wesentlichen Merkmale?   8

  Wesentlich nicht gleich allgemein oder konstant. Nicht durch
  Generalisation werden die wesentlichen Merkmale gewonnen, obgleich sie
  ihre Gewinnung vorbereiten kann, sondern, durch die der Generalisation
  vorausgehende Abstraktion. _Ein_ Fall, _Ein_ Beispiel genuegt fuer die
  Gewinnung; sie wird vermittelt durch den Blick des Geistes, den nicht
  alle besitzen, der der Intuition aehnlich ist und wie diese noch keine
  Erkenntnis bildet.

    Achte Untersuchung.

Die wesentlichen (begrifflichen) Merkmale sind nicht aus den sinnlichen
(vorstellungsmaessigen) abzuleiten   10

  Sinnenbilder Grundlage alles Erkennens. Sinnenbilder der Ausdehnung und
  Bewegung selbst ausgedehnt und bewegt, schon darum verschieden von den
  Begriffen der Ausdehnung: Vielheit der gleichzeitigen Teile und
  Beruehrung, der Bewegung: Vielheit der aufeinanderfolgenden Teile und
  Uebergang. Sinnenbilder Zusammenfassungen von Empfindungen ohne
  gegenstaendlichen Charakter. Wie erhalten die Empfindungen
  gegenstaendlichen Charakter, oder wie werden sie zu Vorstellungen?
  Willensdinge -- Substanzen, Ursachen. Das Finden der wesentlichen
  Merkmale ein Schaffen; doppelte Funktion desselben: Vereinzelung der
  Teile des Ausgedehnten und Bewegten, Zusammenfassung der sich
  beruehrenden und ineinander uebergehenden -- beides Voraussetzung der
  betreffenden Urteile. Begriff und Sinnenbild von Punkt, Linie, Flaeche,
  Geist. Auch das negative Urteil setzt den Blick fuer das, was anders ist,
  voraus.

    Neunte Untersuchung.

Das Wesen der Dinge   14

  Nicht das Sinnenbild des Kreises, der Ellipse, eher die mathematische
  Formel, das Gesetz fuer beide, weiterhin das Gesetz fuer ihre Stellung
  unter den Kegelschnitten, endlich ihre Stellung in der
  Gesamtwirklichkeit -- das Wesen der Ellipse und des Kreises; Wesen und
  Wahrheit dasselbe. Wesen nicht unveraenderlicher Seinskern.

    Zehnte Untersuchung.

Der Begriff der Philosophie   15

  Wesen der Farbe, des Menschen unerkennbar. Trotzdem die Erkenntnis des
  Wesens das Ziel des Erkennens. Philosophie Wissenschaft vom Wesen der
  Dinge und Wissenschaft der Fragen. Wesen des Erkennens? Wesen der
  Erscheinung der Dinge in uns? Wesen der Orts- und Zeitbestimmungen?
  Erkennen kein Abbilden.

    Elfte Untersuchung.

Die Wahrheit das hoechste Gut   18

  Wahrhaft schoen, wahrhaft sittlich -- was alle als solches anerkennen
  muessen. Unser Begriff von den Dingen zu unterscheiden von dem Begriff,
  der ihr Wesen, ihre Stellung in der Gesamtwirklichkeit bestimmt. Fuer den
  ersteren gilt: nicht ohne dass es wahr ist, ist etwas gut und schoen, fuer
  den letzteren: dadurch, dass es wahr ist, ist es schoen, gut. Wesen und
  Wahrheit des Nichtseinsollenden, Scheinbaren? Seine Wirklichkeit nicht
  zu bezweifeln. Vielleicht ist es das anmasslich Selbstaendige.

                           _Zweiter Hauptteil._

                             *Unser Wissen.*

              Dritter Abschnitt: *Kennzeichen der Wahrheit.*

    Zwoelfte Untersuchung.

Bestandteile des Erkenntnisvorgangs   19

  Wesentlich gleich zugehoerig, zusammengehoerig; Wesen gleich
  Zusammengehoerigkeit -- Grundbegriff des Erkennens. Das was
  zusammengehoerig ist, und seine Zusammengehoerigkeit zu unterscheiden. Das
  Vorgefundene a) Sinnenbilder, b) Vorstellungen Vorstufe des
  Erkenntnisvorgangs, Erste Stufe: Erfassung dessen, was zusammengehoerig,
  was wesentlich durch den Blick des Geistes -- keine Erkenntnis, eine
  Abstraktion als Hinsehen, Festhalten, eine schaffende Thaetigkeit. Ihr
  Ergebnis Einzelgebilde des Denkens, auf Grund deren erst die
  Urteilsthaetigkeit moeglich ist. Zweite Stufe: Einleuchten der
  Zusammengehoerigkeit kein Zwang, keine Noetigung, -- noch keine
  Erkenntnis. Dritte Stufe: Einsicht in die Zusammengehoerigkeit, Sehen,
  Wahrnehmen derselben, -- eigentliche Erkenntnis. Vierte Stufe der ersten
  entsprechend: Gedanklicher Ausdruck der Einsicht im Urteil erzeugt ein
  neues Gebilde des Denkens -- eine Verbindung, kein Einzelgebilde. Fuenfte
  Stufe der zweiten entsprechend: Bewusstsein der Wahrheit, der
  Objektivitaet. Fuenfte und zweite Stufe objektiv. Sechste Stufe:
  Gewissheit der dritten entsprechend Ausschluss des Zweifels, --
  positiver Zustand. Sechste und dritte Stufe subjektiv. Einleuchten,
  nicht die Einsicht Kriterium, gemaess dem wir ueber wahr und falsch
  urteilen. Einsicht das, wodurch wir die Wahrheit erkennen.

    Dreizehnte Untersuchung.

Gesetze des Erkennens   23

  Es giebt nur Eine Wahrheit, keine einzelnen Wahrheiten. Entdeckung
  dieser Einen Wahrheit nach dem Gesetz der Zusammengehoerigkeit, dem
  Grundgesetz des Erkennens; (Synthese nicht Analyse). An seine Stelle
  treten die Gesetze fuer die Urteile: erstens Gesetz der Uebereinstimmung,
  Form eins und vier; zweitens Gesetz des Enthaltenseins, Form fuenf und
  acht. Drittens Gesetz des Widerspruchs, Form zwei und drei, Form sechs
  und sieben -- Gesetze fuer einzelne Urteile; viertens Gesetz des
  ausgeschlossenen Dritten fuer das Verhaeltnis zweier Urteile zu einander.
  Vier Kategorien: Ding, Eigenschaft, Vorgang, Beziehung; die Begriffe der
  einen Kategorie nicht der einer andern ueber- oder unterzuordnen.
  Verhaeltnis des Enthaltenseins verschieden von Ding und Eigenschaft, Ding
  und Vorgang, von untergeordneter Bedeutung fuer unser Erkennen. Urteil
  setzt Synthese voraus und schliesst diese als bedingenden Bestandteil
  ein, mag sein gedanklicher Ausdruck auch als Enthaltensein, Subsumtion,
  Analyse erscheinen; der sprachliche Ausdruck erscheint wieder als
  Synthese. Die wesentlichen Merkmale nicht einander ueber- oder
  untergeordnet, ausser wenn sie den gleichen Kategorien angehoeren; nicht
  in den Sinnenbildern enthalten. Auch die negativen Merkmale der Dinge
  nicht in ihnen enthalten.

    Vierzehnte Untersuchung.

Gesetze des Erkennens (Fortsetzung)   29

  Gesetze fuer das Einzelwirkliche als Subjekt der Urteile --
  Urteilsgesetze: die genannten. Gesetze fuer den Zusammenhang des
  Wirklichen, den wir erschliessen -- Schlussgesetze: das Einheitsgesetz,
  das Gesetz der Kausalitaet oder der Ermoeglichung des Anfangenden, das
  Gesetz des Grundes. Drei Gedankengaenge, die zum Einheitsgesetz fuehren.
  Falsche Formulierung des Gesetzes der Kausalitaet; es ist verschieden vom
  Gesetz der Gleichfoermigkeit des Naturlaufs -- Sinn dieses Gesetzes --
  fuehrt nicht auf das Gesetz des Widerspruchs zurueck. Gesetz des Grundes,
  ein Gesetz des Enthaltenseins in seiner Anwendung auf Urteile. Drei
  Formen des Gesetzes des Widerspruchs. Real- und Formalgesetze. Auch das
  Gesetz des Widerspruchs kann einen realen, den Fortschritt des Erkennens
  bedingenden Charakter haben.

    Fuenfzehnte Untersuchung.

Erkenntnis und blinde Ueberzeugung   34

  Erkenntnis hat einen vernuenftigen Grund in dem Einleuchten, blinde
  Ueberzeugung beruht auf Gewoehnung, auf Gefuehlen, die meist zuerst ein
  blindes Urteilen zur Folge haben, an das sich dann die Ueberzeugung
  anschliesst von der Wahrheit des Urteils, ferner oft von der
  (angeblichen, vermeintlichen) Einsicht und dem (vermeintlichen)
  Einleuchten. Gewissheit nach ihrer negativen Seite ohne Grade, die mit
  der Einsicht verbundene Gewissheit auch nach ihrer positiven Seite ohne
  Grade, waehrend die Gewissheit, welche den blinden Urteilen folgt, sich
  masslos steigern laesst, wie die Gewissheit des Fanatikers zeigt.
  Ausserdem: die vermeintliche Einsicht folgt dem Urteil, die wirkliche
  geht ihm immer voran.

    Sechzehnte Untersuchung.

Zulaenglichkeit des Kennzeichens der Wahrheit   36

  Vermeintliche Einsicht und wirkliche Einsicht nicht bloss durch die
  steigerungsfaehige und nichtsteigerungsfaehige Gewissheit und durch ihr
  Verhaeltnis zum Urteil von einander verschieden, die vermeintliche kann
  auch durch die wirkliche ueberwunden werden. Vier moegliche Faelle. Sinn
  des Gesetzes der Gleichfoermigkeit des Naturlaufs.

    Siebzehnte Untersuchung.

Einsicht und Denknotwendigkeit   38

  Einsicht keinerlei Noetigung. Notwendigkeit, Nichtandersseinkoennen oft
  nur Folgerung aus der Gewissheit. Das Verhaeltnis des Enthaltenseins ein
  Notwendigkeitsverhaeltnis; aber dieses Notwendigkeitsverhaeltnis nicht
  Grund unserer Einsicht in die Wahrheit der betreffenden Urteile.
  Dasselbe gilt von den Denknotwendigkeiten, die in dem zusammengehoerigen
  Nichtenthaltenen und in den Unvertraeglichkeitsverhaeltnissen bestehen.
  Warum es fuer unser Denken notwendig ist, der Eigenschaft ein
  Selbstaendiges (?), den Veraenderungen und Bewegungen ein Veraenderliches
  und Bewegliches, das beharrt, zu Grunde zu legen -- davon haben wir
  keine Einsicht. Dass das System der Wahrheit _notwendig_ einen
  Denkenden, das Anfangende _notwendig_ einen Ermoeglichungsgrund
  voraussetzt, ist nur eine Folgerung aus der Gewissheit, die wir vom
  Gesetz der Einheit und der Kausalitaet haben.

    Achtzehnte Untersuchung.

Einsicht und Wille   43

  Widerstreben gegen die erkannte Wahrheit -- letzte Quelle alles
  Unsittlichen. Vom Verstandesakte der Einsicht verschieden die Hingabe
  des Willens und das Ergriffensein des Gemuets. Beides wichtig fuer die
  sittlichen und religioesen Wahrheiten, die gewohnheitsmaessig festgehalten
  wieder zu blossen Verstandeseinsichten oder Kopfwahrheiten herabsinken,
  von denen das Leben unberuehrt bleibt. Die Wahrheit Gemeinschaftsgut,
  nicht Gut des egoistischen Willens, sittliches Gut, hoechstes Gut.

               Vierter Abschnitt: *Umfang unseres Wissens.*

    Neunzehnte Untersuchung.

Schranken unseres Erkennens   45

  Unterschied von Kategorien und Praedikabilien, der Kategorie Eigenschaft
  und der Praedikabilie Proprietaet. Verhaeltnis der Eigenschaft zum Ding
  verglichen mit dem Verhaeltnis des Anfangenden zum Ermoeglichungsgrund.
  Das Wesen sicher eine Kategorie, auch das ausserwesentliche Zufaellige
  und Notwendige gehoert doch zum Seienden und ist insofern Kategorie. Wann
  Gattung und Art Praedikabilien sind. Verschiedenheit, Gleichheit. Zahl
  Praedikabilien, Einheit sicher Kategorie. Die Endlichkeit als seiendes
  Nichtsein. Raum und Zeit, die Formalkategorien, Substanz und Kausalitaet,
  die Realkategorien, enthalten Raum und Substanz in der Beruehrung, Zeit
  und Kausalitaet in dem Uebergang, ein dem Denken inkommensurables, von ihm
  nicht aufzuhellendes Element. Wo diese Kategorien eine Rolle spielen, da
  kann, sofern dieses Element in Frage kommt, von Einsicht und Erkenntnis
  keine Rede sein. Was haben Raum und Zeit fuer eine Bedeutung, da sie
  einerseits als Formalkategorien das Sein der Dinge in keiner Weise
  vermehren und anderseits doch die Principien der Individuation bilden,
  durch die das Wirkliche seine Wirklichkeit erhaelt, da alles Wirkliche
  Einzelwirklichkeit ist? Die Wirklichkeit eine Realkategorie, da sie auf
  dem wirklichen Akt der goettlichen Selbstentaeusserung beruht, der den
  wirklichen Dingen eine Selbstaendigkeit leiht, die ihnen eigentlich nicht
  zukommt. Inwiefern ist das Wahre wirklich? Insofern Gott es nicht bloss
  denkt, sondern will? Der Schoepfungsakt ein Akt der Selbstentaeusserung.
  Symbolische Bedeutung von Raum und Substanz -- scheinbare
  Selbstaendigkeit, Unendlichkeit. Symbolische Bedeutung von Zeit und
  Kausalitaet -- thatsaechliche Abhaengigkeit, Beschraenktheit. Hat die
  Negation eine reale Bedeutung?

    Zwanzigste Untersuchung.

Die Erkenntnis der Aussenwelt   51

  Keine Erkenntnis der Beschaffenheit der aeusseren Dinge moeglich.
  Psychologische Erklaerung der Zusammensetzung der sogenannten
  sinnfaelligen Wirklichkeit. Ort der Dinge im Raum, wodurch bestimmt. Die
  Dinge sind keine blossen Sinnenbilder, Vorstellungen oder fortdauernde
  Moeglichkeiten von Empfindungen. _Unmittelbare_ Evidenz der Existenz
  dieser Dinge, die nicht nach dem Kausalitaetsgesetz erschlossen werden
  kann. Der Begriff der Ursache spielt in der Wahrnehmung keine Rolle. Die
  Naturdinge sind verschieden von Raum und Zeit, von Substanz und
  Kausalitaet, die nur zur Erscheinungsform der Dinge in unserm Bewusstsein
  gehoeren. Sie sind Gedanken Gottes, wie wir nach dem Einheitsgesetz
  schliessen. Es giebt keine unmittelbare Evidenz von der Nichtexistenz
  solcher Dinge. Beweis fuer ihre Existenz. Abstrakte Trennung von Leib und
  Seele bei Cartesius und in der Psychologie: Empfindungen als blosse
  Bewusstseinsvorgaenge, Anfangszustaende des Bewusstseins. Definition der
  Empfindungen ohne koerperliche Vorgaenge unmoeglich. Weder fuer das
  entwickelte Bewusstsein noch fuer das des Kindes sind sie blosse
  Empfindungen. Objektivationstheorie -- Ersatz dafuer. Empfindungen nicht
  als Empfindungen gegeben, sondern als Erkenntnismittel. Platons
  Schwungbrett. Aristoteles: kein Begriff ohne Phantasiebild. Verbindung
  unseres Bewusstseins nicht bloss mit unserm Koerper, sondern auch mit der
  Koerperwelt ueberhaupt. Wie weit reicht unsere Erkenntnis der Koerperwelt?

    Einundzwanzigste Untersuchung.

Ueber die Erkenntnis des eigenen Bewusstseins   58

  Brentano ueber die aeussere und innere Wahrnehmung. Bewusstheit
  uneigentliches Wesen. Auf Grund der Reflexion gewinnen wir eine Einsicht
  in die wirkliche Beschaffenheit der Bewusstseinsvorgaenge. Die
  angewendeten Vorstellungen urspruenglich sinnliche, aus dem sinnlichen
  Gebiet entlehnte, uebertragene, bildliche. Was ist sinnliches Gebiet?
  Inwiefern wird dasselbe durch die Empfindungen konstituiert? Nicht
  insofern sie Gegenstand der Reflexion sind. Falsch, dass wir von den
  Bewusstseinsvorgaengen blosse Vorstellungen haben. Uebertragung der
  sinnlichen Vorstellungen durch den Blick des Geistes fuer das
  Wesentliche, nicht in Urteilen. Methode der Psychologie: Isolierung der
  Empfindungen, Isolierung der Bewusstseinsvorgaenge. Uebergreifender
  Charakter der Bewusstseinsvorgaenge schon fuer das Zustandekommen der
  Sinnenbilder der Ausdehnung und Bewegung notwendig. Einheit des
  Bewusstseins. Einsicht in die Zusammengehoerigkeit mancher
  Bewusstseinsvorgaenge, in die Zugehoerigkeit zu unserm Bewusstsein.
  Erinnerung, was sie ist. Vergleich mit der Wahrnehmung. Warum wir bei
  beiden nicht von Einsicht sprechen. Unter welchen Vorbehalten bestehen
  auch die Erinnerungen in Einsichten? Einsicht in die Lueckenhaftigkeit
  unserer Erinnerungen, wodurch ermoeglicht? Selbstbewusstsein ist Einsicht
  in die Zusammengehoerigkeit des Bewusstseins mit unserm Ich. Humes
  Irrtum. Was das Ich ist, wissen wir nicht. Leibliches Ich. Ich getrennt
  vom Leib d. h. von dem Leibe wie er seinem Wesen nach ist ein
  Abstraktum. Einsicht in die Zusammengehoerigkeit unserer
  Bewusstseinsvorgaenge mit unserm Ich. Vergleich der Erkenntnis der
  Aussenwelt mit der Erkenntnis unserer eigenen Bewusstseinsvorgaenge. Bei
  den Bewusstseinsvorgaengen faellt die Erscheinung derselben im Bewusstsein
  mit dem Wissen, das sie von sich selbst haben, also mit ihnen selbst
  zusammen.

    Zweiundzwanzigste Untersuchung.

Weitere Schranken unseres Erkennens   64

  Keine Erkenntnis des Wesens der Aussendinge und Bewusstseinsvorgaenge,
  ihrer Stellung im System der Wahrheit. Die Zahl der blinden
  Wissensinhalte unuebersehbar gross. Blosse Kenntnisse keine Erkenntnisse
  -- Zusammengeratenes nicht Zusammengehoerendes. Associative
  Wissensinhalte -- alles Namen- und Wortewissen von dieser Art.
  Induktionsschluss ergiebt eine auf Einsicht beruhende
  Wahrscheinlichkeit.

    Dreiundzwanzigste Untersuchung.

Die Erkenntnis der Innenwelt anderer   66

  Nicht durch einen Schluss der Analogie vermittelt, sondern
  unmittelbar bei Kindern und Erwachsenen. Ansteckende Wirkung der
  Bewusstseinsaeusserungen und Bewusstseinszustaende. Actio in distans.
  Immediatum commercium animarum. Aristoteles, Locke, Pestalozzi als
  Zeugen fuer die Grenzen unserer Erkenntnis anderer. Wesen der
  Religiositaet: positive Seite der Moral, persoenliches Verhaeltnis.
  Selbsterkenntnis inwiefern schwieriger als die Erkenntnis anderer.
  Einsichtige Urteile ueber die sittliche Beschaffenheit anderer moeglich.
  Verehrungssinn. Worte ungewollte Selbstbeurteilungen.

    Vierundzwanzigste Untersuchung.

Geschichtliche Erkenntnisse   70

  Ist Glauben als Fuerwahrhalten auf das Zeugnis anderer minderwertig
  gegenueber dem Wissen? Mitgeteilte Urteile keine von uns gefaellten
  Urteile. Aeussere Einsicht in die Wahrheit vermittelt durch die Einsicht,
  dass der Mitteilende die Wahrheit sagen kann und sagen will. Statt
  Glauben und Wissen zu unterscheiden sprechen wir von Kenntnissen erster
  und zweiter Hand. Believe, faith. Glauben im religioesen Sinne.
  Kenntnisse zweiter Hand weitaus ueberwiegend. Begriffs- und
  Thatsachenurteile nach ihrem Erkenntniswert. Erkenntniswert der
  Naturwissenschaften, der Geschichte. Natur eine gebrochene Einheit, in
  der Geschichte haben wir eine wirkliche Vielheit. Das Einzelne in der
  Natur hat keinen Eigenwert, nur wertvoll als Exemplar einer Gattung. Vom
  Koerperlichen als solchem haben wir keine eigentlichen Erkenntnisse, wohl
  aber von den Beweggruenden und Triebfedern menschlicher Handlungen. Das
  Koerperliche hat im Geistigen seinen Zweck, das Umgekehrte unmoeglich.
  Zweckbegriff von den Anhaengern der mechanischen Naturauffassung durch
  die Entwicklungstheorie wieder eingefuehrt. Die Zielstrebigkeit des
  Aristoteles wird auf die Natur als Ganzes angewendet. Woher die
  Anpassung? Aristokratisches Prinzip in der Natur: nicht das Staerkere
  siegt der Regel nach, sondern das Vollkommenere. Entwicklung in der
  Natur sehr langsam, in der Geschichte augenscheinlich. Fortschritte in
  der Geschichte auf intellektuellem und religioesem Gebiete. Herstellung
  von Einheiten in Natur und Geschichte wie verschieden! Dort
  Mittelpunkte, Systeme des Aussereinanderliegenden, hier bewusste
  Einheiten vieler Personen. Persoenlichkeiten in der Geschichte Traeger von
  Ideen, damit Triebkraefte der Entwicklung. Neues in der Entwicklung: ex
  nihilo fit nihil. Bedeutung des Individuums in der Geschichte.

    Fuenfundzwanzigste Untersuchung.

Kuenstlerische und wissenschaftliche Inspiration   77

  Erfahrung, Vernunft und Offenbarung. Inspiration verschieden von dem
  Blick fuer das Wesentliche, von der schoepferischen Einbildungskraft.
  Kuenstlerindividualitaet. Intuitionen. Einfallen von Gedanken.
  Inspirationen: Zusammengehoerigkeiten hoeherer Art, aufgedraengte,
  aufgenoetigte Gedanken, Ergaenzungen des Blicks fuer das Wesentliche, --
  noch keine Erkenntnisse. Zwei unverifizierbare Eingebungen ueber das
  Wesen des Koerperlichen. Einbildungen und Eingebungen. Letztere stammen
  aus dem Reich der Wahrheit, mit dem wir zusammenhaengen. Zwei
  Erkenntnisquellen als Ausgangspunkte fuer das Erkennen: a) Erfahrung, aa)
  Empfindungen, bb) Bewusstseinsvorgaenge, b) Eingebungen. Erkenntnis nur
  durch das Denken moeglich.

    Sechsundzwanzigste Untersuchung.

Religioese Erkenntnisse   82

  Religion was sie ist. Inspiration von Religion unabtrennbar -- sie giebt
  den Philosophen interessierende Weltanschauungen. Religion eine
  praktische Angelegenheit, hat bestimmte theoretische Voraussetzungen.
  Diese sind nicht darum wahr, weil sie sich bewaehren: a) Ausprobieren
  unmoeglich, b) Wirkungen auch rein psychologisch bei falschen
  Voraussetzungen moeglich. Religion nicht bloss Sache des Gefuehls. Das
  intellektuelle Element der Religion, richtig verstanden, nicht bloss
  Voraussetzung der Religion sondern ihr Wesen, sofern dieses in ihrer
  Wahrheit besteht. Die Wahrheit an sich das hoechste Gut. Darum Gott die
  Wahrheit. _Fuer uns_ ist Sittlichkeit ein hoeheres Gut. Fides quaerens
  intellectum. Notitia, fiducia, assensus. Der Inspirierte kann davon eine
  Einsicht gewinnen, dass er eine Inspiration empfangen hat. Die
  Verkuendigung der Inspiration als von Gott stammend -- Offenbarung.
  Mittelbare aeussere Einsicht in die Wahrheit der Offenbarung vermittelt
  durch die Einsicht, dass der Verkuendende die Wahrheit weiss und sagen
  will. Massgebend und entscheidend hierfuer die sittliche und religioese
  Beschaffenheit des Verkuendigers. Aeussere Einsicht vom religioesen
  Gesichtspunkte aus der inneren vorzuziehen.

    Schluss   87

  Alle Wahrheit wegen ihrer ewigen Bedeutung -- Metaphysik. Wer diese
  leugnet, muss auch die ueberzeitliche Geltung und damit die
  Allgemeingueltigkeit der Wahrheit fuer alle Denkenden leugnen -- er
  verfaellt dem Skepticismus. a) Empiristischer, b) rationalistischer
  Wahrheitsbegriff. Beide setzen den metaphysischen Wahrheitsbegriff
  voraus. Nach jenem laesst sich nur entscheiden, was wahrscheinlich ist,
  nach diesem nur, was moeglicherweise wahr ist. Jener ist nuetzlich fuer die
  Sicherung unserer Lebenszwecke, dieser fuer die Verwirklichung eines
  Erkenntnisideals. Ein Pruefstein der Wahrheit ist weder der eine noch der
  andere.

                            ------------------

*Druckfehler:*

Seite 7 Zeile 13 lies statt Unveraenderliche *Veraenderliche*.





DIE WAHRHEIT UND UNSER WISSEN.


                            ------------------




Erster Hauptteil.

Die Wahrheit.


                            ------------------



Erster Abschnitt.

Was ist Wahrheit?


  Erste Untersuchung.


Die herkoemmliche Definition der Wahrheit.

Seit Cartesius spielt der Gedanke einer gegensaetzlichen Trennung von Leib
und Seele in der Philosophie eine Rolle. In aehnlicher Weise hat seit Kant
der Gedanke einer gegensaetzlichen Trennung des Erkennens und seines
Gegenstandes die Philosophen beschaeftigt, und zwar verstanden sie unter
Gegenstand das sogenannte Ding an sich oder den Gegenstand, wie er
unerkannter Weise ist. Beide Gedanken sind der Aristotelischen und
mittelalterlichen Philosophie fremd. Der letztere Gedanke fuehrt zu einer
Auffassung der gewoehnlichen Definition der Wahrheit, welche jede
Erkenntnis der Wahrheit unmoeglich macht. Nach dieser Definition naemlich,
auf die alle Eroerterungen ueber die Wahrheit vielfach unbewusst und
unfreiwillig zurueckkommen, besteht die Wahrheit in der _Uebereinstimmung
des Erkennens mit seinem Gegenstande_. Fassen wir hier Gegenstand in
seiner gegensaetzlichen Trennung vom Erkennen als das Unerkannte oder so
wie er unerkannter Weise ist, so kann von einer Erkenntnis der Wahrheit
keine Rede mehr sein; denn der Gegenstand kommt uns doch nur innerhalb
unsrer Vorstellungen und Gedanken, also vermittelt durch unser Erkennen,
zum Bewusstsein. Was er abgesehen davon sein mag, darueber wissen wir
nichts. Aber muss in jener Definition der Wahrheit das Wort Gegenstand
notwendig im Sinne des unerkannten Gegenstandes, wie er unerkannter Weise
ist, genommen werden? Wir werden der Absicht der gewoehnlichen Definition
der Wahrheit gerecht, wenn wir den Gegenstand als das betrachten, was vom
Erkennen weder gemacht noch geaendert wird und insofern vom Erkennen
unabhaengig ist. Damit steht aber nicht im Widerspruch, wenn wir an einer
unloesbaren Verbindung des Erkennens mit seinem Gegenstande festhalten und
insofern von einer wechselseitigen Abhaengigkeit einerseits des Erkennens
vom Gegenstande und anderseits des Gegenstandes vom Erkennen reden. Wenn
das Erkannte auch nicht _durch_ das Erkennen ist, so bleibt doch die
Annahme moeglich, dass es nicht _ohne_ das Erkennen sein kann und insofern
von ihm abhaengig ist. Ausgeschlossen ist hierbei die rationalistische
Annahme, dass das Erkennen seinen Gegenstand aus sich selbst schoepft; aber
auch die empiristische Annahme ist unrichtig, dass dem Erkennen sein
Gegenstand einfach gegeben wird. Das Gegebene ist noch nicht das Erkannte;
das Erkennen darf den Gegenstand weder erzeugen oder auch nur aendern, noch
kann es ihn als Unerkanntes als Ding an sich erfassen.

Indes ganz abgesehen davon koennen wir die Definition, wie sie gewoehnlich
gegeben wird, nicht gebrauchen, schon wegen der Unbestimmtheit und
Vieldeutigkeit des Wortes "Gegenstand", und es wuerde daran auch dann
nichts geaendert, wenn wir dieses Wort durch das nicht minder unbestimmte
und vieldeutige "Wirklichkeit" ersetzten. _Fuer uns giebt es nur einen
Gegenstand des Erkennens, und das ist die Wahrheit._ Wir nehmen an, dass
wir die Wahrheit erkennen koennen, erklaeren uns aber ausser Stande, von dem
was Wahrheit ist, eine Definition zu geben. Wenn wir aber auch keine
eigentliche Definition von dem Begriff der Wahrheit zu geben vermoegen, so
koennen wir doch wenigstens ein Merkmal dieses Begriffs aufweisen und in
ihm uns seinen Inhalt vergegenwaertigen. Das Merkmal ist freilich kein
letztes Unterscheidungsmerkmal, aber doch ein wesentlicher, wenn nicht der
wesentlichste Bestandteil des Begriffs der Wahrheit. Wir koennen ferner
auch ein Kennzeichen der Wahrheit angeben, an dem wir Wahrheit und
Falschheit unterscheiden, und damit den Umfang dieses Begriffs bestimmen.
Wie so oft muss auch hier die genauere Bestimmung des Umfangs einen Ersatz
bieten fuer die unzulaengliche Festsetzung des Inhalts. Das Kennzeichen ist
freilich nur ein aeusseres, aber als einziges unterscheidendes Kennzeichen
nicht bloss praktisch unentbehrlich, sondern auch von entscheidender
Wichtigkeit.


  Zweite Untersuchung.


Der ueberzeitliche Charakter der Wahrheit.

Aus Thatsachen und Gedanken, d. h. aus dem Vorgefundenen und aus unsren
nicht willkuerlichen sondern dem Vorgefundenen entsprechenden Zuthaten,
bauen sich die Wissenschaften auf. Wenigstens ist in dem, was wir
Thatsachen nennen, das Vorgefundene das herrschende Element, waehrend in
den Gedanken das Vorgefundene gegen die Zuthaten zuruecktritt. Zu den
Gedanken gehoeren auch die Begriffsurteile oder Begriffssaetze wie: weiss
ist nicht schwarz, ein Viereck nicht rund, ein gleichseitiges Dreieck
gleichwinklig, zwei kleiner als drei usw., die das Gebiet der logischen
und mathematischen Wahrheiten umfassen. Sie sind vollkommen wahr, auch
wenn die Glieder, die sie miteinander verbinden, gar nicht existieren;
auch wenn es so etwas wie weiss und schwarz, Viereck und rund,
gleichseitiges und gleichwinkliges Dreieck, zwei und drei in Wirklichkeit
gar nicht giebt, so bleibt doch die in diesen Urteilen ausgedrueckte
Beziehung durchaus wahr. Sie ist ewig gueltig, ihre Wahrheit hat einen
ueberzeitlichen Charakter.

Richtig verstanden gilt das aber von allen Urteilen, die eine Wahrheit zum
Ausdrucke bringen. Die Thatsachen unsres Bewusstseins, von denen nur wir
allein jeder fuer sich Kenntnis haben koennen, und alle uebrigen Thatsachen
von mehr oder minder langer Dauer -- wie sie z. B. in den Urteilen: ich
freue mich jetzt, oder: die Lampe steht auf dem Tische, ausgedrueckt werden
-- koennen nur wirklich oder wahr sein, wenn dies, dass sie jetzt oder eine
zeitlang bestehen, fuer alle Zeiten gilt. Alle Wahrheit, auch die
anscheinend nur einen Augenblick oder eine kurze Zeit bestehende, hat
einen ueberzeitlichen Charakter. Sie hat trotz ihres scheinbar kurzen
Bestandes eine ewige Gueltigkeit. Nur darum ist sie Wahrheit.


  Dritte Untersuchung.


Bedeutung des ueberzeitlichen Charakters der Wahrheit.

Aber wie ist das moeglich? Nur dadurch, dass auch die vergaengliche
Thatsache eine ewige Bedeutung hat, aus der sich ihr Hervortreten in der
Zeit erklaert. Nur aus dieser ihrer ewigen Bedeutung, die ihre zeitliche
Existenz bedingt und begruendet, folgt notwendigerweise der ueberzeitliche
Wahrheitscharakter der Thatsache. Eine ewige Bedeutung kann aber der
zeitlichen und vergaenglichen einzelnen Thatsache nicht als solcher in
ihrer Vereinzelung sondern nur als Glied eines groesseren ueber ihre
Zeitlichkeit und Vergaenglichkeit hinausgehenden Ganzen zukommen; nur als
Teil der Gesamtwirklichkeit, die als Ganzes wenigstens ueber die
Zeitlichkeit und Vergaenglichkeit ihrer Teile hinausgeht. Schon im
gewoehnlichen Leben sprechen wir bei Thatsachen nur von Wahrheit, wenn sie
in den Zusammenhang des Wirklichen aufgenommen werden koennen und durch
ihre Stellung in diesem Ganzen eine Bedeutung gewinnen. Dass ein Stein am
Wege liegt, eine Person uns begegnet, nennen wir schwerlich eine Wahrheit,
ausser wenn die Betonung dieses Sachverhalts aus andren Gruenden etwa wegen
eines gerichtlichen Verfahrens wichtig ist. Jedenfalls werden wir uns den
Wahrheitscharakter der Thatsachen, der notwendig ein ueberzeitlicher ist,
nur zum Bewusstsein bringen koennen, wenn wir sie der zufaelligen
Aeusserlichkeiten, insbesondere ihrer Vereinzelung zu entkleiden und mit
Spinoza zu reden sub specie aeternitatis zu betrachten suchen. Ob und
inwiefern dies Streben von Erfolg gekroent ist oder zu inhaltlich
bedeutsamen Erkenntnissen fuehrt, mag fraglich bleiben; aber davon haengt
natuerlich die notwendige Ueberzeitlichkeit des Charakters der Wahrheit
nicht ab.

Eine Folgerung draengt sich auf: das Gelten steht hoeher als das Existieren;
das Existieren ist nur moeglich durch das Gelten. Mit andren Worten: die
Wahrheit steht hoeher als die Wirklichkeit und die Wirklichkeit ist nur
Wirklichkeit durch die Wahrheit. Aber was ist Wirklichkeit, abgesehen von
ihrer Wahrheit?


  Vierte Untersuchung.


Nur Eine Wahrheit fuer alle Denkenden.

Was fuer alle Zeit gilt, gilt natuerlich auch fuer alle Denkenden. Es giebt
entweder keine Wahrheit, oder aber sie gilt fuer alle Denkenden. Die
Wahrheit ist nicht ein Erzeugnis der menschlichen Organisation ueberhaupt
oder jeder einzelnen menschlichen Organisation insbesondere, sodass sie
nur fuer die Menschen gaelte oder gar fuer jeden einzelnen Menschen eine
andere und besondere waere. Alle Erkenntnis hat nur Einen Gegenstand, das
ist die Eine Wahrheit, die fuer alle Erkennenden dieselbe ist. Damit ist
aber keineswegs gesagt, dass die Wahrheit unabhaengig vom Erkennen sei im
Sinne der Transcendenz oder des Dinges an sich. Bei einer solchen
Unabhaengigkeit hoerte die Wahrheit auf, Gegenstand des Erkennens zu sein.
Die unaufloesliche Verbindung der Wahrheit mit dem Erkennen muss
festgehalten werden, wie immer diese Verbindung zu denken ist. Ausserdem
wird man von einer Abhaengigkeit der Wahrheit vom goettlichen Denken oder --
wenn man diesen Ausdruck vorzieht -- vom "Bewusstsein ueberhaupt" und auch
vom menschlichen Denken reden duerfen, vorausgesetzt, dass das menschliche
Denken, wenn es wahr ist, eins mit dem goettlichen ist.

Gilt die Wahrheit, auch wenn wir sie nicht erkennen? Gilt das Gesetz der
Gravitation, ehe es Newton entdeckte? Zweifellos! Aber was heisst das
anders, als dass diese Wahrheit, wie alle andren, einen ueberzeitlichen
Charakter hat, dass sie ewig gilt! Muss man dann aber nicht schliessen,
dass die Wahrheit vorhanden sein kann, ohne unser Erkennen? Wir duerfen
nicht vergessen, dass auch unser Erkennen, wie alle Thatsachen, einen
ueberzeitlichen Charakter hat. Gewiss, es hat einen Anfang, es erlebt
Veraenderungen, gehoert also der Zeit an, wie alle zeitlichen Thatsachen.
Aber wir wissen nicht, wie sich spaeter zeigen wird, was es mit der Zeit
auf sich hat, obgleich wir ihr die Bedeutung nicht absprechen. Sicher ist,
dass das Zeitliche vom Ewigen abhaengig ist, dass es in seinem Hervortreten
in der Zeit durch das Ewige bedingt und bestimmt ist. Das gilt auch von
unsrem Erkennen. Aber nicht minder sicher ist, dass dieses Hervortreten in
der Zeit auch eine ewige Bedeutung hat, und das verbuergt uns seine
unaufloesliche Verbindung mit der Wahrheit, in der allein diese ewige
Bedeutung ihren Grund haben kann.


  Fuenfte Untersuchung.


Die Wahrheit und das Urteil.

In jedem Urteile haben wir ein Bewusstsein der Wahrheit, wenn auch nur
einschliesslich und der Sache nach. Ausdruecklich und der Form nach ist
dies allerdings nur der Fall in dem Urteile: Es ist wahr, dass dies oder
jenes zutrifft! Natuerlich handelt es sich hierbei nicht immer um ein
Bewusstsein der wirklichen, sondern oft auch nur der bloss vermeintlichen
Wahrheit. Dieses Bewusstsein geht seinem Sinne nach stets ueber die
Verbindung der Vorstellungen im Urteile hinaus und weist auf einen
Sachverhalt hin, der in der Verbindung der Vorstellungen zum Ausdrucke
kommen soll, aber von ihr verschieden ist. Wir nennen das die Beziehung
des Urteils auf die Objektivitaet, und diese ist mit dem in ihm enthaltenen
Bewusstsein der Wahrheit ein und dasselbe.

Wenn man das Urteil Ausdruck eines Sachverhalts nennt und darunter eben
nur diese Beziehung auf die Objektivitaet oder das Bewusstsein der Wahrheit
versteht, so ist dagegen nichts einzuwenden. Falsch waere es aber, wenn man
das Wort Ausdruck im Sinne einer Nachbildung des Sachverhalts verstehen
wollte. Das im Urteil sich darstellende Erkennen ist keineswegs eine bloss
muessige Wiederholung der Wirklichkeit, ein blosses Spiegelbild derselben.
Dem Bilde ist es eigentuemlich, eine Sache so wiederzugeben, wie sie
unabgebildeter Weise ist. Waere das Erkennen ein blosses Bild der Wahrheit,
so wuerde es die Wahrheit wiedergeben, wie sie unerkannter Weise ist. Die
Wahrheit wuerde zum unerkennbaren Ding an sich. Im Erkennen haben wir nicht
ein blosses Bild der Wahrheit sondern die Wahrheit selbst. Es ahmt sie
nicht nach (homoiosis), sondern nimmt an ihr teil (koinonia), sie ist in
ihr gegenwaertig (parusia). Wir nehmen im Erkennen die Wahrheit selbst in
Besitz, nicht bloss ihr Spiegelbild, ihren Abdruck im Bewusstsein. Davon
ueberzeugt uns immer wieder die Reflexion auf den Erkenntnisvorgang.

Wichtig ist, dass wir im Urteile nicht bloss ueber die in ihm vorhandene
Verbindung der Vorstellungen hinausgehen, sondern mit unsrem Denken oder,
wenn wir auch das falsche Urteil beruecksichtigen wollen, wenigstens in
Gedanken in die ueberzeitliche, ewige Welt, die fuer alle Denkenden in
gleicher Weise gilt, hineinreichen und mit ihr im Zusammenhange stehen.
Das ist die Bedeutung der Beziehung auf die Objektivitaet, die mit dem
Bewusstsein der Wahrheit ein und dasselbe ist. Diese ueberzeitliche, ewige,
fuer alle Denkenden gleicherweise geltende Welt ist die Welt, das Reich
oder auch die Region, das System der Wahrheit. Jeder Urteilende tritt mit
jedem Urteil in dieses allem sinnlichen Scheine nicht bloss sondern auch
allem Vergaenglichen, Veraenderlichen so entgegengesetzte Gebiet ein und
fasst in ihm festen Fuss.

Unsere Darlegung erinnert nicht bloss an Spinoza, der alles sub specie
aeternitatis betrachten will, sondern auch an Augustins veritates aeternae
et immutabiles, die ihren Grund nicht in dem veraenderlichen menschlichen
Denken und ebensowenig in den veraenderlichen Dingen der Welt sondern nur
in Gott haben koennen. Sie erinnert ferner an den Satz von Nikolaus von
Cues, der wieder an Eckhart anklingt, dass die ideelle Existenz der Dinge
(in dem Gedanken Gottes) wahrer ist als die in Raum und Zeit erscheinende
koerperliche Existenz. Sie erinnert endlich ganz besonders an die
Ideenlehre Platons. Das, was wir Wahrheit nennen, ist in der That eine
Platonische Idee, oder sie umfasst vielmehr die ganze Ideenwelt Platons,
welche die Erscheinungswelt in ihrem Sein bedingt.



Zweiter Abschnitt.

Die Wahrheit und das Wesen der Dinge.


  Sechste Untersuchung.


Wesentliche und nicht wesentliche Merkmale.

Das Erkennen ist auf das Wesentliche gerichtet. Sein Ziel ist das Wesen
der Dinge. Das Wesentliche soll im Gegensatz stehen zu dem Zufaelligen und
scheint dann als das Notwendige, Unentbehrliche betrachtet zu werden. Es
fragt sich, wem notwendig, wem unentbehrlich? Natuerlich dem Begriff des
Dinges (Ding im allgemeinsten Sinne genommen, in dem es auch
Eigenschaften, Vorgaenge und Beziehungen umfasst). Allein, fragen wir
weiter, woraus besteht der Begriff? so lautet die Antwort: aus den
wesentlichen Merkmalen. Durch Zurueckgreifen auf den Begriff kommen wir in
der Erkenntnis dessen, was unter wesentlich zu verstehen ist, nicht
weiter.

Jedenfalls setzt die Unterscheidung wesentlicher und zufaelliger Merkmale
die Annahme eines Wertunterschieds unter den Merkmalen voraus. Und an
dieser Annahme wird festgehalten werden muessen. Schon wenn wir von der
Gestalt und Groesse der Ausdehnung, von der Hoehe und Staerke eines Tones,
von der Richtung und Geschwindigkeit der Bewegung reden, tritt dieser
Wertunterschied deutlich hervor. Das erstgenannte Merkmal ist das
vorzueglichere, dem das zweite als Eigenschaft untergeordnet wird. Aber
nicht das Umgekehrte gilt. Man kann den Kaukasier nicht definieren als ein
menschliches Weisses, den Menschen nicht als ein zweibeiniges und
zweihaendiges oder als ein zweifuessiges ungefiedertes Wesen, wenn gleich
diese Definitionen eine Unterscheidung des Kaukasiers von den andern
Menschentypen und des Menschen von allen andern Dingen ermoeglichen. Warum
nicht? Weil die weisse Farbe, die Zweifuessigkeit, Ungefiedertheit keine
wesentlichen Merkmale bilden, das Weiss-Sein ausserdem sich dem
Mensch-Sein nicht ueberordnen laesst. Die Alten hatten recht, wenn sie im
Anschluss an Porphyrius nicht unterschiedslos alle Merkmale, die einem
Dinge und nur ihm zukommen, in seine Definition aufgenommen wissen
wollten, sondern nur gewisse wertvolle, die sie die wesentlichen nannten.
Auch darin hatten sie recht, wenn sie von den wesentlichen Merkmalen nicht
bloss die zufaelligen, wie z. B. die Farbe beim Menschen, unterschieden,
sondern auch die notwendigen, die sogenannten Proprietaeten. Was notwendig
zum Wesen des Menschen gehoert, wie z. B. die Zweifuessigkeit, ist darum
noch nicht ein Bestandteil dieses Wesens.


  Siebente Untersuchung.


Wie gewinnen wir die wesentlichen Merkmale?

Aus dem Gesagten ergiebt sich, dass wir weder die einer Reihe von Dingen
gemeinsamen, sogenannten allgemeinen Merkmale, noch die im Laufe der
Entwicklung eines Dinges sich gleichbleibenden sogenannten konstanten
Merkmale mit den wesentlichen verselbigen duerfen. Es bedarf ferner nicht
eines Durchlaufens einer Reihe von gleichen oder aehnlichen Dingen oder der
Entwicklungsphasen ein und desselben Dinges um das Wesentliche an ihnen zu
entdecken. Freilich kann nicht geleugnet werden, dass dieses Verfahren der
Generalisation die Auffindung der wesentlichen Merkmale haeufig
unterstuetzt. Sind die Umstaende und Verhaeltnisse der Gegenstaende, um deren
Erkenntnis es sich handelt, sehr verwickelt und schwer ueberschaubar, so
mag es unentbehrlich sein, aber doch nur fuer die Ausscheidung der
unwesentlichen Merkmale, nicht unmittelbar fuer die Auffindung der
wesentlichen. Die Abstraktion ist natuerlich frueher als die Generalisation,
weil deren Bedingung. Durch die Abstraktion gewinnen wir unter andrem auch
die wesentlichen Merkmale. Eine kleine Menge Wasser genuegt dem Chemiker,
die Zusammensetzung des Wassers, alles Wassers aufzuweisen, eine einzige,
beliebig gewaehlte Dreiecksfigur dem Mathematiker, die Eigenschaften aller
Dreiecke darzuthun. Das bekannte Verfahren der Induktion, bei der von
einer groesseren oder geringeren Zahl von Einzelfaellen ausgegangen und aus
ihnen mit groesserer oder geringerer Wahrscheinlichkeit auf einen
allgemeingueltigen Sachverhalt geschlossen wird, kommt ebenso wie das
Verfahren der Generalisation nur dann zur Anwendung, wenn die Umstaende und
Verhaeltnisse sehr verwickelt und schwer ueberschaubar sind. "Die wahre
Methode geht" nach Liebig (von Liebig, Franz Bacon und die Methode der
Naturwissenschaften 1863 S. 47) "vom einzelnen Falle, nicht von vielen
Faellen aus". Das deutet auch Goethe an, wenn er (W. XXII. S. 264) sagt:
"Was ist das Allgemeine? Der einzelne Fall. Was ist das Besondere?
Millionen Faelle."

Indes, was ist denn das Mittel fuer die Erfassung des Wesentlichen? Ein
einfacher Blick des Geistes, ueber den freilich keineswegs jedermann
verfuegt. Eine grosse Anzahl selbst von den wissenschaftlichen Forschern
haengen an Einzelheiten, Aeusserlichkeiten, dringen nicht ein in den Kern
der Sache, nicht in das, worauf es ankommt. Der Bloedsinnige und Dumme
ermangelt dieses Blickes gaenzlich. Jener bleibt mit seinem sprunghaften
Denken keinen Augenblick bei derselben Sache, dieser sieht, wie man zu
sagen pflegt, vor lauter Baeumen den Wald nicht. Insbesondere zeigt dies
der Ungebildete durch Heranziehung aller, auch der gleichgueltigsten
Nebenumstaende bei Darstellungen und Erzaehlungen. Ihnen allen fehlt der
Blick des Geistes fuer das Wesentliche.

Etwas dieser eigentuemlichen Funktion des Bewusstseins Aehnliches haben wir
in dem, was man in der Wissenschaft als Apercu oder Intuition bezeichnet.
Man muss darunter auch einen, wie man sagt, vorausschauenden Blick des
Geistes verstehen, durch den die wissenschaftlichen Ergebnisse, die das
Ende einer laengren Gedanken- und Forschungsarbeit bilden und sie zum
Abschlusse bringen, vorweggenommen oder unmittelbar aufgefasst werden.
Freilich ist diese Vorwegnahme oder unmittelbare Auffassung keineswegs
schon eine Erkenntnis. An sie anschliessend nimmt die eigentliche
wissenschaftliche Gedanken- und Forschungsarbeit erst ihren Anfang,
zunaechst sozusagen bloss probierend und tastend. Aber dieses eigentliche
wissenschaftliche Verfahren erhaelt doch durch das im voraus erfasste
Ergebnis seine Richtung und sein Ziel. Ihm liegt die Aufgabe ob, fuer das
Apercu oder die Intuition den Beweis zu fuehren und sie dadurch zu einer
wirklichen Erkenntnis zu erheben. Wir werden bald sehen, dass der Blick
des Geistes, durch den wir die wesentlichen Merkmale gewinnen, darin mit
dem wissenschaftlichen Apercu und der wissenschaftlichen Intuition
Aehnlichkeit hat, dass wir durch ihn und fuer sich allein noch keineswegs
Erkenntnisse gewinnen.


  Achte Untersuchung.


Die wesentlichen (begrifflichen) Merkmale sind nicht aus den sinnlichen
(vorstellungsmaessigen) abzuleiten.

All unsrem Erkennen liegen Sinnenbilder zu Grunde. Auf das in den
Empfindungen gegebene, das Sinnliche, Sinnfaellige, muss, sei es zur
Begruendung, sei es zur Verdeutlichung unsrer Erkenntnisse, immer
zurueckgegriffen werden; zur Verdeutlichung insbesondere dann, wenn es sich
um die Erkenntnis des Nichtsinnlichen, Geistigen handelt. Die
Grundbestandteile dieses Sinnlichen, Sinnfaelligen bilden die Sinnenbilder
der Ausdehnung und Bewegung. Von beiden haben wir Tast- und
Gesichtsbilder, auch von der Bewegung (etwa die Beruehrungsempfindungen von
einem ueber die Hand kriechenden Sonnenkaefer), denen entsprechende
Gesichtsempfindungen zur Seite gehen. Natuerlich sind diese Bilder selbst
ausgedehnt und bewegt und heissen nur uneigentlich Bilder von der
Ausdehnung und Bewegung. Das deutet schon darauf hin, dass wir unter der
Ausdehnung und Bewegung etwas andres verstehen muessen als diese
sogenannten Sinnenbilder. Was wir unter Ausdehnung und Bewegung verstehen,
das zeigen die Worte Ausdehnung und Bewegung an. Diese Worte sind
sozusagen Zeichen fuer ein in uns vorhandenes ruhendes Wissen, eine
Wissensdisposition, eine Faehigkeit, in Urteilen darzulegen, was Ausdehnung
und Bewegung ist, oder wenigstens jederzeit diese Worte richtig
anzuwenden. Wir wissen, dass die Ausdehnung eine Vielheit gleichzeitiger
einander beruehrender Teile, die Bewegung eine Vielheit aufeinander
folgender, ineinander uebergehender Teile umfasst. Gleichzeitige Vielheit
und Beruehrung, aufeinander folgende Vielheit und Uebergang, das sind die
Bestandteile der Begriffe Ausdehnung und Bewegung, die wesentlichen
(begrifflichen) Merkmale der Ausdehnung und Bewegung. Aber sind diese
Merkmale nicht schon in den Sinnenbildern der Ausdehnung und Bewegung
vorhanden, nicht in ihnen unmittelbar gegeben, sodass sie sich also von
den sinnfaelligen, sinnlichen gar nicht unterscheiden oder hoechstens doch
durch eine in Gestalt von Worten vermittelte Umformung aus ihnen
abgeleitet werden koennten? Wenn die Sinnenbilder selbst ausgedehnt und
bewegt sind, so sind diese Merkmale so in ihnen enthalten, wie in jedem
andren Ausgedehnten und Bewegten. Aber um sie zu finden, dazu bedarf es
eben eines Finders, der von den sinnlichen Empfindungen selbst verschieden
ist, eben jenes Blickes des Geistes, dem wir die Gewinnung der
wesentlichen Merkmale zuschreiben. Die Sinnenbilder an und fuer sich
genommen sind nichts andres als Zusammensetzungen von Empfindungen, die je
den Teilen der Netzhaut und Tasthaut entsprechen. Sie sind Zustaende des
Bewusstseins, die noch gar nicht einmal einen gegenstaendlichen Charakter
haben, noch nicht einmal als Objekte uns gegenuebertreten. Unsrem
entwickelten Bewusstsein erscheint freilich ihre Gegenstaendlichkeit als
etwas Selbstverstaendliches; aber doch nur darum, weil ihnen der Finder,
der Blick des Geistes, gegenuebersteht.

Wie werden urspruenglich aus den, sagen wir einmal bloss subjektiven
Empfindungen -- an sich genommen sind die Empfindungen ja weder subjektiv
noch objektiv -- Vorstellungen? Wie es scheint auf folgendem Wege. Mit den
Bewegungen unsrer eigenen Glieder sind Willensimpulse verbunden; sie
kehren regelmaessig bei den sogenannten willkuerlichen Bewegungen wieder und
associieren sich so mit den Sinnenbildern der Ausdehnung und Bewegung
dieser Glieder. Wenn nun Sinnenbilder der Ausdehnung und Bewegung, mit
denen diese Willensimpulse nicht verbunden sind, in uns auftreten, so wird
das Gedaechtnisbild dieser Willensimpulse reproduziert und auch diesen
Sinnenbildern unterlegt. So treten dann diese Sinnenbilder als
Willensdinge den Sinnenbildern, die von vornherein mit den Willensimpulsen
verbunden sind, gegenueber. So erhalten diese erstren Sinnenbilder diesen
letztren gegenueber, wie es scheint, urspruenglich einen gegenstaendlichen
Charakter, oder, wie wir ohne Gefahr des Missverstandenwerdens besser
sagen, sie werden zu Vorstellungen. Gegenstaende im eigentlichen Sinne als
das dem Geiste Gegenueberstehende giebt es fuer ihn erst auf Grund des
Urteils.

Wir nannten die Sinnenbilder, mit denen associativ Willensimpulse
verbunden sind -- auch von den Sinnenbildern, mit denen sie urspruenglich
verbunden sind, koennen wir das Gleiche sagen, -- Willensdinge. Es ist
bekannt, dass die Wilden ebenso wie unsere Kinder und Dichter alles als
belebt und beseelt, alles als mit Gefuehl und Willen ausgestattet,
auffassen. Diese Animismus genannte Erscheinung haelt natuerlich der
fortschreitenden Erfahrung gegenueber nicht Stand. Der geworfene Stein und
die freifliegende Taube werden bald unterschieden. Von dem Willensding
bleibt dann nur uebrig, 1. dass es einen Raum ausfuellt, der nicht zugleich
mit ihm von einem andren Dinge eingenommen werden kann -- das Willensding
wird zur Substanz; 2. dass es jedem Eindringen in diesen Raum Widerstand
entgegensetzt, also Einwirkungen ausuebt -- das Willensding wird zur
Ursache. Man koennte denken, diese wesentlichen (begrifflichen) Merkmale
der Dinge im engren Sinne seien wieder unmittelbar in den mit
Willensimpulsen verbundenen Sinnenbildern der Sinnendinge gegeben. Aber
auch hier gilt: es bedarf des Finders, des Blickes des Geistes, und erst
dieser schafft, erzeugt, freilich nicht willkuerlich, sondern im engen
Anschluss und gemaess dem Sinnenbild, in seiner Thaetigkeit von ihm bedingt
und bestimmt, das wesentliche oder begriffliche Merkmal. Das Finden,
Erblicken, auf geistigem Gebiete ist eben nicht ein materielles Aufnehmen
sondern ein Erzeugen, ein Schaffen. Allein, sollte man nicht annehmen
duerfen, dass wir diese begrifflichen Merkmale nur durch die urteilende
Thaetigkeit gewinnen? Zumal wir ja die Vielheit der Teile des Ausgedehnten
und der Bewegung anscheinend nur durch Unterscheidung der Teile im Urteile
erhalten. Diese Unterscheidung im Urteil setzt die Erfassung der Teile als
einzelner, sozusagen eine Unterscheidung durch den einfachen Blick des
Geistes voraus. In der durch diese Unterscheidung gegebenen Vereinzelung
sind die Teile im Sinnenbilde der Ausdehnung und Bewegung nicht vorhanden,
sondern koennen erst durch den Blick des Geistes gewonnen werden. Dasselbe
gilt dann natuerlich auch von dem Moment der Beruehrung und des Uebergangs,
den andern begrifflichen oder wesentlichen Merkmalen der Ausdehnung und
Bewegung, in denen die einzelnen Teile zu zweien zusammengefasst werden.
Gewiss kommt in unsrem entwickelten Bewusstsein wie jene Vereinzelung so
auch diese Zusammenfassung im Urteil zum Ausdruck. Aber wie die im Urteil
gegebene Vereinzelung, so setzt auch die in ihm gegebene Zusammenfassung
den einfachen Blick des Geistes, dem wir die Gewinnung der wesentlichen
Merkmale zuschreiben, voraus. Diese durch den einfachen Blick des Geistes
sich vollziehende Vereinzelung und Zusammenfassung erzeugt neue
gedankliche Gebilde im Geiste, eben die wesentlichen, begrifflichen
Merkmale, die wir mit den Worten gleichzeitige, aufeinanderfolgende
Vielheit, Beruehrung, Uebergang bezeichnen und die die Grundlage der
betreffenden unterscheidenden und zusammenfassenden Urteile bilden.

Wir koennen nicht zugeben, dass die wesentlichen Merkmale, aus denen der
Begriff nach allgemeiner Annahme besteht, in den Sinnenbildern oder
Vorstellungen in dem hier erklaerten Sinne wirklich enthalten sind. In
andren Faellen tritt uns das noch deutlicher entgegen. Wir haben
Sinnenbilder vom Punkt, der keine Ausdehnung hat, von der Linie, die nur
_eine_ Ausdehnung, von der Flaeche, die nur zwei Ausdehnungen hat, von
einem luftartigen Gebilde als dem Geiste, der den ausschliessenden
Gegensatz zu allem Koerperlichen ausmacht. Es ist einleuchtend, dass die
hier genannten wesentlichen Merkmale des Punktes, der Linie, der Flaeche,
des Geistes nur durch Negation des in den betreffenden Sinnenbildern
Enthaltenen gewonnen werden koennen. Die Negation im eigentlichen Sinne hat
nur im negativen Urteile ihre Stelle, aber diese im negativen Urteil
gegebene Negation setzt den Blick fuer das, was anders ist, als das, was
negiert wird, voraus.


  Neunte Untersuchung.


Das Wesen der Dinge.

Aber wir haben immer noch nicht erklaert, was das Wesentliche eigentlich
ist oder worin das Wesen der Dinge besteht. Am einfachsten scheint die
Sache bei den mathematischen Gebilden zu liegen. Das Wesen eines Kreises,
einer Ellipse besteht natuerlich nicht in der gezeichneten und von uns
gesehenen Linie, viel eher in der mathematischen Formel, durch welche das
Verhaeltnis der Linie zu dem einen Mittelpunkt des Kreises und zu den
beiden Mittelpunkten der Ellipse bestimmt wird, in dem Gesetze des Kreises
und der Ellipse. Sicher kommt die mathematische Formel dem Wesen des
Kreises und der Ellipse naeher als die gezeichnete und gesehene Linie, die,
um gezeichnet und gesehen zu werden, im Widerspruch mit sich selbst
mehrere Ausdehnungen haben muss. Aber macht die mathematische Formel das
ganze Wesen des Kreises und der Ellipse aus? Sie gehoeren doch zu den
Kegelschnitten und nehmen innerhalb derselben eine bestimmte, durch neue
Formeln festgelegte Stellung ein. Diese gehoert nicht minder zu ihrem
Wesen. Sie sind Linien, und Linien begrenzen Flaechen; Flaechen begrenzen
Koerper, Koerper nehmen hinwiederum in der Gesamtheit des Wirklichen eine
Stellung ein, an der auch die Linien teilnehmen. Auch diese Stellung zur
Gesamtheit des Wirklichen gehoert zum Wesen des Kreises und der Ellipse, ja
es ist einleuchtend, dass sie ihr eigentliches Wesen bilden muss, da aus
ihr die Einzelstellung dieser mathematischen Gebilde und somit ihre
mathematische Formel sich ergiebt und abgeleitet werden kann. Was vom
Wesen des Kreises und der Ellipse gilt, wird vom Wesen aller Dinge
behauptet werden muessen. Eine rohe Auffassung sieht in diesem Wesen einen
beharrlichen, unveraenderlichen Seinskern, an dem sich die mit dem Begriffe
des Dinges vertraeglichen Veraenderungen vollziehen sollen. Einen solchen
unveraenderlichen Seinskern giebt es nicht in den Dingen. Die Veraenderungen
sind Veraenderungen der Dinge, nicht an den Dingen. Man kann sich auch
nicht auf den Begriff des Dinges berufen, um die mit seinem Wesen
vertraeglichen Veraenderungen des Dinges zu gewinnen. Denn der Begriff, der
die wesentlichen Merkmale umfasst, setzt das Wesen des Dinges voraus. Das
unveraenderlich sich Gleichbleibende in den Dingen ist ihre Stellung zur
Gesamtheit des Wirklichen. Sie verleiht den Dingen eine ueberzeitliche
Geltung und eine ewige Bedeutung; in ihr besteht das Wesen der Dinge, und
dieses Wesen ist mit ihrer Wahrheit ein und dasselbe. Wie die Wahrheit, so
ist darum auch das Wesen unveraenderlich und ewig. In diesem hoechsten Sinne
giebt es von jedem Ding nur Einen Begriff. Er ist der Ausdruck fuer seine
Stellung in der Gesamtheit des Wirklichen, oder, wie wir auch sagen
koennen, fuer seine Stellung in dem System der Wahrheit. Natuerlich ergiebt
sich auch aus der Stellung eines Dinges in der Gesamtheit des Wirklichen,
welche Veraenderungen es durchlaufen kann, oder welche Veraenderungen fuer
die Geltendmachung dieser Stellung erforderlich sind.


  Zehnte Untersuchung.


Der Begriff der Philosophie.

Koennen wir wirklich fuer unser Erkennen das Eindringen in das Wesen der
Dinge in diesem Sinne als Aufgabe in Anspruch nehmen? Geht eine solche
Aufgabe nicht ueber die Kraft des Erkennens hinaus? Gilt das Wesen der
Dinge nicht mit Recht fuer unerkennbar? Haben wir beispielsweise vom Wesen
der Farbe eine Erkenntnis? Die Physiker sagen, die Farben seien
Aetherschwingungen; die Physiologen nennen sie Empfindungen. Aber weder die
einen noch die andren koennen uns sagen, was es mit den Aetherschwingungen
und Empfindungen eigentlich auf sich hat, was ihr Wesen ist. Das Wesen der
Farbe wuerden wir erst dann erkannt haben, wenn wir den ursaechlichen
Zusammenhang zwischen den Aetherschwingungen und unsren Empfindungen und
den Zweckzusammenhang zwischen beiden verstanden haetten, wenn wir wuessten,
warum die Aetherschwingungen die Farben erzeugen und wodurch sie das
vermoegen. Davon aber sind wir sehr weit entfernt. Wir wissen nicht, wie
die durch die Aetherschwingungen erzeugten Gehirnvorgaenge es machen, dass
die von ihnen ganz verschiedenen Farbenempfindungen auftreten, und noch
weniger, warum es der toten und gleichmaessigen Aetherschwingungen bedarf,
um die ganze Farbenwelt hervorzuzaubern, die der Kunst der Malerei ihre
Existenz verleiht. Noch weniger koennen wir das Wesen des Menschen
erkennen. Platon nannte den Koerper den Kerker und das Grab der Seele,
moderne Physiologen betrachten das Bewusstsein als ein ueberfluessiges und
unbequemes Nebenprodukt. Die Frage, warum der den Geist so oft behindernde
Koerper mit dem den Koerper so oft zum Siechtum verurteilenden Bewusstsein
verbunden ist, wird heutzutage kaum gestellt. Erst die Beantwortung dieser
Frage wuerde uns Aufklaerung ueber das Wesen des Menschen geben. Aber wenn
wir das Wesen der Dinge gar nicht erkennen koennen, warum denn von dieser
Erkenntnis reden und von ihr so viel Aufhebens machen? Wir antworten: das
Ziel des Erkennens ist unzweifelhaft das Wesen der Dinge, und wer die
richtige Darstellung vom Erkennen geben will, darf dies sein Ziel nicht
ausser Acht lassen; mag das Erkennen dasselbe auch nur unvollkommen und
annaehernd erreichen. Man hat die Philosophie nicht mit Unrecht als die
Wissenschaft vom Wesen der Dinge bezeichnet. Man muss sie folgerichtig
auch als die Wissenschaft der Fragen bestimmen, denn sie steht mitten im
Fragen und kommt aus dem Fragen gar nicht heraus. Aber ist das etwa eine
ihrer unwuerdige Bestimmung? Ist die richtig gestellte Frage und das
Bewusstsein, sie nicht beantworten zu koennen, wirklich wertlos? Jedenfalls
ist diese Bestimmung ehrenvoller fuer die Philosophie, als wenn man sie,
ihrer gegenwaertigen Lage nicht ganz unangemessen, als die Wissenschaft
charakterisiert, in der jeder eine andere Meinung hat.

Dass die Philosophie die Wissenschaft der Fragen ist, zeigt sich
besonders, wenn wir den Begriff des Erkennens ins Auge fassen. Man spricht
von Erscheinung im Gegensatz zum Wesen und unterscheidet die Erscheinung
im metaphysischen und erkenntnistheoretischen Sinne. Unter der erstren
sind die Veraenderungen der Dinge zu verstehen, die sich natuerlich aus
ihrer Stellung in der Gesamtheit des Wirklichen ergeben und darum aus
ihrem Wesen erklaeren lassen. Unter der letztren sind die Denkvorgaenge im
weitesten Sinne des Wortes, die auch und in erster Linie die sinnlichen
Empfindungen umfassen, zu verstehen. Sie vermitteln das Erkennen, und
insofern sie das wirklich oder vermeintlich thun, gelten sie als
Erscheinung der Dinge in uns. Was hat es mit dieser Erscheinung der Dinge
in uns, diesen Denkvorgaengen, die das Erkennen vermitteln, auf sich? Was
hat das Erkennen zu bedeuten, was ist sein Wesen? Nur eine blosse
Abspiegelung, eine muessige Wiederholung der Dinge im Bilde? Sind auch die
fuer unsre Erfassung des Wirklichen so notwendigen Ortsbestimmungen, die
einerseits feste Punkte voraussetzen und anderseits sich doch in lauter
Beziehungen aufloesen, und ebenso die Zeitbestimmungen, von denen das
Gleiche gilt, Bilder einer von ihnen unabhaengig bestehenden Wirklichkeit?
Dem Bilde ist es eigentuemlich, den Gegenstand so wiederzugeben, wie er
unabgebildeterweise ist. Waere das Erkennen nur ein Bild des Wirklichen, so
wuerden wir den Begriff des Dinges an sich nicht entbehren koennen. Um ihn
zu vermeiden, mussten wir eine unaufloesliche Verbindung des Erkennens mit
seinem Gegenstande, der Wahrheit annehmen. Aber erst, wenn wir die Art
dieser Verbindung zu bestimmen vermoechten, wuerden wir das Wesen des
Erkennens erkannt haben, mit ihm auch die Bedeutung der fuer unsere
Erfassung des Wirklichen so notwendigen Orts- und Zeitbestimmungen.


  Elfte Untersuchung.


Die Wahrheit das hoechste Gut.

Insofern die Philosophie als Wissenschaft vom Wesen der Dinge und vom
System der Wahrheit bezeichnet werden muss, ist sie auch die Wissenschaft
vom hoechsten Gute: denn die Wahrheit ist in der That das hoechste Gut,
dasjenige, wodurch alles andere Wert erhaelt. Wertvoll wird etwas nicht
etwa dadurch, dass es der Wahrheit nicht ermangelt, sondern geradezu durch
seine Wahrheit. Dass wir etwas aus sittlichen Gruenden thun sollen, dass
etwas schoen ist, gilt natuerlich nur insoweit, als eben dies Thun-sollen
und das Schoen-sein wahr ist. Wie wir gewoehnlich sagen, es gilt nur, wenn
das sittlich Gebotene wahrhaft oder wirklich sittlich, das fuer schoen
erklaerte wahrhaft oder wirklich schoen ist. Wahrhaft und wirklich gut oder
schoen ist etwas nur dann, wenn es dem allgemein fuer alle Denkenden und fuer
alle Zeit gueltigen, dem in diesem Sinne objektiv gueltigen Begriffe des
sittlich Guten und des Schoenen entspricht. Mit diesem Begriff wuerde sich
unser Begriff vom sittlich Guten und Schoenen erst decken, wenn wir ihn in
seiner Stellung im System der Wahrheit erkannt haetten. So lange und so
weit dies nicht der Fall ist, bleibt er missverstaendlich und einseitig; so
lange ist er darum kein unzweideutiger und vor allem kein vollstaendiger
Ausdruck des wahrhaft und wirklich Guten und Schoenen. Fuer unsren Begriff
des sittlich Guten und des Schoenen, sofern er wirklich wesentliche
Merkmale enthaelt, gilt: nicht ohne ihn giebt es etwas Gutes und Schoenes.
Fuer den Begriff des sittlich Guten und Schoenen im System der Wahrheit gilt
hingegen: nur durch ihn ist etwas schoen, ist etwas gut. Auch das Gute und
Schoene erhaelt seine Wahrheit und Wirklichkeit lediglich durch seine
Stellung im System der Wahrheit oder dadurch, dass es in diesem System
eine Stelle hat. Aehnlich wie vom sittlich Guten und Schoenen sprechen wir
auch von einem wahren, wirklichen Israeliten, von einem wahren, wirklichen
Menschen, von wahrem, wirklichem Golde u. s. w. Der hier als Massstab
zugrundeliegende Begriff, ein Soll-Begriff oder Idealbegriff, wird in
allen diesen Faellen von uns als etwas Allgemeingueltiges geltend gemacht
oder in Anspruch genommen, als etwas, das alle anerkennen muessen, und
weist damit auf den ihm im System der Wahrheit entsprechenden Begriff hin.

Was wahrhaft und wirklich ist, wird dadurch ueber die Vergaenglichkeit und
Veraenderlichkeit hinausgehoben; es ist nicht bloss etwas Scheinbares,
nicht etwas zum Verschwinden Bestimmtes, nicht etwas Nichtseinsollendes.
Aber wenn dem Scheinbaren, dem Nichtseinsollenden auch kein Wert und keine
Wahrheit zukommen soll, so ist es doch nichtsdestoweniger eine
Wirklichkeit. Wie ist das moeglich? Auch das Vergaengliche und
Veraenderliche, worin immer es besteht, ist nur wirklich durch seinen
ueberzeitlichen Charakter, durch seine ewige Bedeutung. Sollen wir auch dem
bloss Scheinbaren, dem Zufaelligen, dem Nichtseinsollenden einen
ueberzeitlichen Charakter und eine ewige Bedeutung zuschreiben? Wirklich
kann es nur durch diesen seinen ueberzeitlichen Charakter und seine ewige
Bedeutung sein; nur durch sie wird es ueber den blossen inhaltleeren
Schein, ueber den blossen sinnlosen Zufall hinausgehoben, wie der Schatten
nur sein kann, indem er sich an die Dinge der Umgebung dessen heftet, von
dem er ausgeht. Das Scheinbare, Nichtseinsollende, Zufaellige ist, wie
spaeter klar werden wird, das nicht wahrhaft und wirklich sondern nur
anmasslich und vorgeblich Selbstaendige, das die geliehene Selbstaendigkeit
als wirkliche gebraucht und damit zum Schein herabsetzt.




Zweiter Hauptteil.

Unser Wissen.


                            ------------------



Dritter Abschnitt.

Kennzeichen der Wahrheit.


  Zwoelfte Untersuchung.


Die Bestandteile des Erkenntnisvorgangs.

Was wesentlich ist, ist einem Ding -- das Wort im weitesten Sinne genommen
-- wesentlich, es ist ihm zugehoerig und gehoert mit ihm zusammen. So fuehrt
der Begriff des Wesentlichen auf den des Zusammengehoerigen zurueck. Das
zeigt sich insbesondere, wenn wir den alles Wesentliche zusammenfassenden
Begriff des Wesens der Dinge naeher betrachten. Die Stellung der Dinge in
der Gesamtheit des Wirklichen, d. h. also ihre Zusammengehoerigkeit mit
allem Wirklichen, macht das Wesen der Dinge aus. Die Zusammengehoerigkeit
ist der Grundbegriff des Erkennens, in dem uns seine wesentlichste Seite
kund wird; das Wesen der Dinge und ihre Wahrheit ist sein Ziel, aber nur
durch Erfassung des Zusammengehoerigen wird es erreicht.

Das, was zusammengehoerig oder wesentlich ist, muss sorgfaeltig
unterschieden werden von seiner Zusammengehoerigkeit oder Wesentlichkeit.
Wir erfassen dasselbe mit einem Blick des Geistes, ueber den das
entwickelte Bewusstsein verfuegt. Es ist vor allem wichtig zu beachten,
dass dieser Blick nicht als eine Erkenntnis betrachtet werden kann. All
unser Erkennen setzt ein Vorgefundenes voraus, nicht als seine Quelle,
sondern als Ausgangspunkt fuer eine Reihe von Thaetigkeiten, die ihm
vorangehen. Diesen Ausgangspunkt, also das Vorgefundene, bilden die
Empfindungen und die aus ihnen zusammengesetzten Sinnenbilder. Auch die
Willensdinge, die durch blosse Association der Sinnenbilder der Ausdehnung
und Bewegung mit den Willensimpulsen entstehen, ferner die ersten
Vorstellungen, die wir von einem uns Gegenueberstehenden gewinnen, gehoeren,
wie die Sinnenbilder selbst zu den Voraussetzungen des Erkenntnisvorganges
und koennen insofern dem Vorgefundenen zugerechnet werden.

Durch den Blick des Geistes, der eine besondere Art der Abstraktion
bildet, gewinnen wir den Begriff oder die wesentlichen Merkmale dieser
Willens- oder Sinnendinge. Natuerlich belehrt uns dieser Begriff in keiner
Weise darueber, was den Sinnendingen fuer die Gesamtheit des Wirklichen fuer
eine Bedeutung zukommt. Hier zeigt sich insbesondere, dass die vielen
Begriffe, auch wenn sie die wesentlichen Merkmale umfassen, also wirkliche
Begriffe sind, von dem eigentlich einzig und allein diesen Namen
verdienenden Begriff, der die Stellung des Einzelnen im System der
Wahrheit bestimmt, ganz und gar verschieden sind. Zur Gewinnung dieses
Begriffs bedarf es eines sozusagen alles zusammenschauenden Blicks; fuer
die Gewinnung jener Begriffe genuegt der in Gedanken trennende Blick. Diese
in Gedanken sich vollziehende Trennung ist der eigentliche Sinn der
Abstraktion, des lateinischen abstrahere, des griechischen aphaireisthai,
nicht das Absehen, viel eher das Hinsehen und Festhalten des einen, mit
Vernachlaessigung und Beiseitesetzung des andren im Denken. Es ist klar,
dass ein solches Trennen, gedankliches Isolieren ein neues gedankliches
Gebilde eben das auf diese Weise Getrennte und Isolierte und zugleich
Festgehaltene erzeugen, erschaffen muss. Die so erzeugten, geschaffenen
Gebilde sind Einzelgebilde des Denkens und als solche im Denken vorhanden,
nicht erst in Urteilen gegeben. Wenn man den Nachdruck auf das Absehen,
Fallenlassen, das leicht als Ausscheiden, Verneinen gefasst werden kann,
legt, so liegt der Gedanke nahe, diese wesentlichen Merkmale seien fuer uns
nur in negativen Urteilen vorhanden. Aber das widerspricht einerseits der
Selbstbeobachtung, der Reflexion auf das, was wir thun, wenn wir diese
Gebilde festhalten: es ist ein einfaches Hinsehen, Hinblicken, dessen
thatsaechlicher Nebenerfolg das Absehen freilich bildet, aber ohne als
besonderer Vorgang hervorzutreten. Anderseits setzen diese negativen
Urteile bereits die Isolierung der wesentlichen und unwesentlichen
Merkmale also eben diese isolierten Gebilde voraus. Durch diese Isolierung
gewinnen wir die wesentlichen Merkmale, die zu dem Sinnen- oder
Willensding gehoeren: Ausdehnung, Bewegung, Nebeneinander, Nacheinander,
Substanz, Kausalitaet. Was die Bedeutung dieser Worte ist, koennen wir
freilich nur in Urteilen angeben; aber daraus folgt nicht, dass wir den
Gedankengehalt dieser Worte auch nur durch Urteile gewinnen. Die Urteile,
in denen wir die Bedeutung dieser Worte darlegen, setzen vielmehr die
entsprechenden Einzelgebilde des Denkens voraus, in denen das in den
Urteilen Verbundene isoliert wird. Diese gedanklichen Einzelgebilde
schafft, erzeugt der Blick des Geistes, aber er entdeckt und findet sie
zugleich. Das, was er findet und entdeckt, ist jedenfalls von dem
Vorgefundenen verschieden, es ist eine Zuthat zu dem Vorgefundenen, die
freilich nicht willkuerlich sondern ihm angemessen ist. Mit dieser Zuthat
ist das in der Empfindung Gegebene, das Vorgefundene jedenfalls
ueberschritten. Sie ist das, was wesentlich ist, das, was zusammengehoerig
ist, wesentlich dem Dinge, zusammengehoerig mit dem Ding, in dessen Besitz
wir zunaechst durch den genannten Blick unseres Geistes gesetzt werden.

Die zweite ueber das Vorgefundene hinausgehende Stufe, die aber auch noch
nicht als eigentliche Erkenntnis betrachtet werden kann, besteht darin,
dass sich unsrem Bewusstsein die Wesentlichkeit des Wesentlichen, die
Zusammengehoerigkeit des Zusammengehoerigen aufdraengt, dass der Gedanke
daran sich als unabweislich darstellt. Das Sichaufdraengen der
Zusammengehoerigkeit und Sichalsunabweislichdarstellen darf nicht falsch
verstanden werden. Es ist ein _Einleuchten_ und hat darum mit aeusserem
Zwange, der uns die Empfindungen aufdraengt, oder mit innerer Noetigung, die
wir erfahren, wenn uns ein Gedanke verfolgt, nichts zu thun. Es wendet
sich einfach an die Vernunft des Menschen.

Nun folgt als dritte Stufe die eigentliche Erkenntnis, die in der
_Einsicht_ der Zusammengehoerigkeit oder der Wesentlichkeit besteht.
Selbstverstaendlich ist der sich unabweislich aufdraengende Gedanke oder das
Einleuchten etwas von der Einsicht Verschiedenes. Nur in der Einsicht kann
die Erkenntnis bestehen. An die Einsicht schliesst sich als vierte Stufe
das Urteil an, das sich ganz auf die Einsicht stuetzt und nur als
gedanklicher Ausdruck der Einsicht aufgefasst werden kann. Als fuenfte
Stufe folgt das Bewusstsein von der Objektivitaet des Urteils oder das
Bewusstsein der Wahrheit des Urteils, das seinen Grund in der zweiten
Stufe, dem Einleuchten der Zusammengehoerigkeit hat. Es folgt als sechste
Stufe die Gewissheit, der Gegensatz des Zweifels, der allen Zweifel
ausschliesst und dem Bewusstsein die Festigkeit verleiht, wie der Zweifel
dasselbe ins Schwanken bringt. Es ist nach dem Zeugnis der Reflexion ganz
offenbar, dass die Einsicht, der eigentliche Erkenntnisakt, von ihrem
gedanklichen Ausdruck im Urteil verschieden ist. Weniger deutlich giebt
sich kund, dass von der Einsicht auch der Zustand der Gewissheit und das
Bewusstsein der Wahrheit verschieden ist; aber beide setzen die Erkenntnis
als vollendet voraus und duerfen darum nicht mit der Einsicht verselbigt
werden.

Das Urteil entspricht dem Finden der wesentlichen Merkmale durch den Blick
des Geistes. Wie durch das letztere ein Einzelgebilde des Denkens erzeugt
wird, so durch das erstere eben jene Urteil genannte Verbindung, sei es
eines Sinnenbildes, sei es eines Einzelgebildes des Denkens mit einem
andren Einzelgebilde, eben dem wesentlichen Merkmal. Wie das Einzelgebilde
des Denkens im Worte seinen Ausdruck findet, so die Urteil genannte
Verbindung im Aussagesatze. Aber sowohl das Einzelgebilde wie diese
Verbindung sind gedanklicher Natur und muessen darum sorgfaeltig von dem
sprachlichen Ausdrucke unterschieden werden. Der Auffindung des
wesentlichen Merkmales folgt das Einleuchten und die Einsicht, dem Urteil
das Bewusstsein der Wahrheit und die Gewissheit. Auch diese Glieder
entsprechen sich: das Einleuchten dem Bewusstsein der Wahrheit und die
Einsicht der Gewissheit. Es sind Zustaende, nicht Schoepfungen des
Bewusstseins, von denen Einleuchten und Bewusstsein der Wahrheit einen
objektiven, Einsicht und Gewissheit einen subjektiven Charakter haben. Das
Kennzeichen der Wahrheit besteht fuer uns in dem Einleuchten, der zweiten
ueber das Vorgefundene hinausgehenden Stufe des Erkenntnisvorgangs. Es
liegt nahe -- und das geschieht oft genug -- die Einsicht fuer das
Kennzeichen der Wahrheit zu halten; wird doch das griechische enargein und
das lateinische evidentia oft genug mit Einsicht wiedergegeben oder die
Einsicht naeher als das Einleuchten der Wahrheit erklaert. Natuerlich kann
unter dieser Voraussetzung nicht von einem criterium secundum quod ausser
fuer die nachtraegliche Reflexion, sondern nur von einem criterium quo
cognoscitur die Rede sein. Wir verstehen unter dem Kriterium oder
Kennzeichen der Wahrheit nicht diesen subjektiven Zustand der Einsicht
sondern das Einleuchten, Sichaufdraengen der Zusammengehoerigkeit, die
Unabweislichkeit des Gedankens derselben, die natuerlich etwas Objektives
ist und darum auch die Objektivitaet des Urteils oder das Bewusstsein
seiner Wahrheit begruenden kann.


  Dreizehnte Untersuchung.


Die Gesetze des Erkennens.

Die Wahrheit, das Ziel des Erkennens ist nicht eine zusammenhanglose Summe
von Teilen sondern ein Ganzes, in dem jeder Teil den andern bedingt und
traegt, kein Chaos sondern ein System, und dieses System ist der Wahrheit
so wesentlich, dass eine einzelne Wahrheit nur Wahrheit ist durch ihren
Zusammenhang mit dem Ganzen. Man kann darum streng genommen nicht von
einer einzelnen Wahrheit sprechen sondern nur von einem Reiche der
Wahrheit. Die verschiedenen zusammengehoerigen Wahrheiten als
zusammengehoerige, also ihre Zusammengehoerigkeit zum Bewusstsein bringen,
so den Zusammenhang aller Wahrheit herstellen, oder besser gesagt die Eine
Wahrheit finden, das ist das Ziel des Erkennens. Die Ableitung und
Erschliessung der einen Wahrheit aus der andren ist nur die Kehrseite
dieses Zieles, seine bloss formale Folgeerscheinung, und von viel
geringerer Bedeutung.

Das ist freilich ein hohes, ein allzuhohes Ziel. Der Zusammenhang aller
Wahrheit, oder, was dasselbe ist, das Wesen der Dinge zu erkennen, den
Einen Gedanken zu finden, der ueber alles Licht verbreitet, ist uns bis
jetzt versagt. Wir muessen uns mit einzelnen Strahlen dieses Lichtes
begnuegen. Wir kommen nur wenig ueber die wesentlichen Merkmale der Dinge
hinaus, und wenn wir darunter diejenigen verstehen, von deren
Zugehoerigkeit zu den Dingen wir eine Einsicht haben, reichen wir in vielen
Faellen nicht einmal an diese heran. So tritt fuer unser Denken an die
Stelle des Gesetzes der Zusammengehoerigkeit, das uns die Aufgabe stellt,
alle Wahrheiten in ihrer Zusammengehoerigkeit und somit als die Eine
Wahrheit zu erfassen, das Gesetz der Uebereinstimmung, nach dem sich die
Wahrheit und Falschheit unsrer einzelnen Urteile bestimmt. Wir
unterscheiden vier, beziehungsweise acht Formen dieses Gesetzes, deren
Wahrheit uns unmittelbar einleuchtet. Erstens, das Zugehoerige muss
zugesprochen werden. Zweitens, das Zugehoerige darf nicht abgesprochen
werden. Drittens, das Nichtzugehoerige muss abgesprochen werden. Viertens,
das Nichtzugehoerige darf nicht zugesprochen werden. Zu dem Zugehoerigen
gehoert auch das Enthaltene. Was in einem Subjekt enthalten ist, gehoert zu
ihm, aber nicht das Gegenteil gilt: was in einem Subjekt nicht enthalten
ist, kann ganz wohl ihm zugehoeren. Daraus ergeben sich die vier weiteren
nicht die Zugehoerigkeit sondern das Enthaltensein betreffenden Formen.
Fuenftens, das Enthaltene muss zugesprochen werden. Sechstens, das
Enthaltene darf nicht abgesprochen werden. Siebentens, das Nichtenthaltene
darf nicht als enthalten zugesprochen werden. Achtens, das Nichtenthaltene
muss als enthalten geleugnet werden. Der Zusatz als enthalten in sieben
und acht ist notwendig, weil auch das Nichtenthaltene zugehoerig sein kann.
Was immer zugesprochen oder abgesprochen wird, wird als zugehoerig
zugesprochen oder abgesprochen; deshalb bedarf es des Zusatzes als
zugehoerig in drei und vier nicht, er ist ohne weiteres in diesen Formen
eingeschlossen. Setzen wir voraus, dass das negative mit dem unendlichen
Urteil: der Mensch ist nicht sterblich -- ist unsterblich; der Kreis ist
nicht rund -- ist nichtrund, dieselbe Bedeutung hat, so ergiebt sich, dass
die Formen zwei und drei und die Formen sechs und sieben dasselbe
ausdruecken. Man kann sie im Gegensatz zu dem Gesetze der Uebereinstimmung
als Formen des Gesetzes des Widerspruches bezeichnen, das eigentlich nur
die negative Seite des Gesetzes der Uebereinstimmung bildet. Es ist ein
Widerspruch nicht bloss das Nichtenthaltene als enthalten zu behaupten,
wie es die siebente Form, sondern auch das Nichtzugehoerige als zugehoerig
zu behaupten, wie es die dritte Form verbietet.

Nicht bloss, was in einem Subjekt enthalten ist, kommt ihm zu, sondern
auch das nicht in ihm Enthaltene, sofern es zu ihm gehoert. Wuerde nur das
erstere ihm zukommen, so gaebe es keinen Fortschritt im Erkennen. Aber
giebt es etwas nicht in einem Subjekt Enthaltenes, das trotzdem zu ihm
gehoert? Ohne Zweifel, wenigstens fuer alle diejenigen, welche Sinnenbild
und Vorstellung von dem Begriff, der die wesentlichen Merkmale umfasst,
unterscheiden und von diesen wesentlichen Merkmalen behaupten, dass sie
nicht in den Sinnenbildern oder Vorstellungen enthalten sind. Fassen wir
unter dieser Voraussetzung das Subjekt unter der Vorstellung auf und legen
ihm ein wesentliches Merkmal bei, oder fassen wir es unter einem
wesentlichen Merkmal auf und legen ihm ein anderes wesentliches Merkmal
bei, so schreiben wir offenbar dem Subjekt etwas zu, das nicht in ihm
enthalten ist. Natuerlich kommt dem Subjekt auch das zu, was in ihm
enthalten ist, und so ergiebt sich als besonderer Fall des Gesetzes der
Uebereinstimmung das Gesetz des Enthaltenseins, das die Formen fuenf bis
acht umfasst.

Es giebt sehr vieles, was in einem Subjekt nicht enthalten ist und ihm
doch nicht abgesprochen werden darf, vielmehr zugesprochen werden muss.
Freilich liegt es sehr nahe, alle Urteile fuer analytische oder
Erlaeuterungsurteile, d. h. auf dem Verhaeltnis des Enthaltenseins beruhende
Urteile zu halten, wenn man bloss auf den gedanklichen Ausdruck der
Urteile achtet. Allein diesem gedanklichen Ausdruck, der immerhin als
blosse Analyse betrachtet werden mag, liegt eine Synthese zugrunde. Wir
denken, ehe wir urteilen, das Subjekt unter dem Gesichtspunkt des
Praedikats. Die Zusammengehoerigkeit beider draengt sich uns auf, wir sehen
sie ein, und nun machen wir sie im Urteil geltend. Das alles sind wahre
Synthesen, sie kehren bei allen Urteilen, die fuer den Fortschritt unsres
Erkennens von Bedeutung sind, wieder. Fasst man das so unter dem
Gesichtspunkte des Praedikats gedachte Subjekt als eine Einheit auf, so ist
das Urteil natuerlich, wie es sich uns in seinem gedanklichen Ausdruck
darstellt, ein bloss analytischer Vorgang. Waere es _bloss_ dies, dann gaebe
es keinen Fortschritt in unsrem Erkennen, da alles Erkennen sich in
Urteilen vollzieht, oder darin wenigstens seinen gedanklichen Ausdruck
findet. Der Begriff des Enthaltenseins und des analytischen Verfahrens
thut unsrem Erkennen nicht genuege; wir muessen ihn ersetzen durch den der
Zusammengehoerigkeit und der Synthese.

Vom Enthaltensein kann nur bei einander ueber- oder untergeordneten
Begriffen die Rede sein; der uebergeordnete Begriff ist in dem
untergeordneten enthalten. Dieses Verhaeltnis gilt also nur fuer die
sogenannten logischen Teile, fuer die Gattungs- und Artmerkmale, nicht fuer
die metaphysischen Teile. Geschwindigkeit und Richtung sind nicht in der
Bewegung enthalten, Staerke und Hoehe nicht im Tone, sie sind Eigenschaften,
notwendige Eigenschaften von Bewegung und Ton, ohne die beide nicht sein
koennen, aber nicht Merkmale, die ihnen uebergeordnet werden koennten; oder
genauer, die eine Gattung bilden, der Bewegung und Ton untergeordnet sind.
Das Verhaeltnis des Enthaltenseins ist das Verhaeltnis des Allgemeinen zum
Besondren. Es ist nicht das einzige, nicht einmal das wichtigste
Verhaeltnis fuer unser Erkennen. Die Inhaltsmerkmale oder Constitutive eines
Begriffs sind in ihm wirklich enthalten; sie sind ausser dem letzten
unterscheidenden Merkmale auch Merkmale des hoeheren, uebergeordneten Art-
oder Gattungsbegriffes, und verhalten sich darum zu dem Begriff in der
That wie das Allgemeine zum Besondren. Der Gedanke liegt freilich nahe,
dass dieses Verhaeltnis, wenn nicht das einzige, so doch das
hauptsaechlichste fuer unser Erkennen bildet. Gilt doch allgemein bei den
Aristotelikern das Praedikat des Urteils als der allgemeinere Begriff und
wird hiernach das Verhaeltnis von Subjekt und Praedikat als ein
Subsumtionsverhaeltnis bestimmt. Statt der Baum blueht, sollen wir hiernach
sagen, der Baum ist bluehend, oder besser noch, ein bluehendes Etwas; statt
der Mensch ist sterblich, der Mensch ist ein sterbliches Wesen. Auf diese
Weise wird freilich das Urteil in das Subsumtionsverhaeltnis eingespannt.
Aber die Eigentuemlichkeit der von diesem Verhaeltnis verschiedenen
Verhaeltnisse von Ding und Vorgang, Ding und Eigenschaft werden dabei
unterdrueckt und beseitigt. Man muss die vier Kategorien von Begriffen
unterscheiden: Ding, Eigenschaft, Vorgang, Beziehung. In jeder dieser
Kategorien giebt es ueber- und untergeordnete Begriffe, aber man kann die
Begriffe der einen Kategorie nicht denen der andren ueber- oder
unterordnen. Der Vorgang hat das Eigentuemliche eines zeitlichen Anfangs,
Verlaufs und Endes, das einer Reihe von Veraenderungen eines Veraenderlichen
gleichkommt. Die Eigenschaft hat das Eigentuemliche eines Unselbstaendigen
gegenueber einem Selbstaendigen, das an dessen Sein teilnimmt und ohne
dasselbe nicht vorhanden sein kann. Die Beziehung hat das Eigentuemliche,
dass sie zwischen zwei Gliedern besteht und ohne diese Glieder nicht
vorhanden sein kann. Ueberall handelt es sich hier um Verhaeltnisse, die vom
Verhaeltnis des Allgemeinen zum Besondren oder vom Verhaeltnis des
Enthaltenseins verschieden sind und fuer unser Erkennen eine viel
wichtigere Rolle spielen. Die Eigenschaft ist das Endglied des
Substanzverhaeltnisses, der Vorgang das Mittelglied des
Ursachverhaeltnisses, die Beziehung das, was die Zusammenfassung der
einzelnen Wahrheiten zu dem System oder Reiche der Einen Wahrheit
ermoeglicht.

Die einzige Moeglichkeit, alles auf das Verhaeltnis des Enthaltenseins
zurueckzufuehren, besteht darin, dass man auch die sogenannten negativen
Merkmale als in den Dingen enthalten oder als Inhaltsmerkmale derselben
betrachtet. Dann ist in jedem Gegenstande alles Aussagbare enthalten.
Allein negative Merkmale setzen negative Urteile voraus und haben nur in
ihnen Halt und Bestand. Durch diese negativen Urteile werden sie aber
gerade von den betreffenden Gegenstaenden ausgeschlossen. Man muesste also
das Ausgeschlossene als eingeschlossen, d. h. das, was nicht zum Inhalt
gehoert, als zum Inhalt gehoerend, oder das, was nicht Bestandteil des
Inhalts ist, als Bestandteil des Inhalts betrachten, wollte man die
negativen Merkmale fuer Inhaltsmerkmale erklaeren. Heutzutage, wo wir so
stark sind in dem Voraussehen der Konsequenzen im praktischen Leben sowohl
wie in der Wissenschaft, dass wir darueber die Prinzipien kaum noch
beachten oder ununtersucht auf sich beruhen lassen, ist es nicht zu
verwundern, dass alles zur Analyse draengt und von Synthese nichts wissen
will. Aber der Natur und dem Wesen des Erkennens geschieht damit nicht
genuege. Das ist es, was wir betonen moechten.

Das Gesetz der Uebereinstimmung, des Enthaltenseins und des Widerspruchs
sind Gesetze fuer die Einzelurteile, aber auch die einzigen Gesetze, nach
denen die Wahrheit und Falschheit der Einzelurteile bestimmt werden kann.
Sie sind in allen ihren Formen, jede fuer sich genommen, unmittelbar
einleuchtend. Das gewoehnlich aufgestellte Gesetz des ausgeschlossenen
Dritten ist nicht Gesetz fuer ein Einzelurteil sondern nur fuer das
Verhaeltnis zweier Urteile zu einander. Es lautet: Wenn von zwei Urteilen
eins dasselbe bejaht, was das andere verneint, -- so ist notwendig eins
von beiden wahr, sie koennen nicht beide falsch sein, die Wahrheit ist
nicht ein Drittes, von Bejahung und Verneinung nicht Betroffenes; -- sie
koennen nicht beide wahr sein, eins von beiden ist falsch, auch die
Falschheit ist nicht ein Drittes, weder in der Bejahung noch in der
Verneinung Ausgedruecktes. Nach diesem Gesetze folgt aus der Wahrheit von
eins die Falschheit des Gegenteils von zwei, aus der Falschheit des
Gegenteils von zwei die Wahrheit von zwei; und dasselbe gilt von drei und
vier, von fuenf und sechs, von sieben und acht. Eigentlich heisst das
Gesetz nur: zwischen Bejahen und Verneinen giebt es kein Mittleres;
Bejahen und Verneinen sind ausschliessende Gegensaetze. Dass sie es sind,
kommt uns bei einem Vergleiche von eins und zwei, drei und vier, fuenf und
sechs, sieben und acht zum Bewusstsein. Aber auch nur hier, wo es sich um
das Einzelwirkliche handelt.


  Vierzehnte Untersuchung


Gesetze des Erkennens. (Fortsetzung.)

Giebt es keine weiteren Gesetze des Erkennens? Die genannten Gesetze sind
eigentlich nur Gesetze fuer das Einzelwirkliche; sie geben Bestimmungen
ueber das, was zu ihnen gehoert oder nicht zu ihnen gehoert. Sofern dieses
Einzelwirkliche das Subjekt der Urteile bildet, sind sie Gesetze der
Urteile. Aber das Einzelwirkliche ist Glied der Gesamtwirklichkeit, und
diese seine Stellung zur Gesamtwirklichkeit macht sein eigentliches Wesen
aus. Es muss auch Gesetze fuer den Zusammenhang alles Wirklichen geben, den
wir auf dem Wege des Schlusses erkennen. Diese Gesetze sind darum Gesetze
des Schlusses. Es sind drei Gesetze: das Gesetz der Einheit, das Gesetz
der Kausalitaet und das Gesetz des Grundes. Es ist eine alte Rede vom
Einheitsstreben unserer Vernunft. Aber Einheit ist nicht Einerleiheit,
nicht Dieselbheit, sogern das auch der Analytiker annaehme. Die rein
aeusserlichen Orts- und Zeitbestimmungen, deren wir zur Unterscheidung des
Einzelwirklichen von einander beduerfen, setzen feste Punkte in Raum und
Zeit voraus, die dann aber sofort sich in lauter Beziehungen aufloesen.
Beziehungen ohne Beziehungsglieder sind undenkbar. Also muss ein ueber
allen Zeit- und Raumbestimmungen stehendes Sein angenommen werden, das
diesen Beziehungen Halt und Bestand giebt. Unser Bewusstsein, das
ebenfalls dem Fluss der Zeit angehoert, kann dieses Sein nicht ausmachen.
Man kann sich auch nicht darauf berufen, dass Raum und Zeit etwa nur
Formen unserer Anschauung sind. Das mag sein, eine Bedeutung fuer die Welt
der Wirklichkeit kommt ihnen unzweifelhaft zu, moegen wir dieselbe kennen
oder nicht. Zu dem gleichen Ergebnis fuehrte schon den Aristoteles die
Bewegung, die er als eine anfangslose betrachtete. Nehmen wir eine
rueckwaerts sich erstreckende unendliche Zahl von Bewegungsgliedern an, von
denen das nachfolgende Glied immer von dem vorausgehenden abhaengt, so
haben wir lauter abhaengige Glieder; die unendliche Reihe ist so lange ohne
Halt und Bestand, als wir nicht ein ueber ihr stehendes Unbewegtes, den
unbewegten Beweger des Aristoteles annehmen, in dem die Bewegung ihren
Grund hat, ohne dass er an ihr teilnimmt. Wir betonten frueher, dass es
keine Einzelwahrheit giebt und demnach auch strenggenommen keine einzelnen
Wesen, da alles mit einander im Zusammenhang steht, und das Eine in dem
Andern seine Stuetze und seine Begruendung findet. Das Reich der Wahrheit
ist ein Ganzes, keine Summe von Teilen, kein wirres Durcheinander, sondern
eine nach Gruenden geordnete oder besser durch einen
Begruendungszusammenhang gegliederte Einheit. Jede Wahrheit hat ihren
objektiven Grund, auch die unmittelbar einleuchtenden Thatsachen und
Prinzipien, fuer die wir einen Beweis nicht fuehren koennen und die in sofern
_subjektiv_ fuer uns _grundlos_ sind. Man koennte sich das Reich der
Wahrheit nun als ein System von Gliedern denken, die sich gegenseitig
stuetzen und tragen. Allein die Beziehung zur Erkenntnis ist der Wahrheit
wesentlich. Die Wahrheiten sind keine Dinge an sich, die wir so erkennen,
wie sie unerkannter Weise sind. Ihr Einheitspunkt ist darum das ihnen
allen gemeinsame goettliche Erkennen oder Denken, an dem unser Erkennen
teilnimmt. In ihm haben sie ihren letzten _objektiven Grund_, ganz
verschieden von dem subjektiven Grund unserer Einsicht. In diesen
Gedankengaengen von den Zeit- und Ortsbestimmungen zu dem ueber Zeit und Ort
Erhabenen, von der Bewegung zu dem unbewegten Beweger, von dem System der
Wahrheiten zu dem Erkennenden und Denkenden, in dem es seinen Grund hat,
macht sich das Einheitsgesetz unseres Denkens geltend. Es lautet: Das
System der Wahrheit setzt einen Erkennenden voraus, in dem es seine
Einheit hat.

Als weiteres Gesetz unseres Erkennens bezeichnen wir das Gesetz der
Kausalitaet: Was anfaengt zu existieren, setzt ein Anderes voraus, das bei
seinem Anfange schon vorhanden ist und diesen Anfang ermoeglicht -- Gesetz
der Ermoeglichung. Das Gesetz der Kausalitaet verhaelt sich aehnlich zum
Einheitsgesetz wie das des Widerspruchs zum Gesetz der Uebereinstimmung.
Wie das Gesetz des Widerspruchs zum Gesetze der Uebereinstimmung
hinueberleitet, so das Gesetz der Kausalitaet zum Einheitsgesetz. Meistens
muessen wir uns mit der Wegraeumung des Unwesentlichen begnuegen, und dazu
verhilft uns das Gesetz des Widerspruchs immer, auch wenn wir nicht im
stande sind, das Wesentliche oder eigentliche Wesen der Dinge zu erkennen.
Meistens muessen wir uns auch zufrieden geben mit der Herstellung des
Kausalzusammenhangs der Dinge mittels des Kausalitaetsgesetzes. Und diese
Herstellung gelingt uns fast immer, wenn wir auch die Stellung der Dinge
in der Gesamtheit des Wirklichen nach dem Einheitsgesetz nicht zu erkennen
vermoegen. Falsch ist die Formel des Gesetzes: Was anfaengt zu existieren,
setzt ein Anderes voraus, aus dem es notwendig hervorgeht. Diese Formel
schiebt das Gesetz der Kausalitaet in das Gesetz des Grundes hinein, die
Wirkung wird dadurch zur blossen logischen Folge herabgesetzt. Was immer
unter dem causari verstanden werden mag, es ist verschieden von sequi. Das
Gesetz der Kausalitaet in der von uns gegebenen Form ist unmittelbar
evident. Es leuchtet uns unabweislich ein, dass kein Ding sich den Anfang
seines Seins selbst geben kann, sondern eines Andern bedarf, das diesen
Anfang ermoeglicht, obgleich die erstere Annahme keineswegs einen
Widerspruch einschliesst. Sicher waere es widersprechend, wenn man annehmen
wollte, ein Ding koenne freilich nicht selbst seinen Anfang ermoeglichen,
und doch leugnete, dass dazu etwas von ihm Verschiedenes schon bei seinem
Anfange Vorhandenes notwendig sei. Aber bedarf es einer Ermoeglichung des
Anfangs? Darueber sagt uns das Gesetz des Widerspruchs nichts. Das Gesetz
der Kausalitaet bejaht die Frage, und diese Bejahung drueckt seinen
eigentlichen Sinn aus. Natuerlich ist das Gesetz der Kausalitaet auch ganz
etwas andres, als das von der Gleichfoermigkeit des Naturlaufs, das auf
induktivem Wege gewonnen wird, und als das viel weniger gesicherte
Seitenstueck desselben, dass alle Denkenden unter gleichen Umstaenden
gleiche Urteile faellen. Das Gesetz von der Gleichfoermigkeit des Naturlaufs
ist nur eine Zusammenfassung unserer Erfahrungen von der Qualitaet der
Ursachen oder Ermoeglichungsgruende, worueber uns natuerlich nur die Erfahrung
und nicht das ganz allgemeine Gesetz der Kausalitaet oder Ermoeglichung
belehren kann. Von Evidenz kann bei dem Gesetze der Gleichfoermigkeit keine
Rede sein.

Als letztes Gesetz erwaehnen wir das Gesetz des Grundes. Es lautet: Bei
Bejahung des Grundes muss auch die Folge bejaht werden, und bei Verneinung
der Folge muss auch der Grund verneint werden. Da eine Folge verschiedene
Gruende haben kann, so gilt wenigstens nicht allgemein die Umkehrung des
ersten Teiles des Gesetzes: Bei Bejahung der Folge muss auch der Grund
bejaht werden. Da die Folge im Grunde enthalten ist, so gilt natuerlich
immer: Wenn die Folge, das Enthaltene, nicht vorhanden ist, so ist auch
der Grund, das die Folge notwendig Enthaltende, nicht vorhanden. Es
handelt sich hier offenbar lediglich um das Verhaeltnis des Enthaltenseins.
Das Gesetz des Grundes ist nichts andres, als das Gesetz des
Enthaltenseins in seiner Anwendung auf zwei oder mehrere Urteile, die sich
wie Grund und Folge verhalten. Natuerlich kann das Gesetz des Grundes
ebensowenig wie das des Enthaltenseins zu einer Erweiterung unserer
Erkenntnisse dienen und hat deshalb, wie dieses letztere, einen bloss
formalen Charakter.

Wenn wir das in einem Subjekt Enthaltene von ihm leugnen, das in einem
bejahten Urteil enthaltene andere Urteil leugnen, oder auch trotz der
Verneinung des enthaltenen Urteils das enthaltende bejahen, so verstossen
wir nicht bloss gegen das Gesetz des Enthaltenseins und gegen das Gesetz
des Grundes sondern auch gegen das Gesetz des Widerspruchs: wir
widersprechen uns selbst. Insofern kann man die Form, welche wir, die
Verneinung zu Huelfe nehmend, dem Gesetze des Grundes geben koennen: Bei
Bejahung des Grundes darf nicht die Folge verneint und bei Verneinung der
Folge nicht der Grund bejaht werden, als dritte Form des Gesetzes des
Widerspruchs bezeichnen. Das, was wir als erste Form des Gesetzes des
Widerspruchs bezeichnen koennen: Das Nichtzugehoerige nicht zusprechen oder
als zugehoerig bejahen, ist natuerlich von etwas anderer Art als die dem
Verhaeltnis des Enthaltenseins entsprechende zweite und dritte Form des
Gesetzes. Wer gegen diese zweite und dritte Form verstoesst, widerspricht
sich selbst, wer hingegen gegen die erste Form verstoesst, legt bloss einem
Subjekt ein nicht zu ihm gehoerendes Praedikat bei, das im Subjekt nicht
enthalten ist, ihm also auch nicht widerspricht. Aber er legt doch ein
nicht zugehoerendes Praedikat als zugehoerend bei und begeht in sofern einen
Widerspruch.

Das Gesetz der Uebereinstimmung, das Einheitsgesetz und das Gesetz der
Kausalitaet sind Realgesetze, die den Fortschritt unsres Denkens
ermoeglichen und begruenden, muessen darum als Gesetze des Erkennens im
strengen Sinne bezeichnet werden; das Gesetz des Enthaltenseins und das
Gesetz des Grundes sind Formalgesetze, nach denen der Inhalt der
gewonnenen Erkenntnis zergliedert wird, also eigentlich Denkgesetze. Indes
auch durch Verneinung des Nichtzugehoerigen und ebenso auch durch
Verneinung des Nichtenthaltenen findet entschieden ein Fortschritt des
Erkennens statt. Insofern kann auch das Gesetz des Widerspruchs eine reale
Bedeutung haben.


  Fuenfzehnte Untersuchung.


Erkenntnis und blinde Ueberzeugung.

Wir unterschieden den Blick, der die zusammengehoerigen Merkmale entdeckt;
das Sichaufdraengen oder Einleuchten der Zusammengehoerigkeit; das Sehen,
Wahrnehmen dieser Zusammengehoerigkeit oder die Einsicht in dieselbe, worin
der eigentliche Erkenntnisakt besteht; den gedanklichen Ausdruck der
Zusammengehoerigkeit im Urteil; das Bewusstsein der Objektivitaet oder
Wahrheit des Urteils, das dem Einleuchten oder Sichaufdraengen der
Zusammengehoerigkeit entspricht; endlich die Ueberzeugung von der Wahrheit
oder Gueltigkeit des Urteils, die zur Gewissheit wird, wenn sie jeden
Zweifel ausschliesst. Die thoerichte Frage, ob das Ding so ist, wie wir es
mit den leiblichen Augen sehen, stellen wir nicht, auch nicht die, ob ein
solches Ding existiert, sondern die andere, was das Ding seinem Wesen,
seiner Wahrheit nach ist. Das haengt natuerlich von seiner Stellung in der
Gesamtheit des Wirklichen ab und kann nur mit dem Auge des Geistes gesehen
werden.

Das auf Einsicht beruhende Urteil und die auf Einsicht beruhende
Ueberzeugung haben natuerlich, wie die Einsicht selbst, in dem Einleuchten
der Zusammengehoerigkeit einen vernuenftigen sie vollkommen rechtfertigenden
Grund, der aber, wie wir sehen werden, keineswegs zwingend ist. Einsicht
darf nicht mit Denknotwendigkeit verwechselt werden. Allein Urteil und
Ueberzeugung koennen auch ohne vernuenftigen Grund eintreten. Wir sprechen
dann von blindem Urteil, blinder Ueberzeugung. Natuerlich hat auch das
blinde Urteil und die blinde Ueberzeugung einen Grund, nur keinen
zureichenden, wirklich rechtfertigenden Grund. Ihr Grund besteht in den
Gefuehlen des Gefallens und Missfallens, der Abneigung und Zuneigung, in
der durch die Meinung anderer, zu der auch die oeffentliche Meinung gehoert,
entstehenden Gewoehnung, in den von dort her ruehrenden Vorurteilen der
Familie, des Standes, der Nation, der Konfession, des Berufs, in der
Erziehung, in ererbten und erworbenen Gehirndispositionen, endlich im
Egoismus und Lebenstrieb, der sich im Wettbewerb und im Kampfe ums Dasein
kundgiebt. Aus allen diesen Gruenden entsteht zunaechst ein blindes
Urteilen, oder gedankliches Behaupten, das, wenn es oft genug wiederholt
wird, eine blinde Ueberzeugung zur Folge hat, die freilich auch unmittelbar
aus diesen Gruenden, insbesondere aus den Gefuehlen der Abneigung und
Zuneigung, des Gefallens und Missfallens, dann aus dem Egoismus und
Lebenstriebe hervorgehen kann. Diesem blinden Urteilen und Ueberzeugtsein
folgt dann das vermeintliche Sehen, Wahrnehmen der Zusammengehoerigkeit,
die vermeintliche Einsicht in dieselbe, die natuerlich keine Erkenntnis
ist, weil sie des vernuenftigen Grundes, auf dem alle Erkenntnis beruht,
ermangelt. Die Erkenntnis ist wirkliche, nicht bloss vermeintliche
Einsicht in die Zusammengehoerigkeit und beruht auf dem Einleuchten dieser
Zusammengehoerigkeit. Diese wirkliche Einsicht geht immer dem Urteil, der
gedanklich behaupteten Zusammengehoerigkeit, voran und unterscheidet sich
dadurch wesentlich von der vermeintlichen Einsicht. Wie solche blinden
Urteile und Ueberzeugungen des vernuenftigen, sie rechtfertigenden Grundes
ermangeln, der nur in dem Einleuchten der Wahrheit bestehen kann, so
ermangeln sie damit auch des Kennzeichens der Wahrheit, das eben in diesem
Einleuchten besteht. Wenn sie wahr sind, so sind sie doch nur zufaelliger
Weise wahr; eine Buergschaft fuer ihre Wahrheit bieten sie in keiner Weise.

Mit der in der Einsicht bestehenden Erkenntnis ist immer eine Gewissheit
verbunden, sie ist von derselben unabtrennbar. Unter Gewissheit aber
verstehen wir eine Ueberzeugung, die jeden Zweifel ausschliesst. So lange
wir zweifeln, hin- und herschwanken, oder auch die Gruende fuer oder gegen
eine Sache abwaegen, erkennen wir nicht. Wenn wir aber sagen: das ist
zweifelhaft, entweder weil gar keine Gruende dafuer sprechen, oder weil die
Gruende, die dafuer sprechen, nicht durchschlagend sind; wenn wir ferner
sagen: das ist wahrscheinlich oder das ist unwahrscheinlich, weil mehr
oder weniger Gruende fuer eine Sache sprechen als fuer ihr Gegenteil, so ist
das eine Erkenntnis; wir sagen so, weil wir es einsehen. Eine
wahrscheinliche oder zweifelhafte Einsicht giebt es nicht, sondern nur
eine Einsicht, dass etwas wahrscheinlich oder zweifelhaft ist. Die
Einsicht ist eben immer mit der Gewissheit verbunden und von ihr
unabtrennbar, aber auch die blinde Ueberzeugung kann jeden Zweifel
ausschliessen und so zur Gewissheit werden. Von dieser Art ist
unzweifelhaft die Ueberzeugung des Fanatikers oder desjenigen, der
blindlings einem Andern in rueckhaltloser, unbedingter Weise vertraut. Ihre
Ueberzeugung schliesst sicher jeden Zweifel aus und muss darum als
Gewissheit bezeichnet werden. Freilich ist das eine blinde Gewissheit, die
von der auf Einsicht beruhenden und von ihr unabtrennbaren Gewissheit
verschieden ist. Offenbar hat die Gewissheit, insofern sie jeden Zweifel
ausschliesst, also nach ihrer negativen Seite, keine Grade; nach ihrer
positiven Seite hat sie allerdings, wenigstens als blinde Gewissheit,
ebenso wie die blinde Ueberzeugung, Grade. Die blinde Gewissheit kann nicht
als ein Maximum der blinden Ueberzeugung betrachtet werden, sondern ist
durch die Leidenschaftlichkeit des Blindglaubenden einer Steigerung bis
ins Unermessliche faehig. Anders scheint es mit der auf Einsicht beruhenden
Gewissheit zu sein. Die Einsicht hat natuerlich keine Grade, sie ist
entweder vorhanden oder nicht vorhanden. Ein Mehr oder Minder giebt es
hier nicht. Dasselbe scheint auch von der mit der Einsicht verbundenen
Gewissheit zu gelten. Sie ist nicht bloss nach ihrer negativen sondern
auch nach ihrer positiven Seite ohne Grade.


  Sechzehnte Untersuchung.


Zulaenglichkeit des Kennzeichens der Wahrheit.

Es ist keine Frage, dass es ein vermeintliches Einleuchten giebt, dass wir
oft glauben, die Zusammengehoerigkeit leuchte uns ein und doch hinterher
bekennen muessen, dass wir uns getaeuscht haben. Wir wechseln nicht bloss
unsere Ansichten sondern auch unsere Einsichten, verwerfen eine fruehere
Einsicht als bloss vermeintlich und setzen eine andere moeglicherweise
wieder vermeintliche an ihre Stelle. Alles auf Grund des, sei es
wirklichen, sei es vermeintlichen Einleuchtens. Wie kann da dieses
Einleuchten noch als massgebendes und entscheidendes Kennzeichen der
Wahrheit betrachtet werden? Wir haben schon gezeigt, dass die mit Einsicht
verbundene Gewissheit von andrer Art ist als die ohne Einsicht. Was von
der Gewissheit gilt, die ohne Einsicht eintritt, muss natuerlich auch von
der Gewissheit behauptet werden, die sich mit der vermeintlichen Einsicht
verbindet. Da sich nun immer mit der vermeintlichen Einsicht ebenso wie
mit der wirklichen eine Gewissheit verbindet, so koennen wir beide schon
durch die Art der mit ihnen verbundenen Gewissheit unterscheiden. Aber
auch abgesehen von diesem Unterschiede zwischen der vermeintlichen und
wirklichen Einsicht koennen wir uns der ersteren erwehren und ihr gegenueber
die letztere zur Geltung bringen. Der vermeintlichen und wirklichen
Einsicht entspricht das vermeintliche und wirkliche Einleuchten oder
Evidentsein eines Sachverhaltes. Es kann nun irgend etwas mittelbar oder
unmittelbar einleuchtend sein. Alle des Beweises beduerftigen Saetze sind,
wenn sie bewiesen sind, mittelbar einleuchtend; unmittelbar einleuchtend
ist nach unsrer Auffassung nicht bloss das Gesetz des Widerspruchs,
sondern auch das der Ermoeglichung oder Kausalitaet.

Nehmen wir nun an, dass ein Satz in mittelbarer Weise einleuchtend zu sein
scheint, so koennen wir, wenn sein Gegenteil mittelbar einleuchtend gemacht
werden kann, einen Beweis hierfuer erbringen und dadurch den Schein des
Einleuchtens beseitigen. Mag aber das Gegenteil des Satzes auch eines
Beweises nicht faehig sein, in jedem Falle sind wir im stande, den Beweis,
der fuer den in mittelbarer Weise scheinbar einleuchtenden Satz gefuehrt
wird, zu pruefen und, falls sich hierbei ein Fehler ergiebt, durch diese
Pruefung den Schein des Einleuchtens zu zerstoeren. Nehmen wir ferner an,
dass ein Satz in unmittelbarer Weise einleuchtend zu sein scheint, so
koennen wir fuer das Gegenteil einen Beweis zu fuehren suchen und dadurch den
Schein des Einleuchtens entfernen. Es bleibt noch ein Fall als moeglich
uebrig. Ein Satz koennte unmittelbar einleuchtend scheinen und sein
Gegenteil auch nur unmittelbar einleuchten, sodass wir also keinen Beweis
fuer dasselbe zu fuehren im Stande sind. Hier stehen nun freilich Ja und
Nein einander gegenueber, und eine Entscheidung ist unmoeglich. Aber dieser
vierte Fall ist in der Geschichte der Philosophie nicht vorgekommen.
Heraklit und Hegel haben das Gesetz des Widerspruchs geleugnet, aber ihr
Recht zu dieser Leugnung durch einen Beweis darzuthun gesucht. In neuester
Zeit hat man das Gesetz der Kausalitaet nicht eigentlich geleugnet aber
doch bezweifelt, dass es unmittelbar einleuchtend sei. Aber auch diesen
Zweifel sucht man zu begruenden, indem man dem Gesetze der Kausalitaet das
Gesetz von der Gleichfoermigkeit des Naturlaufs, das nur auf einer
Induktion beruht, substituiert -- eine Zusammenfassung unsrer Erfahrungen
ueber die Qualitaet der zu bestimmten Wirkungen gehoerenden Ursachen. Solche
Gedankengaenge, die das unmittelbare Einleuchten gewisser Saetze bestreiten,
kommen natuerlich im wirklichen Leben nicht vor. Man ist hier eher geneigt,
das unmittelbare Einleuchten gewisser dem sinnlichen Schein oder einer
unberechtigten Verallgemeinerung zu liebe aufgestellter Saetze zu
behaupten, wie z. B. das unmittelbare Einleuchten des Satzes, dass die
Sonne still steht. Hier ist es ein Leichtes, durch den Beweis des
Gegenteils den Schein des unmittelbaren Einleuchtens zu zerstoeren.

Es ergiebt sich, dass wir dem unleugbaren Vorkommen einer vermeintlichen
Einsicht und eines vermeintlichen Einleuchtens nicht ratlos
gegenueberstehen und uns hierdurch in der Annahme des Einleuchtens der
Zusammengehoerigkeit als eines zuverlaessigen und entscheidenden
Kennzeichens der Wahrheit nicht irre machen lassen duerfen. Wir koennen
nicht bloss die wirkliche Einsicht von der vermeintlichen an bestimmten
Merkmalen unterscheiden, wir koennen auch die entstehende vermeintliche
Einsicht ueberwinden, und zwar durch die wirkliche Einsicht.


  Siebzehnte Untersuchung.


Einsicht und Denknotwendigkeit.

Die Einsicht oder Erkenntnis beruht, wie wir sahen, auf einem
vernuenftigen, zureichenden, sie voellig rechtfertigenden Grunde. Es ist
aber zu beachten wichtig, dass dieser Grund nicht zwingend wirkt. Einsicht
hat nichts mit aeusserem Zwange oder innerer Noetigung gemein; sie kann
darum auch keineswegs mit Denknotwendigkeit verselbigt werden. Allerdings
kommt in unsren Schlussfolgerungen aus der Einsicht haeufig so etwas wie
Denknotwendigkeit zum Ausdruck. Wir sagen: es kann nicht anders sein, es
muss so sein. Wir sagen das nicht bloss, wenn es sich um begriffliche,
sondern auch, wenn es sich um bloss thatsaechliche Wahrheiten handelt. Wenn
wir sie einsehen, so erscheint uns das Gegenteil ausgeschlossen, also
unmoeglich. Woher kommt das? Offenbar lediglich von der mit der Einsicht
verbundenen Gewissheit. Wir sind gewiss, das heisst, aller Zweifel und
damit auch die Moeglichkeit, dass es anders sein koennte, die Moeglichkeit
des Gegenteils ist ausgeschlossen. So sagen wir denn eben wegen dieser
Gewissheit: so muss es sein. Soll das etwa heissen, dass zwischen den
zusammengehoerigen Gliedern, deren Zusammengehoerigkeit wir einsehen, ein
Notwendigkeitszusammenhang besteht? Sicherlich nicht. Denn sonst duerften
wir nicht in gleicher Weise reden, wenn es sich um bloss thatsaechliche
Wahrheiten handelt, bei denen offenbar die Annahme eines
Notwendigkeitszusammenhangs ausgeschlossen ist. Indes koennte immerhin die
Einsicht ueberall da mit der Denknotwendigkeit verselbigt werden muessen, wo
ein solcher Notwendigkeitszusammenhang des Zusammengehoerigen vorliegt. Das
bedarf einer naehern Untersuchung.

Es fragt sich, ob bei allen begrifflichen Saetzen eine solche
Denknotwendigkeit vorhanden ist, und weiterhin, ob dort, wo sie vorhanden,
die Denknotwendigkeit mit der Einsicht ein und dasselbe ist. In den
Gesetzen des Erkennens und Denkens kommt anscheinend ueberall eine
Denknotwendigkeit zum Ausdrucke. Gesetz der Uebereinstimmung: Das
Zugehoerige _muss_ zugesprochen, _darf nicht_ abgesprochen, das
Nichtzugehoerige _darf nicht_ zugesprochen, _muss_ abgesprochen werden. Das
Gesetz des Enthaltenseins: Das Enthaltene _muss_ zugesprochen, _darf
nicht_ abgesprochen, das Nichtenthaltene _darf nicht_ als enthalten
zugesprochen, _muss_ abgesprochen werden. Das Gesetz der Einheit: Das
System der Wahrheit setzt _notwendig_ einen Denkenden voraus. Das Gesetz
der Ermoeglichung: Was anfaengt, zu existieren, setzt _notwendig_ ein
Anderes voraus, das bei seinem Anfange schon vorhanden ist und diesen
ermoeglicht. Das Gesetz des Grundes: Aus der Wahrheit des Grundes ergiebt
sich _notwendig_ die Wahrheit der Folge, aus der Falschheit der Folge die
Falschheit des Grundes. Das "muss", "darf nicht", "notwendig" drueckt hier
zunaechst auch nichts anderes als die Gewissheit aus, die jeden Zweifel und
damit die Moeglichkeit des Andersseinkoennens ausschliesst. Aber es verhaelt
sich doch bei diesen Gesetzen mit der Notwendigkeit nicht gleichmaessig.
Ein Notwendigkeitsverhaeltnis zwischen dem Ding und dem von ihm Ausgesagten
liegt unzweifelhaft vor, wenn das Ausgesagte in dem Dinge enthalten ist.
Natuerlich ebenso, wenn es sich nicht um Dinge sondern um Urteile handelt,
wenn nach dem Gesetze des Grundes aus der Wahrheit des den Grund bildenden
Urteils die Wahrheit des die Folge ausdrueckenden Urteils und wenn aus der
Falschheit des die Folge ausdrueckenden Urteils die Falschheit des den
Grund bildenden Urteils erschlossen wird. In diesen beiden Faellen,
allgemeiner: in Urteilen, wo es sich um ein Enthaltensein handelt, mag man
von einer Denknotwendigkeit reden, aber man darf eben nur dies mit dem
Enthaltensein gegebene Notwendigkeitsverhaeltnis darunter verstehen. Wir
sind durch nichts aeusserlich gezwungen oder innerlich genoetigt, das in
einem Dinge Enthaltene von ihm auszusagen oder aus einem Urteil als dem
Grunde ein anderes als seine Folge abzuleiten. Wir sehen freilich mit
einer allen Zweifel ausschliessenden Gewissheit ein, dass das Urteil, in
dem wir das in einem Ding Enthaltene von ihm aussagen, notwendig wahr sein
muss, ebenso, dass das Urteil wahr sein muss, das sich als Folge aus einem
andren Urteil als seinem Grunde ergiebt. Aber wiederum ist zu beachten
wichtig, dass diese Einsicht in die Wahrheit der Urteile mit der im
Enthaltensein gegebenen Denknotwendigkeit nichts zu thun hat, von ihr ganz
und gar verschieden ist und sich in keiner Weise auf sie stuetzt. Es
ergiebt sich, dass, wenn auch in Bezug auf das Enthaltensein von
Denknotwendigkeit geredet werden kann, diese Denknotwendigkeit doch nicht
mit der Einsicht verwechselt oder verselbigt werden darf.

Auch in Bezug auf das zusammengehoerige Nichtenthaltene kann von
Denknotwendigkeiten geredet werden. Man hat von jeher unterschieden
zwischen den Proprietaeten oder wahren Eigenschaften, die nicht als
Merkmale im Ding enthalten sind und ihm doch notwendig zukommen, und
zwischen den Accidentien, die ihm zukommen koennen. Richtung und
Geschwindigkeit sind fuer die Bewegung, Staerke und Hoehe fuer den Ton solche
Eigenschaften, aber die bestimmte Richtung und Geschwindigkeit, die
bestimmte Staerke und Hoehe sind nicht notwendig. Ohne jene Eigenschaften
kann Bewegung und Ton gar nicht vorhanden sein, wohl aber ohne diese
Bestimmtheiten. Die Zugehoerigkeit ist hier Denknotwendigkeit. Aber es ist
zu beachten wichtig: nicht weil es denknotwendig ist, betrachten wir
dieses Zugehoerige als zugehoerig, sondern nur darum, weil uns die
Zugehoerigkeit einleuchtet und wir sie einsehen. Jede Eigenschaft setzt
ferner ein Selbstaendiges, jede Bewegung, jede Veraenderung ein Bewegliches,
ein Veraenderliches, ein Beharrliches voraus. Wir koennen das nicht anders
denken; also wiederum eine Denknotwendigkeit innerhalb des Zugehoerigen,
Nichtenthaltenen. Es scheint, als wenn dieser Denknotwendigkeit gar keine
Einsicht entspricht. Wir sehen ein, dass und warum das Enthaltensein
denknotwendig ist; aber wir sehen nicht ein, warum wir in unsrem Denken
fuer die Eigenschaft ein Selbstaendiges, fuer die Bewegung ein Bewegliches,
fuer die Veraenderung ein Veraenderliches voraussetzen muessen. Wir koennen nur
sagen, die Einrichtung unsres Denkens bringt das so mit sich. Die Roete hat
doch ihren eigenen Inhalt, ebenso die Bewegung, ebenso die Veraenderung.
Warum setzt sie etwas voraus, das rot ist, sich bewegt, sich veraendert?
Hier scheint bloss ein blindes Muessen vorhanden zu sein, das auf einer
Einrichtung, auf einem Mechanismus unsres Denkorganismus beruht. Es
scheint nicht unwichtig zu beachten, dass keine Denknotwendigkeit besteht,
jedes Selbstaendige mit Eigenschaften auszustatten oder jedem Beharrlichen
eine Bewegung oder Veraenderung zuzuschreiben. Wenn wir einem
Selbstaendigen, einem Dinge eine Eigenschaft zuschreiben, ihm Bewegung oder
Veraenderung beilegen, so geschieht das, weil uns die betreffenden
Zusammengehoerigkeiten einleuchten.

Auch bezueglich des Nichtenthaltenen und Nichtzugehoerigen giebt es
Denknotwendigkeiten, die wir als Unvertraeglichkeitsverhaeltnisse
bezeichnen. Sie sind ueberall dort vorhanden, wo von einem Subjekt ein
Praedikat notwendig ausgeschlossen ist. Das gilt von allen Praedikaten, die
das kontradiktorische Gegenteil des Subjekts ausdruecken. Es gilt ferner
von allen Dingen -- das Wort im engern Sinne genommen -- unter einander.
Da sie ein Eigensein haben und einander gegenueber selbstaendig sind, koennen
sie nicht von einander ausgesagt werden. Bei vielen Praedikaten macht sich
in ihrem Verhaeltnis zu einander diese Unvertraeglichkeit geltend, die nur
die Kehrseite der Notwendigkeit ist. Sie koennen nicht zugleich von
demselben Subjekt ausgesagt werden; so: Bejahen und Verneinen desselben
Gegenstands, Wollen und Widerstreben in Bezug auf denselben Gegenstand,
die sogenannten kontraeren Gegensaetze arm und reich, jung und alt, gross
und klein, schwarz und weiss usw. Dass wir diese Praedikate als
unvertraeglich miteinander oder mit dem Subjekt erkennen, hat seinen Grund
natuerlich lediglich in dem Einleuchten der Unvertraeglichkeit, nicht in der
mit ihr gegebenen Denknotwendigkeit, sodass also auch hier
Denknotwendigkeit und Einsicht als etwas ganz Verschiedenes erscheint.

Es fragt sich, ob nicht eine Denknotwendigkeit in dem Einheitsgesetz und
dem Gesetz der Kausalitaet vorliegt, und weiterhin, ob nicht diese
Denknotwendigkeit mit der Einsicht als ein und dasselbe gesetzt werden
muss. Zunaechst ist einleuchtend, dass es sich fuer uns nicht darum handeln
kann, zu entscheiden, ob zwischen dem Denkenden und dem System der
Wahrheit, zwischen dem den Anfang irgendwie Ermoeglichenden und dem
Anfangenden ein Notwendigkeitszusammenhang besteht, sondern lediglich
darum, ob er von dem Einheits- und Kausalitaetsgesetz gefordert wird und in
diesen Gesetzen zum Ausdrucke kommt. Beides wird nun geleugnet werden
muessen. In dem Einheitsgesetz (das System der Wahrheit setzt einen
Denkenden voraus, der alle Wahrheit erkennt) und in dem Gesetz der
Kausalitaet (das Anfangende setzt ein anderes schon Bestehendes voraus, das
seinen Anfang ermoeglicht) ist von einem Notwendigkeitsverhaeltnis zwischen
dem Denkenden und dem System der Wahrheit, zwischen dem den Anfang
Ermoeglichenden und dem Anfangenden in keiner Weise die Rede; ein solches
Notwendigkeitsverhaeltnis wird darum auch von diesen Gesetzen nicht
gefordert. Nur insofern kommt auch in diesen Gesetzen ein
Notwendigkeitsverhaeltnis zum Ausdruck, als das System der Wahrheit
notwendig einen Erkennenden, und das Anfangende notwendig einen
Ermoeglichungsgrund voraussetzt. Es ist nichts dagegen einzuwenden, dieses
Notwendigkeitsverhaeltnis als eine Denknotwendigkeit zu bezeichnen; aber
wiederum gilt, dass diese Denknotwendigkeit nicht der Grund unsrer
Einsicht in die Wahrheit dieser Gesetze ist, dass vielmehr dieser Grund,
wie ueberall so auch hier, nur das Einleuchten der Zusammengehoerigkeit sein
kann. Auch hier sind also Denknotwendigkeit und Einsicht ganz und gar
verschieden.


  Achtzehnte Untersuchung.


Einsicht und Wille.

Da mit der Einsicht keinerlei Zwang oder innere Noetigung fuer uns verbunden
ist, so sind wir im Stande uns derselben zu entziehen, wenn sie unsren
Neigungen nicht entspricht, wie viele Erfahrungen unseres Lebens uns
bestaetigen. Das Widerstreben gegen die erkannte Wahrheit ist eine leider
nur zu haeufig vorkommende Thatsache. Wir koennen unsren Blick von dem
Sichaufdraengen und Einleuchten der Zusammengehoerigkeit ablenken und auf
etwas andres richten, uns dadurch die eintretende Einsicht aus dem Sinne
schlagen, in den Hintergrund draengen, verdunkeln und sogar ganz
beseitigen, um uns einem entgegengesetzten, blinden Dafuerhalten, das
unsren Neigungen besser entspricht, hinzugeben. Aber auch wenn dies nicht
der Fall ist, bleibt die Einsicht und das ihr folgende Urteil oft ein
blosser Verstandesakt, selbst vorausgesetzt, dass entgegengesetzte
Interessen vorhanden sind aber keinen Einfluss ausueben, weil der Wille
nicht widerstrebt. Ganz verschieden von diesen Verstandesakten ist die
Liebe zur Wahrheit, die sich in der Hingabe und Unterwerfung des Willens
unter die Wahrheit und in dem Ergriffen- und Unterjochtwerden des Gemuetes
von der Wahrheit kundthut und der Vertiefung in die Wahrheit, insbesondere
in ihren ueberzeitlichen Charakter, zu folgen pflegt. Es ist klar, dass die
Wahrheitserkenntnis erst durch diese Mitbeteiligung des Willens und Gemuets
eine Bedeutung fuer unser inneres Leben erhaelt. Die Anerkennung der
erkannten Wahrheit, das Festhalten an ihr trotz entgegengesetzter Neigung
ist eine strenge sittliche Pflicht, ja die hoechste sittliche Pflicht, denn
alles Unsittliche hat seine letzte Wurzel und Quelle in dem Widerstreben
gegen die erkannte Wahrheit, was schon in dem blossen Sichabwenden und
Unbeachtetlassen der eben aufleuchtenden Einsicht sich kundgiebt. Die
erkannte Wahrheit ist ein sittliches Gut, nicht ein Gut des egoistischen
Willens sondern ein Gut des Gemeinschaftswillens; ja sie ist das Gut der
Gueter, das hoechste Gut, denn alle andren Gueter erhalten nur durch sie
ihren Wert. Die Wahrheitsliebe ist Pflicht jedes Menschen, die gluehende
Liebe zur Wahrheit ist die Tugend des wissenschaftlichen Forschers. Das
Wort Kants vom guten Willen gilt im hoechsten Sinne von der Wahrheit: Das
einzige, was nicht bloss in der Welt der wollenden Wesen, wie der gute
Wille, sondern ueberhaupt um seiner selbst willen gut ist, ist die
Wahrheit, denn alles andere ist nur gut durch sie. Das gilt von allen
Wahrheiten. Einer besondren Beachtung beduerfen die sittlichen und
religioesen Wahrheiten, die Wahrheiten, welche, allgemeiner gesprochen,
unser praktisches Verhalten und unsre persoenlichen Beziehungen regeln. Sie
muessen natuerlich den Willen in ganz andrer Weise beeinflussen und das
Gemuet in Anspruch nehmen und doch bleiben gerade sie haeufig lediglich
blosse Kopfwahrheiten. Die mit ihnen verbundene Einsicht ist natuerlich
auch ein Verstandesakt. Sitte und Gewohnheit bringen es mit sich, dass man
ihnen die Anerkennung im Denken und Reden nicht versagt. Diese Anerkennung
wird als etwas Selbstverstaendliches betrachtet. Aber sie ist auch
lediglich eine Anerkennung des Verstandes, die diesen Wahrheiten in
gedankenloser Weise entgegengebracht wird, ohne dass der Wille und das
Herz davon irgendwie beruehrt werden, selbst wenn das Leben des
Anerkennenden den Wahrheiten durchaus widerspricht. Der Widerspruch
zwischen den Gewohnheiten des Lebens, wie sie im Handeln sich kundgeben
und zwischen der ebenfalls im Denken und Reden zur Gewohnheit gewordenen
Anerkennung kommt gar nicht mehr zum Bewusstsein. Die Gewohnheit auf
beiden Seiten laesst eine Reflexion gar nicht aufkommen und alles als
selbstverstaendlich erscheinen. Das ist die Lage der meisten Menschen, die
im Reden und Denken an der ihnen anerzogenen Moral und Religion
festhalten, obgleich die Grundsaetze dieser Moral und Religion auf ihre
Gesinnung, ihr Leben und Handeln gar keinen Einfluss ausueben. Ihre Moral
und Religion ist lediglich zur Kopfwahrheit geworden. Wie oft werden
Grundsaetze im Denken und Reden als selbstverstaendlich anerkannt und doch
im Leben und Handeln ohne weiteres, wir muessen sagen gedankenlos,
unbewusst, mit Fuessen getreten. Wer verurteilt in seinem Denken und Reden
nicht den Egoismus, und wer zieht das zuerst deutlich, dann immer weniger
deutlich, zuletzt gar nicht mehr als minderwertig erkannte eigene Ich
nicht dem fremden vor?



Vierter Abschnitt.

Umfang unsres Wissens.


  Neunzehnte Untersuchung.


Schranken unsres Erkennens.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Gegenstand und das Ziel des
Erkennens nichts andres sein kann als die Wahrheit in ihrem ueberzeitlichen
Charakter, der allein ihre Allgemeingueltigkeit fuer alle Denkenden
verbuergt. Aber es fragt sich, ob die thatsaechliche Beschaffenheit der
Erkenntnisvorgaenge dieser Aufgabe in jeder Hinsicht angemessen ist und
gerecht wird. Um diese Frage zu beantworten, gehen wir von der seit
Aristoteles und dem Neuplatoniker Porphyrius ueblichen Unterscheidung
zwischen den Praedikabilien und Praedikamenten oder Kategorien aus. Unter
Praedikabilien verstehen wir hoechste Aussagen ueber Begriffe, unter
Praedikamenten oder Kategorien hoechste Aussagen ueber das Seiende. Man zaehlt
nach Porphyrius fuenf Praedikabilien: Gattung, Art, Differenz, das
Notwendige (Proprietaet), das Zufaellige (Accidenz), die wesentlichen
Merkmale, welche in Gattung, Art und Differenz vorhanden sind, von den
ausserwesentlichen notwendigen oder zufaelligen unterscheidend; ferner nach
Aristoteles zehn Kategorien: Substanz, Eigenschaften, Groesse, Beziehung,
Ort, Zeitpunkt, Lage, Thun, Leiden, Zustand.

Die notwendigen Merkmale oder Proprietaeten sollen also etwas anderes als
die Eigenschaften sein. Die Eigenschaft kann sowohl Proprietaet als
Accidenz sein, sie kann dem Ding sowohl notwendig als zufaellig zukommen.
Z. B. ist die weisse Farbe und das Kranksein eine Eigenschaft gewisser
Menschen, aber doch nur ein Accidenz. Es gehoert zum Wesen der Eigenschaft,
dass sie nicht ohne ein Selbstaendiges sein kann, dessen Eigenschaft sie
ist, dass sie ein Selbstaendiges notwendig voraussetzt: aber darum ist sie
noch nicht notwendig fuer dieses Selbstaendige. Das gilt nur von der
Proprietaet. So setzt auch das Anfangende einen Ermoeglichungsgrund
notwendig voraus, geht aber darum noch keineswegs aus diesem
Ermoeglichungsgrund notwendig hervor oder ist mit ihm notwendig verbunden.
Die Proprietaet gehoert, wie das Accidenz, zum Ausserwesentlichen; die
Eigenschaft kann sowohl zum Wesentlichen als Ausserwesentlichen gehoeren.
Man sieht, die Unterscheidung von Proprietaet und Eigenschaft laesst sich
zur Not aufrecht erhalten und durchfuehren. Aber warum sollen die
Proprietaeten, warum soll ueberhaupt das Ausserwesentliche nur eine Aussage
ueber Begriffe enthalten? Gehoert das Ausserwesentliche nicht auch zum
Seienden? Gattung und Art sind offenbar Praedikabilien, wenn man sie
einfach nach dem Verhaeltnis des Allgemeinen und Besondern ins Auge fasst.
Aber die Alten haben mit Recht Gattung und Art nicht bloss nach diesem
Verhaeltnis bestimmt, sondern fuer beide nur die wesentlichen Merkmale in
Anspruch genommen und die ausserwesentlichen auf Proprietaet und Accidenz
verteilt. Ist aber nun das Wesentliche und weiterhin das Wesen ein blosses
Praedikabile? und nicht vielmehr eine Kategorie? Ja, die Kategorie der
Kategorien? Das Seiende ist doch eben nur ein Seiendes dadurch, dass es
ein Wesen, eine Wahrheit hat.

Verschiedenheit und Gleichheit sind sicher unmittelbar nur Aussagen ueber
unsre Begriffe, keine Kategorien, ebensowenig das Nichtseiende, die
Negation des einen vom andern; Mensch als Nicht-Pflanze z. B. Demnach kann
auch die Zahl keine Kategorie sein; sie ist der Gattung verwandt und wie
diese Zusammenfassung niederer Einheiten zu einer hoeheren Einheit; nur
dass bei der Gattung in dieser hoeheren Einheit die niedern fuer das
Bewusstsein verschwinden, waehrend sie bei der Zahl im Bewusstsein
festgehalten werden. Aber wie steht es mit der Einheit im hoechsten Sinne?
Ist sie auch keine Kategorie? Sicher ist sie eine Kategorie. Nur dadurch,
dass das Seiende ein Teil der Einen Wahrheit ist und an ihr teilnimmt, ist
es ein Seiendes; die Einheit wie das Wesen, wie die Wahrheit selbst ist in
der That die hoechste Kategorie; sie ist von Wahrheit und Wesen nicht zu
trennen, so wenig wie das Wesen von der Wahrheit und die Wahrheit vom
Seienden.

Es mag angemessen sein, das fuer ein Ding Notwendige und das ihm Zufaellige
zu unterscheiden; aber wichtiger ist die Frage, ob etwas darum, weil es
zufaellig ist, weniger zum Seienden gehoert. Zufaellig ist dem Menschen das
Kranksein, das Krueppelhaftsein, wohl auch die Farbe, die schwarze, gelbe,
rote Haut; aber sind diese Eigenschaften darum weniger seiend, weil sie
zufaellig sind? Was hat es mit dem Zufaelligen ueberhaupt in Hinsicht des
Seins auf sich? Fragen wir endlich, ist die Wirklichkeit eine Kategorie?
Auch die nichtseinsollende Wirklichkeit? Sicherlich wird man diese Frage
bejahen muessen! Wir kommen auf den ersten Teil derselben zurueck. Wie steht
es mit der Negation, die als Negation des Nichtzugehoerigen,
Nichtenthaltenen fuer den Fortschritt unsres Erkennens von so grosser
Wichtigkeit ist? Hat sie eine reale Bedeutung? Wenn man sagt, das eine ist
bloss nichtseiend mit Bezug auf das andere, nicht aber an sich, so
vergisst man, dass das Nichtsein des andern die Beschraenktheit, die
Endlichkeit des einen, gleichsam das im einen selbst vorhandene Nichtsein
voraussetzt. Was hat es mit diesem anscheinend seienden Nichtsein auf
sich?

Wie die Praedikabilien von dem Gedanken des Enthaltenseins, von dem
Verhaeltnis des Allgemeinen zum Besondren beherrscht sind, so tritt fuer die
Tafel der Kategorien die sinnliche, sinnfaellige Wirklichkeit (Substanz,
Groesse, Ort, Lage) in den Vordergrund. Das entspricht in gewisser Hinsicht
der thatsaechlichen Beschaffenheit unsrer Erkenntnisvorgaenge, aber in
keiner Weise dem Zwecke derselben. Je mehr wir uns von der sinnfaelligen
Wirklichkeit entfernen, desto inhaltleerer wird anscheinend unser Denken.
Wir haben immer weniger Anlass, mit der Negation zu unterscheiden und zu
trennen. Das Verhaeltnis des Enthaltenseins tritt in den Vordergrund, das
Denken ist sozusagen in dasselbe eingespannt, die Einheit wird zur
Einerleiheit, das Wesen zum inhaltsleeren Allgemeinen; selbst die Wahrheit
kommt auf das Enthaltensein zurueck (immanenter Wahrheitsbegriff). Und doch
hat das Verhaeltnis des Enthaltenseins fuer unser Erkennen nur eine
untergeordnete Bedeutung. Die sogenannte sinnfaellige Wirklichkeit kann,
wie wir noch sehen werden, nur die Bedeutung eines Erkenntnismittels
haben, das wohl die Richtung des Erkennens, aber nicht sein Ziel bestimmt.
In dieser thatsaechlichen Beschaffenheit unsrer Erkenntnisvorgaenge liegt
offenbar eine Schranke fuer das seinem Ziele zustrebende Erkennen.

Als weitere Schranken unsres Erkennens lehrt eine eingehende Betrachtung
die Kategorien des Raumes, der Zeit, der Substanz und Kausalitaet kennen,
die in unsrem Erkennen die groesste Rolle spielen. Vergleichen wir das
System der Wahrheit, wie es unsrem Erkennen gegeben wird oder
entgegentritt, einem Gebaeude, in dem wir das Gerueste oder Fachwerk von der
ausfuellenden Masse, einem Gewebe, in dem wir die Kette von dem Einschlag
unterscheiden, so koennen Raum, Zeit, Substanz und Kausalitaet als das
Gerueste oder Fachwerk fuer das Gebaeude der Wahrheit oder als die Kette fuer
das Gewebe, das sie bildet, bezeichnet werden.

Die Kategorien Raum und Zeit setzen die Sinnenbilder der Ausdehnung und
Bewegung voraus, gehen aber weit ueber diese Sinnenbilder hinaus; sie
bestehen in einer begrifflichen Bearbeitung derselben, die nicht etwa
bloss das in ihnen Enthaltene wiedergiebt, sondern auch das fuer das Denken
ihnen Zugehoerige hinzufuegt. Aber in dieser begrifflichen Bearbeitung
steckt ebenso wie in den entsprechenden Sinnenbildern ein irrationales
oder dem Denken inkommensurables Element. Es ist fuer Ausdehnung und Raum
die Beruehrung der Teile, welche das den beiden wesentliche Nebeneinander
ausschliesst; es ist fuer Bewegung und Zeit der Uebergang, der das der
Bewegung und Zeit wesentliche Nacheinander ausschliesst. Zwischen zwei
nebeneinander liegenden Orten giebt es keinen dritten, beiden gemeinsamen;
zwischen zwei auf einander folgenden Zeitpunkten keinen dritten, beiden
gemeinsamen. Und doch setzt das die Beruehrung und der Uebergang voraus,
wenn wir mit dem Denken zu erfassen suchen, was sie besagen. Die
Kategorien der Substanz und Kausalitaet verlangen, dass dem Sinnenbild des
Ausgedehnten und Bewegten der der innern Erfahrung entstammende
Willensimpuls in associativer Weise unterlegt wird. Dadurch entstehen aus
dem Ausgedehnten die den Raum ausfuellenden und damit Widerstand
entgegensetzenden Dinge -- neue, umfassendere Sinnenbilder, deren
begriffliche Bearbeitung die Begriffe der Substanz und Kausalitaet ergiebt.
Auch diese enthalten das irrationale, dem Denken inkommensurable Element
in verstaerktem, verdoppeltem Masse. Die Beruehrung wird fuer die Substanz
zur Quelle des Nebeneinander, trotzdem sie eigentlich das Nebeneinander
ausschliesst. Der Uebergang wird fuer die Kausalitaet zur Quelle des
Nacheinander, trotzdem der Uebergang das Nacheinander ausschliesst.

Natuerlich sind die Begriffe von Raum und Zeit, von Substanz und Kausalitaet
nicht etwa bloss umgeformte Sinnenbilder oder sinnliche Empfindungen, sie
sind das Erzeugnis einer begrifflichen Bearbeitung und gehen insofern weit
ueber das sinnliche Gebiet hinaus; aber in ihnen bleibt ein aus der
Empfindung stammendes, fuer das Denken nicht aufzuhellendes,
undurchsichtiges Element. Trotzdem schon in den Sinnenbildern der
Ausdehnung und Bewegung und mehr noch in den umfassenderen Sinnenbildern,
die aus ihnen durch associative Verknuepfung mit dem Willensimpuls
entstehen, am meisten aber in der begrifflichen Bearbeitung dieser
Sinnenbilder der synthetische Charakter unsres Erkennens zum Ausdrucke
kommt, kann doch in allen unsren Erkenntnissen, in denen diese
Sinnenbilder und die aus ihnen durch begriffliche Bearbeitung gewonnenen
Kategorien der Zeit, des Raumes, der Substanz und Kausalitaet eine Rolle
spielen, von einem Einleuchten des Zusammengehoerigen und von einer
Einsicht in dasselbe keine Rede sein; ausser insofern wir von dem in den
Sinnenbildern enthaltenen und in diesen Kategorien wiederkehrenden
irrationalen Element absehen. Sehen wir von diesem irrationalen Element
ab, so bleibt uns eine blosse Mannigfaltigkeit in Raum und Zeit uebrig,
ueber die wir, was das Verhaeltnis und die Zusammenordnung der Teile angeht,
einleuchtende und einsichtige Urteile zu faellen im Stande sind.

In den Gesetzen des Erkennens und Denkens, die wir als einleuchtend und
einsichtig betrachten, haben wir von den Vorstellungen Substanz und
Kausalitaet natuerlich keinen Gebrauch machen koennen. Das Gesetz der
Uebereinstimmung spricht von Dingen, aber in ganz allgemeinem Sinne, wonach
Eigenschaften, Vorgaenge, Beziehungen auch als Dinge gelten koennen; nicht
aber im Sinne der Substanzvorstellung. Im Gesetze der Kausalitaet haben wir
nur von der Ermoeglichung des Anfangs reden koennen, nicht von der
Kausalitaet im Sinne der Ursachvorstellung als hervorbringender Ursache.
Dass etwas in einem bestimmten Zeitpunkte anfaengt, hat fuer uns keine
groessere Schwierigkeit zu denken, als dass es in einem bestimmten
Zeitpunkte oder an einem bestimmten Orte vorhanden ist. Man koennte in dem
Einheitsgesetze unsres Erkennens den Einen Erkennenden als Traeger und
Erzeuger des ueberzeitlichen, natuerlich auch ueberraeumlichen Systemes aller
Wahrheit auffassen; aber es ist einleuchtend, dass das Wort Traeger in
diesem Falle nicht im Sinne der Substanzvorstellung und das Wort Erzeuger
nicht im Sinne der Ursachvorstellung gedacht wird.

Raum und Zeit bieten der Erkenntnis freilich noch eine andere
Schwierigkeit. Sie verhalten sich voellig gleichgueltig gegen den Inhalt,
passen sich jedem Inhalte an, vermehren den Inhalt in keiner Weise und
bilden insofern einen Gegensatz zu Substanz und Kausalitaet. Man kann sie
deshalb als Formalkategorien, Substanz und Kausalitaet im Gegensatz zu
ihnen als Realkategorien bezeichnen. Die Frage nach der Bedeutung von Raum
und Zeit fuer den Inhalt ist darum eine unabweisliche, um so mehr, da nur
durch sie die Individualisierung der Dinge und Vorgaenge moeglich ist. Sie
sind die Prinzipien der Individuation, durch die allein fuer unser Denken
die Dinge aus der Sphaere der unbestimmten und darum bloss gedanklichen
Allgemeinheit herausgehoben und zu Wirklichkeiten gestempelt werden, die
nur Einzelwirklichkeiten sein koennen. Was haben Raum und Zeit im Reiche
der Wahrheit fuer eine Bedeutung, wie unterscheiden sich Wahrheit und
Wirklichkeit? das ist die fuer das Erkennen schwierige, vielleicht
unloesbare, jedenfalls noch nicht geloeste Frage. Sagen wir, das Wahre ist
wirklich, insofern es vom goettlichen Wesen nicht bloss gedacht sondern
auch gewollt wird, Raum und Substanz sind der symbolische Ausdruck fuer die
scheinbare Selbstaendigkeit der Dinge ihm gegenueber, Zeit und Kausalitaet
der symbolische Ausdruck fuer die voellige Abhaengigkeit der Dinge von ihm,
so sind das jedenfalls viel zu allgemeine Antworten, um als genuegend
gelten zu koennen, obgleich sie eine ganze Weltanschauung und vielleicht
die einzig moegliche enthalten. Natuerlich muss das Weltwirkliche sich in
voelliger Abhaengigkeit von Gott befinden. Der Willensakt, dem es seinen
Ursprung verdankt, kann ihm nur eine scheinbare, keine wirkliche
Selbstaendigkeit verleihen. Wo gaebe es in der Welt auch etwas wirklich
voellig Selbstaendiges? Es giebt kein gottfremdes, ihm nicht gehoerendes Sein
-- ein solches wuerde ja eine Schranke fuer Gott, ein zweiter Gott sein.
Unter dieser Voraussetzung ist jener goettliche Wille nur als
Selbstentsagung, Selbstentaeusserung, Selbstverzicht Gottes zu denken,
durch welche den Dingen der Welt eine Selbstaendigkeit geliehen wird, die
ihnen eigentlich nicht zukommt. Diese geliehene Selbstaendigkeit kommt in
Raum und Substanz, hingegen die wirkliche Unselbstaendigkeit, die
unbeschadet jener besteht, in Zeit und Kausalitaet zum Ausdruck. Hiernach
ist die Wirklichkeit nicht wie Raum und Zeit eine Formalkategorie, was man
wegen des Zusammenhangs der Entstehung unserer Erkenntnis der Wirklichkeit
mit den Kategorien von Raum und Zeit erwarten sollte. Sie beruht auf dem
wirklichen Akte der Selbstentsagung und Selbstentaeusserung Gottes, dessen
Ergebnis, die geliehene Selbstaendigkeit, nicht als etwas bloss Scheinbares
betrachtet werden kann. Die auf ihren Wirklichkeitssinn pochenden
Philosophen der Gegenwart werden diese Gedanken fuer uebersteigend oder gar
verstiegen halten, das ist ebenso leicht als ueberfluessig. Wuenschenswert
waere, dass sie endlich erklaerten, worin denn nach ihrer Meinung die
Wirklichkeit im Unterschied von der Wahrheit bestehe und ob Raum und Zeit
bloss fuer das Zustandekommen unserer Erkenntnis der Wirklichkeit oder auch
fuer diese selbst eine Bedeutung haben.


  Zwanzigste Untersuchung.


Die Erkenntnis der Aussenwelt.

Wenn wir die Entstehung und Zusammensetzung unsrer Vorstellungen der
Weltdinge und ihrer Ordnung in Raum und Zeit ins Auge fassen, wie sie nach
dem gesicherten Ergebnis der Psychologie notwendig gedacht werden muss, so
koennen wir keinen Augenblick darueber zweifeln, dass wir von der
Beschaffenheit dieser Dinge keine Erkenntnis haben. Die Annahme, dass die
Dinge so sind, wie wir sie wahrnehmen, beruht offenbar auf einer bloss
vermeintlichen, durch die Psychologie voellig beseitigten Einsicht. Fuer den
Kenner der Psychologie ist die Frage, ob die Dinge so sind, wie wir sie
sehen, einfach ungereimt. Jeder hat sein besonderes, eigenes Gesichtsbild
von den Dingen, und dieses besteht aus den Gesichtsempfindungen und den
mit ihnen associierten Tastempfindungen: seine Stelle im Raum wird
bestimmt durch die fuer das Zustandekommen dieser Tastempfindungen
erforderlichen Muskelempfindungen der Arm- und Beinexkursionen. Zu einem
uns gegenueberstehenden sogenannten Gegenstande wird das Ding durch die von
unsren Bewegungen hergenommene und dem bewegten Gesichtsbilde zu Grunde
gelegte Willensenergie, die allmaehlich verblasst und als Restbestand das
den Raum ausfuellende und Widerstand entgegensetzende Ding uebrig laesst.
Wenn wir die Dinge so wahrnehmen sollen, wie sie sind, dann muss diese
ihre Beschaffenheit in blossen Empfindungen bestehen, und die Dinge koennen
nichts als Vorstellungen sein. Allein niemand versteht unter den Dingen
blosse Komplexe von Empfindungen oder Vorstellungen, auch nicht
fortdauernde (unter gleichen Umstaenden immer wiederkehrende) Moeglichkeiten
von Empfindungen; ganz abgesehen davon, dass diese Moeglichkeiten als reale
Moeglichkeiten gedacht werden muessen und so einen Ermoeglichungsgrund der
Empfindungen voraussetzen. Alle denken unter den Dingen etwas von den
Empfindungen und Vorstellungen Verschiedenes.

Muessen wir also auf die Erkenntnis der Beschaffenheit der Dinge
verzichten, so fragt sich, ob wir nicht wenigstens die Existenz von
Dingen, die uns unter der Huelle von Empfindungen bewusst werden, erkennen
koennen. Davon nun, dass von uns verschiedene, durch die Empfindungen und
Vorstellungen uns gegebene und unsrem Bewusstsein gegenwaertige Dinge
existieren, davon haben wir eine unmittelbare Einsicht. Die
Zusammengehoerigkeit dieser Empfindungen und Vorstellungen mit einem von
uns verschiedenen Sein oder Etwas leuchtet uns unmittelbar ein. Die
Einsicht davon laesst sich nicht wegdisputieren; sie bleibt bestehen, auch
wenn die anfaengliche Einsicht, dass wir die Beschaffenheit der Dinge
erkennen, beseitigt oder als eine bloss vermeintliche Einsicht erkannt
ist.

Es ist wichtig zu beachten, dass die Einsicht eine unmittelbare ist und
die Zusammengehoerigkeit uns unmittelbar einleuchtet. Sie ist nicht
vermittelt durch die Einsicht, die wir vom Gesetz der Kausalitaet haben.
Wir schliessen nicht daraus, dass die Empfindungen ohne unser Zuthun in
uns entstehen, auf etwas von uns Verschiedenes, das ihren Anfang
ermoeglicht. Gegen diesen Schluss ist mit Recht eingewendet worden, dass
die Empfindungen moeglicherweise aus uns entstehen koennten, ohne dass wir
darum wuessten. Unsre Erkenntnis von den Dingen der Aussenwelt, sofern es
sich um ihre Existenz handelt, ist eine streng unmittelbare; von dem
Bewusstsein einer Ursache, eines Anfangs und einer Ermoeglichung des
Anfangs ist in ihr nichts zu entdecken, wie das schon oft hervorgehoben
worden ist. Fuer die Nichtexistenz der Dinge in dem Sinne, in dem wir sie
verstehen, ist eine unmittelbare Evidenz nie in Anspruch genommen worden,
kann auch, so viel ich sehe, in Zukunft nicht in Anspruch genommen werden.
Sie sind natuerlich verschieden von den Empfindungskomplexen, den
Willensdingen, von ihrer Substanz und Kausalitaet, deren Entstehung und
Zusammensetzung uns die Psychologie mit durchsichtiger Klarheit kennen
lehrt. Sie koennen Gedanken sein und sind nach unsrer Auffassung Gedanken
Gottes, oder wenn man lieber will, des Bewusstseins ueberhaupt (Berkeley,
Rehmke), also nicht Gedanken unsres oder meines individuellen
Bewusstseins. Sie sind nicht Dinge an sich, die wir erkennen, wie sie
unerkannterweise sind, sondern ein von Ewigkeit und vor uns Gedachtes, und
unsre Erkenntnis derselben ist nur ein Nachdenken eines Vorhergedachten.
Giebt es keine unmittelbare Evidenz der Nichtexistenz der Dinge in diesem
Sinne, so ist der seltene Fall, wo sich Evidenz und Evidenz wie Ja und
Nein gegenueber stehen, also ausgeschlossen, der einzige Fall, in dem wir
uns auf eine Evidenz nicht berufen koennten. Fuer die Nichtexistenz von
Dingen in unsrem Sinne scheint auch kein Beweis gefuehrt werden zu koennen.
Positivisten wie Stuart Mill, welche sich auf die fortdauernde Moeglichkeit
der Empfindungen, aus denen sich das Vorstellungsbild der Dinge ergiebt,
zurueckziehen, muessen diese Moeglichkeit als reale fassen und beduerfen daher
fuer sie eines Ermoeglichungsgrundes, den sie nur in den Dingen in unsrem
Sinne finden koennen. Idealisten wie Berkeley, Rehmke koennen gegen die
Annahme von Dingen als Gedanken Gottes oder des Bewusstseins ueberhaupt von
ihrem Standpunkte aus keinen Beweis zu erbringen versuchen.

Hingegen koennen wir unsere Annahme von solchen Dingen, die wir durch
unmittelbare Einsicht gewinnen, auch noch durch einen Beweis stuetzen. Seit
Cartesius ist in der Philosophie die abstrakte Trennung von Leib und
Seele, von Koerperwelt und Bewusstsein, die von ihm aus bloss methodischen
Gruenden eingefuehrt wurde, zu einer gewohnheitsmaessigen Annahme geworden,
ueber deren Recht oder Unrecht kaum noch reflektiert wird. Aristoteles und
den mittelalterlichen Philosophen war diese Annahme voellig fremd. Auch
unsere Psychologie setzt die abstrakte Trennung von Leib und Seele als
selbstverstaendlich voraus, sie geht darum von den Empfindungen als den
Anfangszustaenden des Bewusstseins aus und legt auf Grund derselben und im
Anschluss an sie den reichen Inhalt des Bewusstseinslebens dar. Das bietet
methodische Vorteile und ist insofern nicht zu verwerfen. Allein schon
eine Definition der Empfindung ist unmoeglich ohne Zuhilfenahme
koerperlicher Vorgaenge, der Sinnesreize und Gehirnerregungen. Ausserdem
wird niemand bestreiten, dass das Kind von Empfindungen als
Bewusstseinsvorgaengen noch nichts weiss. In unsrem entwickelten
Bewusstseinsleben treten ferner die Empfindungen nie als Empfindungen, als
Bewusstseinsvorgaenge auf. Man hat deshalb gesagt, sie seien uns nicht als
Empfindungen sondern als objektivierte Vorstellungen gegeben. Was heisst
das? Werden Empfindungen je objektiviert und dadurch zu Vorstellungen? Die
Theorie der Objektivation und Projektion ist veranlasst durch die Farben,
die Empfindungen sind und doch von uns in der Ferne als den Dingen
anhaftend gesehen werden. Allein mit den Farbenempfindungen sind
entsprechende Tastempfindungen associiert, die wir nur haben koennen, wenn
wir den Gegenstand beruehren. Es ist darum begreiflich, dass wir beim Sehen
des Gegenstandes uns in Gedanken an seinen Ort versetzen und ihn nun
unmittelbar, wie mit den Tastempfindungen so auch mit den
Gesichtsempfindungen der Farben umkleiden (hierin liegt der Grund, wie bei
der Eroerterung ueber die Erinnerung deutlich werden wird, warum wir bei der
aeussern Wahrnehmung nicht leicht von einer Einsicht reden). Wir wuerden
nicht von objektivierten oder gar projizierten Empfindungen als dem
unmittelbar Gegebenen reden, sondern vorziehen zu sagen, dass uns die
Empfindungen nicht als Empfindungen urspruenglich gegeben sind sondern als
Erkenntnismittel.

Auf einer gewissen Stufe des entwickelten Bewusstseins hoeren schon beim
unmuendigen Kinde die Empfindungen auf unverstandene Zustaende zu sein. Es
erhebt sich der auf das Wesen der Dinge und die Wahrheit gerichtete Blick
des Geistes, durchdringt die sinnliche Huelle der Empfindungen, die in
jedem andere und besondere sind, und erfasst das fuer alle Zeit und darum
auch fuer alle Denkenden den Empfindungen irgend entsprechende, jedenfalls
mit ihnen zusammengehoerende Sein und Etwas, d. h. das fuer alle Zeit und
fuer alle Denkenden gueltige Wesen der Dinge in der unbestimmten Weise, wie
es eben dem Begriffe des Seins und Etwas entspricht. Natuerlich bleibt die
Empfindung das Kleid, die Huelle dieses unbestimmten Seins und Etwas, der
Stuetzpunkt, das Schwungbrett, um mit Platon zu reden, fuer diesen Blick des
Geistes, das er nicht entbehren kann. Empfindungen als
Bewusstseinsvorgaenge sind Abstraktionen, als Erkenntnismittel fuer die
Aussenwelt sind sie das urspruenglich Gegebene. Aber auch fuer die hoechsten
Begriffe koennen wir dieses Erkenntnismittel, wie Aristoteles zuerst sieht,
nicht entbehren. Kein Begriff ohne Phantasiebild -- dieser Satz stammt von
ihm. Er will sagen: kein Begriff ohne wieder auflebende Empfindungen, die
als Erkenntnismittel funktionieren. Dem Blick des Geistes, der das den
Empfindungen entsprechende Sein findet oder entdeckt, folgt das
Einleuchten der Zusammengehoerigkeit und diesem die Einsicht in die
Zusammengehoerigkeit. Aber nur von dem ganz unbestimmten Sein und Etwas der
Dinge, das freilich fuer alle Zeit und fuer alle Denkenden gilt, giebt uns
diese Einsicht Kunde, nicht von seiner Beschaffenheit. Etwas Naeheres von
seiner Beschaffenheit, freilich noch unbestimmt genug, erfahren wir nach
dem Einheitsgesetz unsres Erkennens, nach dem alle Wahrheit und damit
alles Wesen der Dinge Gedanke Gottes ist. Hiernach muss dann auch das mit
den Empfindungen zusammengehoerende Sein und Etwas als Gedanke Gottes
gefasst werden. Davon haben wir dann eine mittelbare, eine durch das
Einheitsgesetz vermittelte Erkenntnis.

Wir gehen bei unsrer Beweisfuehrung davon aus, dass nicht bloss unser Leib
sondern auch die Koerperwelt mit unsrem Bewusstsein eine Einheit bilden.
Denn nur unter dieser Voraussetzung scheint eine unmittelbare Erkenntnis
der Koerperwelt aus den Empfindungen und durch sie, wenn auch nur ganz
unbestimmt, als eines Etwas oder Seienden moeglich zu sein. Aber besteht
jene Annahme zu recht? Koennen wir wirklich nicht bloss von einer Einheit
unsres Leibes, sondern auch der Koerperwelt mit unsrem Bewusstsein reden?
Zunaechst unterscheidet das Kind seinen eigenen Leib noch nicht von fremden
Koerpern. Erst die Schmerzgefuehle, welche mit den Angriffen auf den Leib
verbunden sind, machen ihm klar, dass es sich mit dem eigenen Koerper
anders verhaelt als mit fremden Koerpern. Dann steht doch auch der eigene
Koerper mit der ganzen Koerperwelt in einer auf bestaendigem Austausch
beruhenden Verbindung; sie bilden mit einander eine unaufloesliche Einheit,
in dem es kein Leeres und keine Spruenge giebt. (Horror vacui. Natura non
facit saltus.) Natuerlich leugnen wir nicht, dass das Verhaeltnis des
Bewusstseins zu dem, was wir unsren Leib nennen, ein andres ist als zu den
fremden Koerpern. Aber erstens ist dies Verhaeltnis uns unbekannt; zweitens
ist es nicht zu allen Teilen des eigenen Leibes das gleiche, scheint zu
vielen Teilen desselben vielmehr kein engeres zu sein wie zu der uebrigen
Koerperwelt; drittens endlich ist dieses Verhaeltnis, was die Erkenntnis des
eigenen und der fremden Koerper angeht, sicher das gleiche, und bloss in
dieser Hinsicht kommt dieses Verhaeltnis fuer uns hier in Betracht.

Wir fragen endlich, wie weit denn unsre Einsicht bezueglich der Aussenwelt
reicht? Wir antworten: genau so weit, als unsere wirkliche Erkenntnis;
denn diese ist mit der Einsicht ein und dasselbe. Natuerlich gehoert Raum
und Zeit, Substanz und Ursache, nicht minder aber auch Materie und Kraft,
in denen die gleichen irrationalen, dem Denken inkommensurabeln, durch
dasselbe nicht aufzuhellenden Elemente enthalten sind, bloss zu der
Erscheinung der Welt in unsrem Bewusstsein. Abgesehen von den Urteilen
ueber das in diesen Formen Verbundene giebt es keinerlei Einsicht von
ihnen, was natuerlich nicht hindert, dass wir von dem in diesen Formen
Gegebenen, unter ihnen Erfassten eine Einsicht haben. Sehen wir aber von
dieser Erscheinung der Aussenwelt in uns ab, so bleibt kaum etwas anderes
uebrig, als ein unbestimmtes Seiendes, das freilich im Gegensatz zu dieser
Erscheinung objektiv fuer alle Zeit und fuer alle Denkenden gueltig ist, und
in diesem Sinne existiert. Giebt es eine Vielheit von Dingen in der
Aussenwelt, die wir freilich nur nach den sinnfaelligen Eigenschaften ihrer
Erscheinung unterscheiden koennen? Wir werden behaupten muessen, dass wir
davon eine einsichtige Erkenntnis haben, sofern es sich um die grossen
Himmelskoerper einschliesslich unsrer Erde und um die kleinen Menschen-,
Tier- und Pflanzenkoerper handelt, auch bezueglich der Atome der Physiker,
bezueglich der Aggregatzustaende Luft, Wasser, Erde, ferner der Berge,
Fluesse, Thaeler, Meere. Aber was diese vielen Dinge der Natur sind, die wir
nur nach ihrer Erscheinung im Bewusstsein bestimmen und unterscheiden
koennen, insbesondere, wodurch sie sich in Wirklichkeit unterscheiden,
wissen wir nicht. Die Vielheit stellt sich uns ferner als eine gebrochene
Einheit dar. Natuerlich haben wir auch von den Ergebnissen der
beschreibenden Naturwissenschaften, sofern sie wirklich wissenschaftliche
Ergebnisse sind, einsichtige Erkenntnisse, bei denen freilich immer
vorbehalten bleibt, was es mit den Koerpern, von denen sie handeln,
eigentlich auf sich hat, was sie abgesehen von ihrer Erscheinung in unsrem
Bewusstsein sein moegen. Das Gleiche gilt von den Ergebnissen der Chemie,
Astronomie, Physik, Mechanik und zwar in um so hoeherem Grade, je weiter
wir uns in diesen Wissenschaften von den verwickelten Verhaeltnissen des
Einzelwirklichen entfernen, jemehr wir von ihnen abstrahieren. Bis an die
aeusserste Grenze der Abstraktion gehen wir in der Geometrie und
Arithmetik, und daher ruehrt die durchsichtige Klarheit der Saetze dieser
Wissenschaften. Bei der Geometrie bleibt freilich noch der Raum und die
Ausdehnung mit dem in ihnen enthaltenen irrationalen Elemente gleichsam
als Hindernis einer vollkommen uneingeschraenkten Einsicht bestehen, die
wir erst fuer die Saetze der Arithmetik, bei der auch dieses Hindernis in
Fortfall kommt, in Anspruch nehmen koennen.


  Einundzwanzigste Untersuchung.


Ueber die Erkenntnis des eigenen Bewusstseins.

Die Erkenntnis der Aussenwelt ist, wie wir sehen, ueberall durch
unueberschreitbare Schranken eingeengt. Wenn wir von der Existenz der Dinge
und Vorgaenge der Aussenwelt und ebenso der Beziehungen zwischen ihnen auch
eine wirkliche, in der Einsicht bestehende Erkenntnis haben, so bleibt uns
die naehere Beschaffenheit dieser Dinge und ebenso der Vorgaenge doch
verborgen. Wir koennen sie nur nach ihrer Erscheinung in unsrem Bewusstsein
naeher bestimmen, und diese mag fuer ihre Unterscheidung ausreichen, kann
uns aber ueber ihre Beschaffenheit keine Belehrung geben. Der Aussenwelt
steht die Innenwelt unsres Bewusstseins gegenueber. Koennen wir von dieser
Einsichten, Erkenntnisse gewinnen, die umfassender und vertiefter sind,
wie manchmal behauptet wird? Von einer Reihe von Forschern, die sich an
Brentano anschliessen, wird angenommen, dass wir Einsichten ueberhaupt nur
von den Gegenstaenden der innern Wahrnehmung, also von der eigenen
Innenwelt haben koennen, nicht aber von den Gegenstaenden der aeussern
Wahrnehmung, also von der Aussenwelt, sofern sie Gegenstand der aeussern
Wahrnehmung ist.

Jedenfalls ist jeder Bewusstseinsvorgang durch das Merkmal der Bewusstheit
charakterisiert, das man als ein Wissen des Bewusstseinsvorganges um sich
selbst bezeichnen kann. Jeder hat sich selbst zu seinem Inhalte. In diesem
Sinne kann man sagen: jede Vorstellung stellt etwas vor, mag sie richtig
sein oder nicht, und das ist der nicht von ihr verschiedene Inhalt. Dieses
Wissen des Bewusstseinsvorganges um sich selbst muss natuerlich immer wahr
sein: in ihm kann es keinen Irrtum, keine Falschheit geben. Aber es ist
kein eigentliches Wissen, kein namentliches, vorstellungsmaessiges,
begriffliches Wissen. Wir gewinnen durch dasselbe noch keine
Vorstellungen, Begriffe von den Bewusstseinsvorgaengen. Dieses
uneigentliche Wissen ist keine Einsicht, keine Erkenntnis. Aber wir koennen
ueber die Bewusstseinsvorgaenge reflektieren und diese Reflexion, selbst ein
Bewusstseinsvorgang, ist von den Bewusstseinsvorgaengen, die ihren
Gegenstand bilden, verschieden. Durch die Reflexion nun gewinnen wir
zweifellos nicht bloss von der Existenz sondern auch von der
Beschaffenheit der Bewusstseinsvorgaenge eine Einsicht, eine Erkenntnis.
Wir stehen ihnen nicht ratlos gegenueber wie den Dingen und Vorgaengen der
Natur oder muessen uns mit einer ganz unbestimmten Erkenntnis derselben
begnuegen. Wir wissen, was es mit ihnen auf sich hat, wodurch sie sich von
einander unterscheiden auf Grund von Merkmalen, die wir in den
Bewusstseinsvorgaengen selbst finden. Allerdings sind alle unsere
Vorstellungen, die wir von den Bewusstseinsvorgaengen haben, aus dem
sinnlichen Gebiete entlehnte, uebertragene, urspruenglich also sinnliche und
mit Bezug auf die Bewusstseinsvorgaenge nur bildliche Vorstellungen. Wir
beduerfen dieser Kruecken der sinnlichen Vorstellungen bei jedem Schritte,
den unser Denken thut und koennen ihrer nirgends entraten, auch nicht, wenn
es sich um die Erkenntnis unserer Bewusstseinsvorgaenge handelt. Aber wir
wissen sehr wohl zwischen dem urspruenglichen und uebertragenen Sinne dieser
Vorstellungen, z. B. der Vorstellung Vorstellen, zu unterscheiden und
geben ihnen unwillkuerlich bei der Uebertragung auf die Bewusstseinsvorgaenge
eine diesen entsprechende andere Bedeutung. Hier kommt das mit jedem
Bewusstseinsvorgang verbundene, uneigentliche Wissen des
Bewusstseinsvorgangs um sich selbst zur Geltung und verhindert eine
Herabziehung der Bewusstseinsvorgaenge in das sinnliche Gebiet. Die
Empfindungen, insofern sie Erkenntnismittel der Aussenwelt sind und als
solche immer unter Mitwirkung der Sinnesorgane, sei es der aeussern, sei es
bloss der innern, der Gehirnerregungen, funktionieren, gehoeren dem
sinnlichen Gebiete an, ja sie konstituieren dasselbe. Insofern wir aber
bei der Reflexion ueber die Empfindungen von dieser ihrer koerperlichen
Seite absehen, bilden sie, wie alle Bewusstseinsvorgaenge, einen Gegensatz
wie zu allem Koerperlichen, so auch zu allem Sinnlichen. Es ist unrichtig
zu sagen, dass wir von den Bewusstseinsvorgaengen nur Vorstellungen haben
und nicht wissen, was diesen Vorstellungen eigentlich entspricht; von
unsren gegenwaertigen Gefuehlen, gegenwaertigen Wollungen und gar von unsren
gegenwaertigen Vorstellungen sollen wir blosse Vorstellungen haben. Es
leuchtet unmittelbar ein, dass diese Annahme falsch ist, abgesehen von den
widersinnigen Konsequenzen, zu denen sie fuehrt. Muessten wir ja dann auch
von den Vorstellungen unsrer Bewusstseinsvorgaenge nur Vorstellungen haben
und von diesen Vorstellungen wieder nur Vorstellungen und so fort ohne
Ende. Man koennte denken, die Uebertragung der aus dem sinnlichen Gebiete
entlehnten Vorstellungen auf die Bewusstseinsvorgaenge koenne nur in
Urteilen geschehen. Allein diese Urteile setzen das Einleuchten der
Zusammengehoerigkeit der Bewusstseinsvorgaenge mit den Vorstellungen und die
Einsicht in diese Zusammengehoerigkeit voraus, die Uebertragung geht also,
wie der Einsicht und dem Einleuchten, so auch dem Urteil voran, und wir
werden sie dem Blick des Geistes zuschreiben muessen, dem wir die
wesentlichen Merkmale verdanken.

Man kann die Bewusstseinsvorgaenge isolieren, wie wir das thun, wenn wir
sie durch uebertragene Vorstellungen naeher bestimmen. Das ist ein
abstraktes Verfahren, welches zu diesem Zwecke angewendet werden kann und
in der Psychologie gute Dienste thut. Aber man darf nicht glauben, dass
die Bewusstseinsvorgaenge in Wirklichkeit auch isoliert von einander sind.
Sie liegen nicht nebeneinander wie die Atome eines Koerpers, haben vielmehr
einen uebergreifenden, die gleichzeitigen und sogar auch die vorangehenden
Bewusstseinsvorgaenge mit umfassenden Charakter. Ohne dieses Uebergreifen
ist das Zustandekommen des Sinnenbildes der Ausdehnung, in dem die
gleichzeitigen Empfindungen, und des Sinnenbildes der Bewegung, in dem die
aufeinanderfolgenden Empfindungen in bewusster Weise zusammenhaengen oder
einen bewussten Zusammenhang bilden, nicht zu erklaeren. Die den einzelnen
Bewusstseinsvorgaengen eigentuemliche Bewusstheit oder das Wissen um sich
selbst greift hier auch auf die andern gleichzeitigen oder vorausgehenden
und nachfolgenden Empfindungen hinueber. Das, was wir Einheit des
Bewusstseins nennen, vermoege deren wir von _unsrem_ Bewusstsein reden und
dieses den fremden Bewusstseinen gegenueberstellen, hat hierin seinen
Grund. Es ist zu beachten wichtig, dass wir nicht bloss eine wirkliche
Einsicht und Erkenntnis von der Existenz und Beschaffenheit der
Bewusstseinsvorgaenge haben, sondern ebenso auch von ihrer Zugehoerigkeit zu
unsrem Bewusstsein, oder dass sie unsere Bewusstseinsvorgaenge sind. Auch
von dem besonderen Zusammenhange zwischen Vorstellungen und Gefuehlen,
Gefuehlen und Wollungen, zwischen Ueberlegung, Entschluss, Vorsatz,
Ausfuehrung -- mag uns die Art dieses Zusammenhangs auch dunkel bleiben --
haben wir eine Einsicht, eine wirkliche Erkenntnis, also wenigstens davon,
dass dieser Zusammenhang besteht. Wir wissen, was wir beabsichtigen, und
wann wir ohne Absicht handeln und darum fuer den Erfolg unserer Handlungen
entweder gar nicht oder nicht voellig verantwortlich sind, und dieses
Wissen beruht auf einer Einsicht und Erkenntnis. Das Gefuehl der Reue und
der Verantwortung und ihr Gegenteil hat darin seinen Grund.

Giebt es auf Einsicht beruhende Erinnerungen, sind Erinnerungen wirkliche
Erkenntnisse? Zweifellos koennen sie das sein und sind es in Wirklichkeit
oft genug. Eigentlich koennen wir uns nicht an Dinge und Vorgaenge, sondern
nur an unsere Wahrnehmung der Dinge und Vorgaenge erinnern. Die Erinnerung
ist ein Wissen der Zusammengehoerigkeit eines vergangenen
Bewusstseinsvorganges mit dem gegenwaertigen, daher seiner Zugehoerigkeit zu
unsrem Bewusstsein. Dass uns diese Eigentuemlichkeit der Erinnerung bei der
Erinnerung selbst weniger zum Bewusstsein kommt, hat seinen Grund darin,
dass wir bei den Erinnerungen uns ganz in die Zeit des vergangenen
Vorgangs versetzen und mit unsrem Denken nur bei ihm verweilen; aehnlich
wie wir bei der Wahrnehmung uns an den Ort des Gegenstandes versetzen. Das
ist auch der Grund, warum wir nicht leicht von einer Einsicht sprechen
weder bei der Erinnerung noch bei der Wahrnehmung. Die Einsicht setzt
immer zwei Glieder voraus, deren Zusammengehoerigkeit uns einleuchtet. Bei
dieser Versetzung in die Zeit des erinnerten und an den Ort des
wahrgenommenen Gegenstandes scheint aber immer nur ein Glied vorhanden zu
sein. Kommen wir aber auf dem Wege der Reflexion dazu, die Erscheinung des
Dinges in unsrem Bewusstsein von dem wahrgenommenen Dinge selbst oder den
gegenwaertigen Erinnerungsakt von dem vergangenen erinnerten
Bewusstseinsvorgang zu unterscheiden, so leuchtet uns die
Zusammengehoerigkeit beider ein, und wir begreifen, dass wir auch bei der
Wahrnehmung und Erinnerung von einer Einsicht sprechen muessen. Sehen wir
unter dieser Voraussetzung ab von der Bedeutung der Zeit, der
Vergangenheit in ihrem Verhaeltnis zur Gegenwart, die wir nicht kennen,
sehen wir ferner ab von Ausdehnung, Bewegung, Raum, Substanz, die nur die
Erscheinung der Dinge und Vorgaenge im Bewusstsein ausmachen koennen (falls
bei der Erinnerung auch aeussere Dinge und Vorgaenge, sofern sie
wahrgenommen wurden, in Frage kommen), so kann es keinem Zweifel
unterliegen, dass es Erinnerungen giebt, die in einer Einsicht oder
wirklichen Erkenntnis bestehen. Die ganz klaren und deutlichen sind von
dieser Art. Wer kann leugnen, dass er eine auf Einsicht beruhende
Gewissheit davon hat, heute Morgen aufgestanden zu sein, einen Spaziergang
gemacht zu haben, auf demselben jemand getroffen oder gesprochen zu haben,
von Kummer erfuellt gewesen zu sein beim Tode eines Angehoerigen, beim
Verlust eines Vermoegens usw.? Sogar darueber, ob unsere Erinnerung ungenau,
lueckenhaft, verschwommen ist, koennen wir unter Umstaenden eine auf Einsicht
beruhende Gewissheit haben. Ist das Gedaechtnisbild von einem frueheren
Bewusstseinsvorgang von dieser Beschaffenheit, so werden die mit dem
frueheren Bewusstseinsvorgang verbundenen Gefuehle auch nur zum Teil in
lueckenhafter, verwischter Weise wieder aufleben. Das hat eine Spannung,
ein Unbehagen zur Folge, worin wir etwa den psychologischen
Anknuepfungspunkt fuer das Einleuchten der Nichtzusammengehoerigkeit, (die in
diesem Falle als Nichtangemessenheit bestimmt werden muss) des
Gedaechtnisbildes mit dem Bewusstseinsvorgang erblicken koennen, der die
Einsicht in diese Nichtzusammengehoerigkeit folgt.

So sicher es aber auch ist, dass wir Erinnerungen haben, die in Einsichten
bestehen und also wirkliche Erkenntnisse sind, so sind die bei der
Erinnerung gewonnenen Einsichten doch mancherlei Einschraenkungen
unterworfen, und wir muessen ihnen gegenueber mancherlei Vorbehalte machen.
Noch mehr ist das der Fall, wenn wir von der Erkenntnis unseres Ich
sprechen. Wie jeder Bewusstseinsvorgang ein Wissen, freilich ein
uneigentliches Wissen von sich selbst hat, das wir seine Bewusstheit
nennen, so hat auch das, was wir unser Ich, unser Selbst nennen, ein
Bewusstsein von sich. Wir haben ein Ich-Bewusstsein, ein
Selbst-Bewusstsein, die Zusammengehoerigkeit unsres Ich, unsres Selbst mit
diesem Bewusstsein von sich leuchtet uns unmittelbar ein; davon haben wir
eine Einsicht, eine Erkenntnis, eine unmittelbare Einsicht, die jeden
Zweifel ausschliesst. Wenn Hume behauptet, dass er in sich jederzeit nur
ein Buendel von Vorstellungen findet, so hat er eben vergessen, dass dazu
ein Vorfinder, eben das Ich, erforderlich ist. Aber was ist dieses Ich,
dieses Selbst? Das ist eine andere Frage. Und hier fehlt uns offenbar die
Einsicht oder Erkenntnis. Sicher ist es nicht unser Koerper oder einer
seiner Teile, die Augen, die Ohren, die wir, auch abgesehen von ihrer
Erscheinung in unsrem Bewusstsein, unterscheiden muessen, obgleich das Wort
Ich lange Zeit hindurch von unsren Kindern und von vielen Erwachsenen ihr
Leben hindurch nur oder fast nur von ihrem Leibe verstanden wird, also von
dem leiblichen Ich; obgleich ferner das Ich von dem, was dem Leibe,
abgesehen von seiner Erscheinung im Bewusstsein, entspricht, nicht
getrennt werden kann, soll es nicht zu einem blossen Abstraktum werden.
Ohne dieses, dem sinnlich erscheinenden Leib Entsprechende ist ja kein
Bewusstsein denkbar, und ohne Annahme des Bewusstseins koennen wir auch von
keinem Ich reden. Sicher ist es ferner keine Substanz, die nur zur
Erscheinungsform der koerperlichen Dinge gehoeren kann. Auch mit dem
Selbst-Bewusstsein oder Ich-Bewusstsein, das nur sein Merkmal bildet, kann
das Ich und Selbst nicht verselbigt werden. Es ist der Ausdruck fuer die
Zusammengehoerigkeit der Bewusstseinsvorgaenge zu Einem Bewusstsein, aber
doch kein blosses Wort; vielleicht ist es das Band dieser
Zusammengehoerigkeit, das sich ebenso zu der Gesamtheit der
Bewusstseinsvorgaenge verhaelt wie der Eine Denkende zum Reich der Wahrheit.
Hier sind wir auf blosse Vermutungen angewiesen, es fehlt uns jede
Einsicht und damit die wirkliche Erkenntnis. Wenn wir urteilen: ich freue
mich, ich bin traurig, ich stelle mir vor, so haben wir zweifellos eine
Einsicht und wirkliche Erkenntnis von der Zusammengehoerigkeit unsrer
Bewusstseinsvorgaenge mit dem Ich- oder Selbstbewusstsein, von ihrer
Zugehoerigkeit zu unsrem Bewusstsein, diese leuchtet uns unmittelbar ein.
Aber vorbehalten bleibt, was es mit dem Ich und Selbst auf sich hat.

Wir sehen, nicht bloss fuer die Erkenntnis der Aussenwelt, auch fuer die
Erkenntnis unsrer eignen Innenwelt giebt es unuebersteigliche oder
wenigstens bis jetzt nicht ueberwundene Schranken; auch hier muessen wir
Vorbehalte machen, wenn wir von Einsicht und wirklicher Erkenntnis reden
wollen. Freilich besteht, was die Erkenntnis der Aussenwelt und die unsrer
eigenen Innenwelt angeht, ein wesentlicher Unterschied. Sehen wir vom Ich
ab, so wissen wir doch, was wir unter Haenden haben, wenn wir uns mit den
Bewusstseinsvorgaengen beschaeftigen; wir kennen ihre Merkmale und koennen
sie danach von einander unterscheiden, waehrend wir von den Dingen und
Vorgaengen der Natur in der That nicht wissen, was sie sind, und sie
lediglich nach ihrer Erscheinung in unsrem Bewusstsein von einander
unterscheiden koennen. Bei den Bewusstseinsvorgaengen faellt natuerlich ihre
Erscheinung im Bewusstsein mit ihnen selbst zusammen. Denn diese ihre
Erscheinung im Bewusstsein ist nichts anderes als das mit ihnen verbundene
Wissen von sich selbst, das wir ihre Bewusstheit nennen. Die Reflexion ist
nur eine Wiederholung dieses mit jedem Bewusstseinsvorgange verbundenen
Wissens von sich selbst.


  Zweiundzwanzigste Untersuchung.


Weitere Schranken unseres Erkennens.

Eine Schranke unsrer Erkenntnis, der Innen- und Aussenwelt, haben wir
bisher absichtlich unerwaehnt gelassen. Wir erkennen das Wesen der Dinge
und Vorgaenge der Natur wie der Vorgaenge unsres Bewusstseins, ihre
Wahrheit, erst dann, wenn wir ihre Stellung in dem System aller Wahrheit
erfasst haben. Davon sind wir aber mit all den eroerterten Einsichten und
Erkenntnissen noch weit entfernt. Wir gewinnen mit ihnen sozusagen nur die
Glieder dieses Systems. Ueber ihren Zusammenhang innerhalb desselben, auf
den doch alles ankommt, bleiben wir voellig im Dunkeln. Das ist die letzte,
hoechste, eine allgemeine Schranke unserer Erkenntnis, die sowohl fuer die
Erkenntnis der Aussenwelt wie fuer die Erkenntnis der Innenwelt gilt.
Weitere, naeher liegende, ebenfalls allgemeine Schranken unsrer Erkenntnis
beduerfen einer besondren Eroerterung.

Wir bezeichnen gewoehnlich als unser Wissen alles das, von dem wir eine
Gewissheit haben. Die Gewissheit verbindet sich aber auch oft genug mit
einem blinden Dafuerhalten und ist in diesem Falle ohne vernuenftigen Grund.
Wenn wir die zahlreichen Quellen des blinden Dafuerhaltens ins Auge fassen,
wenn wir insbesondere erwaegen, wie oft unsre Zuneigungen und Abneigungen,
unsre Interessen auf unsre Ueberzeugungen einen massgebenden und
bestimmenden Einfluss ausueben, wie oft nach dem Sprichwort der Wunsch der
Vater des Gedankens ist, werden wir kaum zweifeln koennen, dass die Zahl
der auf blindem Dafuerhalten beruhenden und darum des Charakters der
Vernuenftigkeit entbehrenden Wissensinhalte sehr gross ist und kaum
ueberschaetzt werden kann. Diese Wissensinhalte koennen natuerlich nicht als
Erkenntnisse im eigentlichen Sinne gelten.

Von den Erkenntnissen im eigentlichen Sinne muessen ferner die sogenannten
Kenntnisse, die auf einer blossen Kenntnisnahme, auf einem blossen
Kennenlernen beruhen, sorgfaeltig unterschieden werden. Sie bilden die
unuebersehbar grosse Gruppe der associativen Wissensinhalte, bei denen
ebenfalls in keiner Weise von einer Einsicht die Rede sein kann. Wir haben
Gesichtsempfindungen von den Dingen; mit ihnen zusammen treten die
Gehoersempfindungen oder Gehoersvorstellungen von den auf diese Dinge
angewendeten Worten auf; sie associieren sich mit den ersteren und werden
gelegentlich, wenn sich die Gesichtsempfindungen wiederholen,
reproduziert. Wir sagen dann, das Ding heisst so und so. Das ist natuerlich
ein lediglich associatives Wissen, ohne alle Einsicht. Alles Namen- und
Wortwissen in der eigenen und fremden Sprache, alle Benennungsurteile sind
von dieser Art, da die Namen und Worte nur willkuerliche Zeichen sind fuer
das, was sie bedeuten. Nicht bloss mit den Worten steht es so, es ist
vielfach nicht anders mit den Sachen. Wie selten haben wir
verhaeltnismaessig eine Einsicht in den Zusammenhang der Teile, aus denen
wir die Dinge zusammensetzen, der Eigenschaften, die wir ihnen beilegen,
des Geschehens in Natur und Geschichte, wenigstens wenn wir ueber die
naechsten Zusammenhaenge bei diesem Geschehen hinausgehen wollen. Die
Wissenschaft stellt sich die Aufgabe, diese Zusammenhaenge darzulegen,
oder, was dasselbe ist, die Gesetze fuer dieselben zu finden. Aber wie weit
ist sie von der Loesung dieser ihrer Aufgabe entfernt. Sehr oft haben diese
Zusammenhaenge fuer uns nur den Charakter des zufaellig Verbundenen oder des
Zusammengeratenen, von dem es nur ein associatives Wissen geben kann, weil
das Bewusstsein der Zusammengehoerigkeit und damit die Einsicht fehlt.

Es ist endlich klar, wenn wir auf Grund einer geringeren oder groesseren
Zahl von Einzelfaellen einen allgemeinen Satz aufstellen, wenn wir mit
andren Worten einen Induktionsschluss ziehen, so hat dieser Satz, je nach
der Zahl der Faelle, eine groessere oder geringere Wahrscheinlichkeit, aber
von dieser Wahrscheinlichkeit haben wir doch eine Einsicht, eine wirkliche
Erkenntnis, eine Einsicht in seine Wahrscheinlichkeit.


  Dreiundzwanzigste Untersuchung.


Erkenntnis der Innenwelt andrer.

Wir haben gesehen, wie wir zur Erkenntnis unserer eigenen Innenwelt
gelangen und welche Schranken fuer diese Erkenntnis vorhanden sind. Aber
wie steht es mit unserer Erkenntnis der Innenwelt andrer? Haben wir eine
auf Einsicht beruhende wirkliche Erkenntnis von fremden Bewusstseinen?
Allgemein wird jetzt angenommen, dass diese Erkenntnisse, wenn es
wirkliche Erkenntnisse sind, auf dem Wege des Analogieschlusses zustande
kommen. Mit unsren Bewusstseinsvorgaengen sind Ausdrucksbewegungen, z. B.
Lachen und Weinen mit Freude und Trauer, ausserdem Mienen, Gebaerden als
Zeichen bestimmter Gefuehle, Worte als Zeichen bestimmter Gedanken
verbunden. Nehmen wir diese nun an andren wahr, so schliessen wir, dass
auch bei ihnen die gleichen Bewusstseinsvorgaenge vorhanden sein muessen.
Sollte wirklich alle Erkenntnis fremder Bewusstseine auf diesem Wege
zustande kommen? Sollte beispielsweise das Kind die Freude, die Trauer,
den Zorn und Unwillen der Mutter, ihre Liebe, ihren Beifall nur auf diesem
Wege kennen lernen? Ist das Kind, wenn es anfaengt in dieser Weise in das
Bewusstsein der Mutter Blicke zu thun, wohl imstande, die mit seinen
Bewusstseinsvorgaengen verbundenen Ausdrucksbewegungen, insbesondere seine
mit ihnen verbundenen Mienen, die fast ausschliesslich in Betracht kommen,
genau zu kennen, um sie mit den Mienen der Mutter vergleichen und daraus
bei der Mutter auf aehnliche Bewusstseinsvorgaenge schliessen zu koennen? Das
scheint den Beobachtungen, die wir am Kinde machen koennen, durchaus zu
widersprechen. Aber auch soweit wir Erwachsene fremde Bewusstseine
erkennen, spielt dieser schwerfaellige Analogieschluss, wie die Reflexion
deutlich lehrt, keine Rolle. Unsre Erkenntnis der fremden Bewusstseine
giebt sich uns als eine unmittelbare kund und, wie es scheint, kann sie
auch beim Kinde keine andere sein.

Aber wie ist das moeglich? Der blosse Anblick der Bewegung eines andren,
z. B. beim Stossen einer Billardkugel, beim Springen ueber einen Graben,
erzeugt in uns, wenn nicht die gleiche Bewegung, so doch den Ansatz dazu.
Aehnlich kann man beobachten, dass die Gefuehlsaeusserungen eine ansteckende
Wirkung ausueben. Begegnen wir finstern Mienen, so verduestert sich auch
unwillkuerlich unsere eigene Miene. Wo alles lacht, muessen auch wir lachen;
wo alles weint, koennen wir uns des Weinens nicht enthalten, und wenn wir
auch nicht wirklich mitlachen oder mitweinen sollten, so werden wir doch
froehlich oder traurig gestimmt. So lange wir Kinder sind und noch nicht
gelernt haben, unsren Gefuehlsaeusserungen Zuegel anzulegen, werden wir nicht
bloss froehlich mit den Froehlichen und traurig mit den Traurigen; wir
lachen wirklich mit den einen und weinen mit den andren. Das ist die
Regel. Natuerlich giebt es Ausnahmen, bei Kindern sowohl als bei
Erwachsenen, wenn sie sehr egoistische, sehr gefuehllose Naturen sind. Das
Merkwuerdige hierbei ist nur, dass die ansteckende Wirkung nicht bloss bei
den Gefuehlsaeusserungen stehen bleibt, sondern sofort auch, und wie es
wenigstens bei den Erwachsenen scheint, mit groesserer Sicherheit auf die
Gefuehle selbst uebergeht. Nehmen wir nun an, dass wir von unsren
Mitmenschen nach ihrer leiblichen Erscheinung bereits eine Erkenntnis
gewonnen haben, ist es dann nicht natuerlich, dass wir in diesen uns
aufgedraengten Gefuehlen und sonstigen Bewusstseinsvorgaengen ihre eigenen
erblicken, dass die Zusammengehoerigkeit dieser ihrer Bewusstseinsvorgaenge
mit ihrer leiblichen Erscheinung sich uns aufdraengt, uns unmittelbar
einleuchtet und wir so eine unmittelbare Einsicht, eine unmittelbare
wirkliche Erkenntnis von dieser Zusammengehoerigkeit und damit von den
fremden Bewusstseinen gewinnen? So erklaert sich denn die allbekannte
Erscheinung von der unwillkuerlich in unsren Kindern auftretenden Abneigung
gegen Personen, die Kinder nicht leiden koennen oder die von schlechter
Gemuetsart sind. Das Gefuehl der Abneigung gegen Kinder, gegen alle Menschen
ueberhaupt, teilt sich den Kindern mit, und in diesem Gefuehle lesen sie
gleichsam unmittelbar in der Seele des andren und sehen, was in ihr
vorgeht. Ich brauche nicht zu bemerken, dass diese Erscheinung zu den
Erfahrungen gehoert, die wir taeglich an uns selbst machen koennen und die
somit als eine allgemein menschliche Erscheinung betrachtet werden muss,
mithin auch fuer das Leben der Erwachsenen gilt. Die Unmittelbarkeit der
Erkenntnis der fremden Bewusstseine hat im Grunde nichts Auffaelliges. Das
Gegenteil ist nur scheinbar natuerlicher; der Raum, der uns anscheinend von
dem fremden Bewusstsein trennt, gehoert selbstverstaendlich nur unserer
Vorstellung an. Eine actio in distans, Einwirkung aus der Ferne muss nach
dem jetzigen Stande der Naturwissenschaft sogar fuer die Koerperwelt
angenommen werden, wenigstens so lange, als noch nicht nachgewiesen ist,
dass die Gravitation zu ihrer Wirkung Zeit braucht; bis jetzt gilt diese
Wirkung als eine unzeitliche oder zeitlose. Von der actio in distans der
Koerper bis zum immediatum commercium animarum ist nur ein Schritt.

Freilich hat die Erkenntnis anderer, insbesondere ihres Innern, auch ihre
Schranken. Schon Aristoteles und Locke sagen, dass wir nicht wissen
koennen, ob die Empfindungen etwa von rot und gruen, die wir beim Anblick
von Blut und Gras haben, bei andren die gleichen und nicht vielmehr die
umgekehrten sind, so dass ihnen beim Gras die Empfindung gegenwaertig ist,
die wir beim Blut haben, und umgekehrt. Da wir alle von Jugend an gelernt
haben, das Gras gruen und das Blut rot zu nennen, so wuerden natuerlich die
sprachlichen Bezeichnungen die gleichen bleiben. Da ferner fuer unsre
Erkenntnis andrer, so unmittelbar sie ist, doch ihre Gefuehlsaeusserungen
massgebend sind, so muss natuerlich immer vorausgesetzt werden, dass diese
Gefuehlsaeusserungen natuerliche sind und nicht etwa kuenstlich zum Zweck der
Verstellung oder der schauspielerischen Darstellung hervorgebracht werden.
Pestalozzi betont, dass darueber, ob eine Handlung aus selbstlosen oder
selbstsuechtigen Motiven hervorgeht, ob sie mit andren Worten sittlich oder
unsittlich ist, nur jeder bei sich selbst urteilen kann. Natuerlich gilt
das Gleiche auch davon, ob neben dem negativen Moment der Selbstlosigkeit
auch das positive Moment der rueckhaltlosen Hingabe an Gott, des
persoenlichen Verhaeltnisses zu ihm, worin das Wesen der Religiositaet
besteht, fuer das Zustandekommen der Handlung bestimmend war. Obgleich sich
das nun nicht bestreiten laesst, so ist doch anderseits auch nicht zu
leugnen, dass wir auf Grund von Erfahrungen, die wir an uns und an andren
machen, andren mehr Vertrauen schenken koennen und muessen als uns selbst,
andere fuer ehrlicher, uneigennuetziger, hingebender, opferwilliger halten
muessen als uns selbst. In Bezug auf mich selbst bin ich doch eben wegen
meiner Eigenliebe, die zum Selbstbeschoenigen und Selbstbetruegen fuehrt,
viel mehr der Taeuschung ausgesetzt, als in Bezug auf andere. Abgesehen
davon ist das in Wort und That vorliegende Leben des Einzelnen ebenso
Ausdruck seines Innern wie die Gefuehlsaeusserungen, und wenn wir hier das
Natuerliche, Nichtkuenstliche und Nichtverstellte von seinem Gegenteil
unterscheiden koennen, muss das auch dort gelten. Ist aber dies der Fall,
dann kann sich mit der Erkenntnis der Lebensfuehrung des Einzelnen, wie sie
sich aeusserlich kundgiebt, auch die Vorstellung der Sittlichkeit, der
Religiositaet verbinden und die Zugehoerigkeit dieser innern Vorzuege zu ihr
uns einleuchten, sodass wir nun auch von diesem Leben nach seiner innern
sittlich religioesen Seite eine Einsicht und wirkliche Erkenntnis haben
koennen. Oft macht das Leben eines Menschen auf uns einen so
ueberwaeltigenden Eindruck, dass wir bezueglich der Lauterkeit und Reinheit
seiner Gesinnung eine durch nichts zu erschuetternde Ueberzeugung gewinnen
und uns sagen muessen und wirklich sagen, dass, wenn hier keine Einsicht
vorhanden ist, es ueberhaupt keine Einsicht giebt. Es ist merkwuerdig, dass
die solchen seltenen Menschen Nahestehenden und mit ihnen Umgehenden trotz
der entgegengesetzten Erfahrung, die sie an sich selbst und an andren
machen, in diesem ihre Einsicht betreffenden Urteil uebereinstimmen, auch
wenn der sogenannte Verehrungssinn in ihnen wenig oder gar nicht
entwickelt ist. Natuerlich sind wir bei dieser auf Einsicht
zurueckzufuehrenden Erkenntnis des Innern andrer auch auf ihre Worte als
ungewollte und unbeabsichtigte Selbstbeurteilungen angewiesen, also auch
auf die Mitteilungen andrer. Ob und inwiefern wir bezueglich der
Mitteilungen andrer auch von wirklichen Erkenntnissen oder Einsichten
reden koennen, darueber bedarf es einer besondren Untersuchung, der wir den
Titel Geschichtliche Erkenntnisse geben, da die geschichtlichen
Mitteilungen unter den Mitteilungen andrer die erste Stelle einnehmen.


  Vierundzwanzigste Untersuchung.


Geschichtliche Erkenntnisse.

Den Mitteilungen andrer gegenueber sind wir gewohnt, von einem Dafuerhalten
zu reden, das wir mit dem geringschaetzigen Namen Glauben bezeichnen und
insofern dem Wissen als etwas Minderwertiges gegenueberstellen. Wir
vergessen dabei gewoehnlich, dass unser ganzes Gerichtsverfahren, auch wenn
es sich bei ihm um Leben und Tod handelt, auf Zeugenaussagen, also auf
einem Glauben in diesem Sinne beruht, und dass das Leben in der Familie,
in der Gesellschaft, im Staate, jeder Verkehr mit unsresgleichen ohne ihn
unmoeglich wuerde. Sicher ist, dass blosse Mitteilungen an sich genommen
keine Einsichten sind, wenigstens nicht fuer diejenigen, denen die
Mitteilungen gemacht werden. Mitgeteilte Urteile sind zunaechst noch keine
von uns gefaellten Urteile, bei denen die Zugehoerigkeit des Praedikates zum
Subjekt uns einleuchtet. Aber wir haben gesehen, wie unuebersehbar gross
die Wissensinhalte sind, die wir uns selbst verdanken und bei denen
ebenfalls von einem solchen Einleuchten keine Rede sein kann. Wir
bezeichneten diese Wissensinhalte als Kenntnisse und unterschieden sie von
den Erkenntnissen. Mit diesen Kenntnissen stehen die Mitteilungen zunaechst
auf einer Stufe. Aber ebenso wie die blossen Kenntnisse koennen auch sie
unter Umstaenden zu Einsichten oder Erkenntnissen erhoben werden. Es ist
also insofern kein Grund vorhanden, sie den Wissensinhalten gegenueber, die
wir uns selbst verdanken und die blosse Kenntnisse sind, fuer minderwertig
zu halten.

Sicher ist ferner, dass wir bezueglich der mitgeteilten Urteile sehr haeufig
nicht zu einer unmittelbaren Einsicht in die Zusammengehoerigkeit des
Praedikats mit dem Subjekte gelangen koennen, uns vielmehr mit der Einsicht,
dass der Mitteilende die Wahrheit sagen kann und sagen will, begnuegen
muessen, und dass wir erst hieraus auf die Zusammengehoerigkeit des
Praedikats mit dem Subjekte schliessen koennen. Aber auch von den
Wissensinhalten, die wir uns selbst verdanken und die zunaechst blosse
Kenntnisse sind, gilt, dass wir sehr oft nur eine mittelbare Einsicht von
ihnen gewinnen und sie nur durch diese mittelbare Einsicht zu eigentlichen
Erkenntnissen erheben koennen. Wenn wir eine wirkliche Einsicht gewinnen,
ist es in der That nicht von Bedeutung, ob dieselbe mittelbar oder
unmittelbar ist, ebenso wenig, ob sie eine aeussere ist, vermittelt durch
Einsicht in die Faehigkeiten und Gesinnungen der Mitteilenden, oder eine
innere, vermittelt durch Einsicht in Saetze, die von selbst einleuchten.
Auch die aeussere mittelbare Einsicht fuehrt in letzter Instanz auf Saetze
zurueck, die durch sich selbst einleuchtend sind. Ich moechte deshalb
vorschlagen, die im Deutschen (im Englischen hat sowohl believe
dafuerhalten, als faith Glauben im religioesen Sinne eine ganz andere
Bedeutung) uebliche Unterscheidung des Glaubens von dem Wissen fallen zu
lassen und an ihre Stelle die andere von Wissensinhalten, die wir uns
selbst und die wir andren verdanken, zu setzen. Es ist dies die bei den
Englaendern uebliche Unterscheidung zwischen Kenntnissen erster und zweiter
Hand. Das Wort Glaube bleibt besser wie das englische faith auf seine
religioese Bedeutung beschraenkt.

Ueberblicken wir nun einmal das unermesslich grosse Gebiet der
Wissensinhalte, die wir andren verdanken, oder der Kenntnisse zweiter
Hand, gegenueber der kleinen Zahl von Wissensinhalten, die wir uns selbst
verdanken, oder der Kenntnisse erster Hand, und erwaegen wir die
Konsequenzen, zu denen es fuehrt, wenn wir die erstren als minderwertig
gegenueber den letztren betrachten wollen! Man bedenke, die ganze
Geschichte, die Geographie fremder Laender und Voelker, die wir nicht selbst
gesehen, die Reisebeschreibungen und Naturbeschreibungen von Gegenstaenden
und Dingen, die wir nicht selbst erforschten, die Geschichte der
Wissenschaften, auch die Lehren der Biologie, Chemie und Physik, selbst
der Mathematik, die wir nicht nachgeprueft haben -- und welcher Fachmann
waere im Stande, alles vor ihm Erforschte nachzupruefen? -- alles das sind
Kenntnisse zweiter Hand, deren Wahrheit wir nur mittelbar erkennen, sofern
wir auf sie aus der Einsicht, dass die uns diese Kenntnisse Mitteilenden
die Wahrheit wussten und auch sagen wollten, schliessen. Koennen wir diese
saemtlichen Wissensinhalte, weil wir sie der Mitteilung andrer verdanken,
fuer minderwertiger halten als die geringe Zahl der durch eigene Thaetigkeit
gewonnenen Wissensinhalte, die doch groesstenteils auch nur Kenntnisse sind
und insofern mit ihnen auf einer Stufe stehen? Oder doch fuer
minderwertiger als diejenigen unter ihnen, welche eigentliche Erkenntnisse
sind, insbesondere als die Begriffsurteile der Arithmetik, der Logik, der
Metaphysik und die diesen Begriffsurteilen sich naehernden, freilich nicht
ohne Vorbehalt als Erkenntnisse zu betrachtenden allgemeinen Lehrsaetze der
Geometrie, Astronomie, Physik, Mechanik? Wegen der allgemeinen
Anwendbarkeit der Begriffsurteile und dieser sich ihnen naehernden
Lehrsaetze ist ihr Nutzen fuer den Aufbau der Wissenschaften nicht hoch
genug anzuschlagen, und insofern moegen sie hoeherwertig sein als die
einfachen Thatsachenurteile. Aber der Erkenntniswert der Begriffsurteile
ist offenbar nicht groesser als der der Thatsachenurteile. Hier wie dort
besteht er in dem Einleuchten der Zusammengehoerigkeit und der Einsicht in
dieselbe, was beides bei Thatsachen ebensowohl vorhanden sein kann als bei
Begriffen. Ausserdem hat die Wahrheit der Thatsachenurteile ebenso einen
ueberzeitlichen Charakter wie die Wahrheit der Begriffsurteile. Die meisten
der auf Mitteilung beruhenden Urteile, ausser denen, die zu den
erklaerenden Naturwissenschaften und zur Mathematik gehoeren, sind solche
Thatsachenurteile; die geschichtlichen Wissenschaften bestehen fast
lediglich aus ihnen.

Es ist wichtig zu beachten, dass den geschichtlichen Thatsachen, die wir
saemtlich der Mitteilung andrer verdanken, kein geringerer, im Gegenteil
sicher ein hoeherer Erkenntniswert zukommt als, ganz allgemein gesprochen,
den Wissensinhalten der Naturwissenschaften, von denen wir viele durch
unsere eigene Beobachtung gewinnen und die wir, wenn sie durch Beobachtung
andrer gewonnen wurden, nachpruefen koennen, die ferner wegen ihrer
groesseren Einfachheit eher die Herstellung gesetzlicher, den
Begriffsurteilen sich naehernder Zusammenhaenge ermoeglichen. Wir haben
gesehen, dass sich uns die Natur als eine gebrochene Einheit, nicht als
eine wahre Vielheit darstellt; damit haengt zusammen, dass das Einzelne in
der Natur nur als Beispiel einer Gattung und Art und nicht als solches
Bedeutung hat. Den Botaniker interessiert dieses bestimmte Exemplar einer
viola tricolor nur als Beispiel der Art. Ganz anders in der Geschichte.
Die geschichtlichen Personen bilden eine wirkliche Vielheit. Jede einzelne
hat ihren Wert, ist sozusagen eine Gattung, eine Art fuer sich. Eben darum
stellen die geschichtlichen Thatsachen dem Erkennen eine viel schwerer zu
bewaeltigende Aufgabe als die Naturthatsachen; sie bieten dem Erkennen zu
gleicher Zeit aber auch einen Reichtum und eine Lebensfuelle, hinter der
die reichste und lebensvollste Ausstattung der Naturgestalten
zurueckbleibt. Die Geschichte ist die Quelle von Gedanken, welche uns der
Loesung des Raetsels des Weltgeschehens naeher bringen, waehrend die Natur
unsren Fragen gegenueber verstummt. Von dem Koerperlichen, dem eigentlichen
Gegenstande der Naturwissenschaft, wissen wir strenggenommen nicht, was es
ist; von den Triebfedern und Beweggruenden menschlicher Handlungen, die
sich uns als die Hebel der geschichtlichen Entwicklung darstellen, haben
wir eine eigentliche, in einer Einsicht bestehende Erkenntnis. Ausserdem
ist das Koerperliche sicher dem fuer die Geschichte massgebenden und
bestimmenden Geistigen untergeordnet und hat in ihm seinen Zweck. Was
haben beispielsweise die freilich bloss hypothetisch angenommenen
Aetherschwingungen und die wirklich zu konstatierenden Luftschwingungen
sonst fuer einen Zweck, als in unserem Bewusstsein die Farben und die Toene
zu erzeugen und damit den Kuensten der Malerei und Musik zur Geburt zu
verhelfen? Es giebt einen der Natur innewohnenden Zweckzusammenhang, der
in der Ermoeglichung und Herausbildung des Bewusstseins, vor allem des
menschlichen Bewusstseins, seine Spitze hat und in ihm, wie es scheint,
seinen Abschluss findet. Es scheint nicht richtig, die Natur als Gegensatz
zum Geiste zu betrachten; vielmehr stellt sie sich uns dar als eine
Stufenleiter zum Geiste, der uns nicht bloss in unsrem Bewusstsein sondern
mehr noch in der Geschichte offenbar wird. Man koennte sagen, die Natur
oder Koerperwelt sei fuer uns, die wir allein das Bewusstsein seiner
Beschaffenheit nach kennen, das Nichtbewusstsein, also Gegensatz des
Bewusstseins. Allein das ist nur ein andrer Ausdruck fuer unser
Nichtwissen. Eher kann man sagen, das Niedere sei um des Hoeheren willen,
also in letzter Instanz alles fuer das Bewusstsein da. Herausbildung des
Nervensystems als Bedingung der Empfindung, des Bewegungssystems als
Werkzeug des Willens -- das scheint der ganze Zweck des tierischen und
menschlichen Koerpers zu sein. Wofuer waere die Farbenpracht, der
Formenreichtum der Pflanzenwelt, wenn nicht fuer das sehende Auge?

Oder soll etwa das Bewusstsein seinen Zweck in der Natur haben und ihr als
Mittel dienen? Allein die Natur geht die Jahrtausende hindurch ihren
unabaenderlichen Gang nach ehernen Gesetzen, die das Bewusstsein entdecken
und dann sich dienstbar machen, aber nicht im geringsten aendern kann. Das
Antlitz des Weltalls und der Erde bleibt das gleiche Jahrtausende
hindurch, ohne von dem Bewusstsein einen aendernden Einfluss zu erfahren.
Die Benutzung der Naturgesetze zu seinen, naemlich des Menschen Zwecken,
das sich Dienstbarmachen und Beherrschen der Natur, das Zwingen derselben
zum Gehorsam im Experiment kraft dieser Gesetze ist ferner unerklaerbar,
wenn das Bewusstsein der Natur wie das Mittel dem Zweck untergeordnet oder
um der Natur willen vorhanden waere.

Es bleibt noch eine dritte Moeglichkeit, naemlich mit der mechanischen
Naturauffassung den Zweckbegriff ganz zu eliminieren. Allein die Anhaenger
dieser Auffassung koennen der Entwicklungshypothese nicht entbehren und
fuehren mit ihr gleichsam durch eine Hinterthuer den Zweckbegriff wieder in
die Wissenschaft ein. Die Entwicklungshypothese verlegt die
Zielstrebigkeit, die Aristoteles zur Ermoeglichung der Selbstentfaltung und
Selbstentwicklung fuer jedes einzelne Naturding in Anspruch nahm, in das
Ganze der Natur. Das Niedere ist nach ihr dem Hoeheren untergeordnet und
dient ihm als Mittel zum Zwecke. Man sucht freilich die Zweckmaessigkeit
mechanisch zu erklaeren. Nur was seiner Umgebung angepasst und fuer den
Verkehr mit ihr eingerichtet ist, soll daseinsberechtigt und lebensfaehig
sein. Woher kommt die Anpassung und Einrichtung? Es passt sich selbst an,
richtet sich selbst ein; vermoege seines Selbsterhaltungstriebes kommt es
zur Selbstentfaltung und Selbstentwicklung. Das ist eben das, was
Aristoteles Zielstrebigkeit nennt. Man sagt, das Staerkere erhaelt sich,
weil es besser fuer den Kampf ums Dasein ausgeruestet ist. Aber das gilt
nicht eigentlich vom Staerkeren, sondern vom feiner Organisierten, vom
Empfaenglicheren, Reizbareren, also von dem Vollkommneren. Dieses ist das
Staerkere. Mit andren Worten, die Entwicklung zum Vollkommneren, die
Zielstrebigkeit setzt sich durch, haelt sich aufrecht. Der Geruchssinn des
Parfumeriefabrikanten, der Geschmackssinn des Gourmands, der Gehoerssinn
des Musikdirigenten, der Gesichtssinn des Mikroskopikers wird durch die
infolge der Uebung und Gewoehnung wiederholt auftretenden und einander
weckenden Empfindungen feiner, zarter, fuer Unterschiede empfaenglicher,
keineswegs aber groeber, staerker. Waere das letztere der Fall, dann liesse
sich durch Summierung der wiederauflebenden Empfindungen alles sehr leicht
erklaeren, rein mechanisch; alle Vervollkommnung waere nur ein
Staerkerwerden. Aber es ist anders in der Natur; man kann von einem
aristokratischen Prinzip als dem herrschenden, in letzter Instanz
ausschlaggebenden reden. Das Bessere, das Vollkommnere gewinnt im
Allgemeinen den Sieg, das Staerkere nur ausnahmsweise. Dem gegenueber
versagt die mechanische Erklaerung. Dass sich das Bessere, Vollkommnere
durchsetzt und erhaelt, scheint ohne Zielstrebigkeit nicht erklaert werden
zu koennen.

Die fortschreitende Entwicklung der Natur ist nicht zu leugnen. Sie
vollzieht sich durch Zusammenfassung des Nebeneinanderliegenden,
Getrennten zur Einheit, durch Bildung kleinerer Ganzen, z. B. der
Himmelskoerper im Weltenraum, der Krystalle, Pflanzen, Tiere auf der Erde,
und innerhalb dieser letztern durch Herstellung von Mittelpunkten zuerst
und dann von Systemen, die das kleine Ganze beherrschen: Ernaehrungs-,
Nerven-, Bewegungssystem. Aber wie langsam geht diese Entwicklung vor
sich, ihr Alter zaehlt nach Jahrmilliarden! Die eigentliche Staette
unablaessiger, augenscheinlicher, fortschreitender Entwicklung ist die
Geschichte. Insofern kann man sie als die an Intensitaet freilich alles
Vorausgehende hinter sich lassende Fortsetzung der Natur bezeichnen. Auch
in ihr handelt es sich um Herausbildung von Einheiten; aber diese
Einheiten sind nicht Zusammenfassungen neben- und aussereinanderliegender
Teile, sondern Einheiten, die in einem Bewusstsein von sich selbst, an dem
alle ihre Glieder teilnehmen, bestehen: Volk, Staat, Gesellschaft, Nation.
Einheiten ferner im strengen Sinne, naemlich geistige Einheiten,
Persoenlichkeiten, welche die eigentlichen Traeger der geschichtlichen
Entwicklung bilden. Sie sind Traeger von Ideen, welche die Massen bewegen.
Darin liegt ihre Bedeutung. Die Geschichte bewaehrt sich gerade durch diese
in ihr hervortretenden, in den Persoenlichkeiten verkoerperten Ideen als
fortschreitende Entwicklung. Die Frage, ob es einen Fortschritt in der
Geschichte giebt, sollte darum von rechtswegen gar nicht gestellt werden.
Fuer die Wissenschaft und Religion hat man ihn nicht leugnen koennen;
zeitweilige Rueckschritte sind nur Anlaeufe zu kraeftiger Erhebung. Man wird
hienach nicht bestreiten koennen, dass die Geschichte einen viel
bedeutsameren und gehaltreicheren Erkenntnisgegenstand ausmacht als die
Natur. Es giebt ohne Zweifel in der fortschreitenden Entwicklung der Natur
etwas Neues, das aus den vorausgehenden Faktoren nicht erklaert werden
kann, -- das Organische gegenueber dem Unorganischen ist, wie das Tier
gegenueber der Pflanze, ein solches Neues -- wenn man nicht etwa den Satz
ex nihilo fit nihil zu leugnen versucht. Das gilt in noch viel hoeherem
Grade von der Geschichte. Hier ist das Neue an das Individuum gebunden,
und die Bedeutung des Individuums bedingt und bestimmt den geschichtlichen
Fortschritt.


  Fuenfundzwanzigste Untersuchung.


Kuenstlerische und wissenschaftliche Inspiration.

Es giebt eine alte Unterscheidung von drei Erkenntnisquellen: Erfahrung,
Vernunft und Offenbarung. Man begegnet ihr heute nicht mehr. Sie gilt fuer
veraltet. Indes hat sie doch ihr gutes Recht. Die Redeweise: es war mir
oder kam ueber mich wie eine Offenbarung, wird nicht selten gebraucht, und
viele werden gestehen muessen, dass sie so etwas wirklich erlebt haben. Man
spricht allgemein von einer kuenstlerischen Inspiration. Die schoepferische
Einbildungskraft ist etwas andres. Worin liegt der Unterschied? Was ist
unter dieser Inspiration, Eingebung, die als Offenbarung bezeichnet werden
muss, zu verstehen?

Es bedarf eines Blickes des Geistes, um das Wesentliche von dem
Unwesentlichen in den Dingen unterscheiden, um die Merkmale ihres
Begriffes auffinden und entdecken zu koennen. Nicht jeder verfuegt ueber
diesen Blick. Viele bleiben an dem Aeusserlichen und Nebensaechlichen mit
ihrem Denken haften. Wir sagen dann, sie koennen nicht denken. Wie sie des
eigentuemlichen Erlebnisses, das wir als Einsicht bezeichnen, ermangeln und
sich kaum ueber die Stufe des bloss associativen Wissens erheben, so fehlt
ihnen auch der Blick des Geistes, durch den allein das Wesentliche erfasst
werden kann. Eines solchen Blickes bedarf es nun auch, um den Gedanken zu
erfassen, der in einem Kunstwerke ausgedrueckt ist. Aber fuer den Kuenstler
selbst, der den Gedanken in dem Stoffe verwirklicht, genuegt dieser Blick
nicht. Ihm muss der Gedanke _gegeben_ werden. Und das geschieht eben durch
die Eingebung oder Inspiration. Sie ist, wie ersichtlich, von dem Blicke
des Geistes, durch den wir das Wesen, den Kern der Sache erfassen,
verschieden. Dieser Blick orientiert sich an der aeussern Erscheinung des
Wesens, er ist durch sie bedingt und wird durch sie bestimmt, obgleich er
sozusagen durch sie hindurchdringt und ueber sie hinausgeht. Die
Inspiration oder Eingebung hingegen ist ein objektiver Zustand, der ohne
unser Zuthun zustande kommt, dem gegenueber wir uns leidend verhalten. Sie
setzt natuerlich in uns eine Empfaenglichkeit voraus, die mannigfach
vermittelt ist; ihre Auffassung haengt darum von einer bestimmten
Entwicklung des Bewusstseins ab. Man kann die Inspiration mit dem
Einleuchten der Zusammengehoerigkeit vergleichen und muss dann die
Auffassung der Inspiration mit der Einsicht zusammenstellen. Auch bei der
Eingebung handelt es sich um Zusammenhaenge, um Zusammengehoerigkeiten,
freilich andrer, hoeherer Art als bei dem Einleuchten, wie sie
beispielsweise das Motto der Goetheschen Iphigenie darstellt: Alles
irdische Gebrechen suehnet reine Menschlichkeit. In der schaffenden
Thaetigkeit des Kuenstlers nun spielt vor allem die Inspiration oder
Eingebung eine Rolle, sie macht sich die Phantasie des Kuenstlers dienstbar
und laesst sie an seiner Schoepferkraft teilnehmen. Die so schoepferisch
gewordene Phantasie schaltet und waltet mit ihrem sinnlichen Stoff gemaess
der Eingebung, ihn formend und gestaltend.

Natuerlich sagen wir nicht, dass alle Ideen, die unsren Kunstwerken
zugrunde liegen oder die in ihnen verkoerpert sind, auf einer Eingebung
beruhen. Oft ist das Kunstwerk ja nur eine Darstellung des in Erfahrung
und Geschichte Gegebenen, freilich so, wie es sich im Geiste des Kuenstlers
spiegelt, wie es seiner Auffassung entspricht. Diese Spiegelung oder
Auffassung haengt natuerlich, wie die Auswahl der darzustellenden
Gegenstaende, von der Individualitaet des Kuenstlers ab. Man wird
demgegenueber schwerlich von einer auf Eingebung beruhenden Idee reden
koennen, wenn man nicht etwa fuer diese Individualitaet, wie ueberhaupt fuer
die Bedeutung des Individuums in der Geschichte etwas der Eingebung
Analoges in Anspruch nehmen will, das nicht bloss Gedanken im menschlichen
Bewusstsein sondern Wirklichkeiten erzeugt. Abgesehen davon wird man nicht
leugnen koennen, dass vielen Kunstwerken, insbesondere Werken der redenden
Kunst, Ideen zugrunde liegen, die auf einer Eingebung beruhen, die mit
andren Worten aus dem in Erfahrung und Geschichte Gegebenen nicht erklaert
werden koennen. Das Motto der Goetheschen Iphigenie ist unzweifelhaft eine
solche Idee, wenn auch fuer Goethe diese Idee keine eigentliche Eingebung
war, sondern dem reichen Schatze der Eingebungen entnommen wurde, die in
der christlichen Religion gegeben sind und deren Mittelpunkt eben diese
Idee bildet.

Koennen wir auch von einer wissenschaftlichen Inspiration reden? Ohne
Zweifel muessen wir es! Wird das Forschungsergebnis, zu dem man nur muehsam
durch langwierige Arbeit gelangt, nicht meistens schon mit
vorausschauendem Blicke vorweggenommen, und ist nicht dieser
vorausschauende, das Ergebnis vorwegnehmende Blick der Ansporn, der uns
zur Forschungsarbeit draengt, und das Licht, das uns hierbei leitet? Alle
grossen wissenschaftlichen Entdeckungen, wie alle Entdeckungen ueberhaupt,
scheinen so auf urspruenglichen Intuitionen zu beruhen, die vielfach
Eingebungen sind. Das Ergebnis wird oft erst auf sehr verwickelten und
verschlungenen Wegen gewonnen, und doch steht es uns von Anfang an
deutlich vor der Seele. Wie ist das zu erklaeren, wenn das Ergebnis nicht
eine Eingebung, Inspiration ist? Wir sprechen davon, dass uns Gedanken
einfallen, wodurch der Fortschritt im Denken vielfach bedingt ist. Oft
sind das freilich nur Reminiscenzen aus der Lektuere, aus den Gespraechen
mit andren, oft nur mehr oder minder berechtigte Verallgemeinerungen, oft
blosse Associationen. Aber wir wissen auch, dass das keineswegs immer der
Fall ist. Nicht selten tritt uns ein Gedanke, der gleichsam aus der
verborgenen Tiefe unsres Innern auftaucht, als etwas durchaus Neues
entgegen, fuer das wir in unsrem bisherigen Geistesleben vergebens nach
Anknuepfungspunkten suchen. Solche Gedanken werden wir doch Eingebungen
nennen muessen. Das Ergreifen, Erfassen derselben im Bewusstsein ist von
dem Blicke fuer das Wesentliche, der durch die Erscheinung der Dinge und
Vorgaenge im Bewusstsein bedingt und bestimmt ist, verschieden. Solche
Gedanken draengen sich uns auf, werden uns so aufgenoetigt, wie wir von den
Empfindungen sagen, dass sie uns aufgedraengt, aufgenoetigt werden. Von
unsrem Bewusstsein scheinen sie nicht hervorgerufen oder erzeugt zu
werden; aus ihm scheinen sie nicht hervorzugehen oder zu entstehen,
vielleicht aus den uns selbst verborgenen Tiefen unseres Wesens. Durch
dieses Sichaufdraengen und Sichaufnoetigen, das die auf Eingebung beruhenden
Gedanken mit den Empfindungen gemein haben, unterscheiden sie sich
insbesondere von dem Wesentlichen, das wir durch einen einfachen Blick des
Geistes erfassen, bei dem von einer innren Noetigung, einem innren Zwange
nichts zu verspueren ist.

Natuerlich bilden auch die eingegebenen Gedanken Zusammenhaenge,
Zusammengehoerigkeiten, sie treten in der Form von Urteilen auf; aber das
Einleuchten dieser Zusammengehoerigkeit und das mit ihr verbundene
Einsehen, der Blick fuer das Wesentliche verbindet sich nicht ohne weiteres
mit den eingegebenen Gedanken, ist auch grundverschieden von dem
Sichaufdraengen, das die eingegebenen Gedanken wie die Empfindungen
charakterisiert. Wie bei dem Blicke des Geistes fuer das Wesentliche, so
ist auch bei dem ihm folgenden Einleuchten und Einsehen der
Zusammengehoerigkeit von irgendwelcher Noetigung, irgendwelchem Zwange
nichts zu entdecken. Die auf Eingebung beruhenden Gedanken stellen sich
meistens dann ein, wenn der Blick fuer das Wesentliche versagt, sodass ihr
Aufleuchten gleichsam einen Ersatz, eine Ergaenzung fuer diesen Blick
bildet. Wir kennen das Wesen des Koerperlichen nicht, koennen es vielmehr
nur nach seiner Erscheinung in unsrem Bewusstsein charakterisieren und
naeher bestimmen. Wenn man das Koerperliche fuer den Gegensatz des Geistigen
erklaert, so geschieht das auf Grund einer Eingebung in unsrem Sinne; der
Erfahrung folgend wuerde es eher als eine Stufenleiter zum Geistigen hin
betrachtet werden muessen. Aber auch diese Betrachtung findet in der
Erfahrung keine ausreichende Stuetze und muss insofern ebenfalls als
Eingebung bezeichnet werden. Natuerlich sind solche Eingebungen keine
Erkenntnisse; es kommt darauf an, sie zu verifizieren. Die
wissenschaftliche Arbeit hat in ihnen wohl einen Ansporn und ein Licht,
aber sie beginnt erst mit der Eingebung und muss so lange fortgesetzt
werden, bis die Zusammengehoerigkeit der Eingebung mit dem Wirklichen
einleuchtet und eingesehen wird. Dann erst wird die Eingebung zur
Erkenntnis.

Der Ausdruck Eingebung ist insofern ein vorlaeufiger. Zu einer wirklichen,
von der Einbildung sich unterscheidenden Eingebung wird ein Gedanke erst
dadurch, dass wir ihn zu einer wirklichen Erkenntnis erheben. Von den
beiden Gedanken ueber das Wesen des Koerperlichen, die wir erwaehnten,
scheint sicher zu sein, dass sie zu wirklichen Erkenntnissen nicht erhoben
werden koennen. Nach dem ersteren Gedanken, der die Natur als Gegensatz zum
Bewusstsein fasst, muesste man die Natur etwa als Schranke des
Bewusstseins, als symbolischen Ausdruck seiner Endlichkeit auffassen, dem
sich dann die scheinbar unendliche Ausdehnung der Natur im Raume als
symbolischer Ausdruck ihrer vorgeblichen Unendlichkeit zur Seite stellt.
Nach dem letzteren Gedanken muesste man etwa annehmen, dass die Natur in
einer stufenweisen Entwicklung allmaehlich zu einem geistigen Dasein
verklaert wuerde, wie es die Anschauung des neuen Testamentes ist oder zu
sein scheint. Aber was in beiden Faellen die Wirklichkeit der Natur
eigentlich sein soll, bleibt voellig dunkel.

Wenn wir an dem wirklichen Bestehen von Eingebungen nicht zweifeln koennen,
so fragt es sich, woher sie kommen. Wir haben gesehen, dass das Wesen der
Dinge in ihrer Wahrheit besteht und dass sie nur dadurch, dass sie wahr
sind, wirklich sein koennen. Ihre Wahrheit ist Bedingung ihrer Wirklichkeit
und ihr gegenueber das Massgebende und Entscheidende. Alle Dinge haengen so
mit dem Reiche der Wahrheit, mit dem System der Wahrheit zusammen -- eine
einzelne Wahrheit giebt es streng genommen nicht -- sind von ihm
durchdrungen oder in dasselbe eingegliedert. Das gilt natuerlich auch von
unsrem Bewusstsein, von unsrem Erkennen und allen dasselbe vorbereitenden
Vorgaengen. Sie sind aufs engste mit dem Reiche oder System der Wahrheit
verbunden, und aus dieser Verbindung erklaert es sich, dass scheinbar
unvermittelt in uns Gedanken auftreten oder, wie wir gewoehnlich sagen, uns
eingegeben werden.

Es giebt sicher zwei Erkenntnisquellen, das Wort im weitesten Sinne
genommen: nicht Quellen, aus denen wir die Erkenntnisse schoepfen, sondern
Ausgangspunkte, zwei verschiedene Ausgangspunkte fuer unser Erkennen, die
dasselbe bedingen und seinem Inhalte nach bestimmen. Das sind einerseits
die Empfindungen als Erkenntnismittel der Aussenwelt und die
Bewusstseinsvorgaenge als Erkenntnismittel der Innenwelt, beide zusammen
das ausmachend, was wir als Erfahrung bezeichnen koennen, wenn wir darunter
eben den Ausgangspunkt fuer das Erkennen verstehen. Diesen stehen
anderseits die Eingebungen gegenueber. Die Erkenntnis ist natuerlich von
beiden verschieden. Sie ist Sache des Denkens, der Vernunft, und besteht
weder in einer blossen Umformung der Empfindungen, wie Condillac und die
Sensualisten meinen, noch in einer blossen Umformung der
Bewusstseinsvorgaenge. Dass uns die Eingebungen, die nur dem
hochentwickelten Bewusstsein zuteilwerden koennen, in den an die Erfahrung
sich anschliessenden Formen des Denkens gegeben werden, hindert natuerlich
nicht, sie als Ausgangspunkt fuer das Erkennen in dem eroerterten Sinne zu
betrachten.


  Sechsundzwanzigste Untersuchung.


Religioese Erkenntnisse.

Nimmt man an, dass es kuenstlerische und wissenschaftliche Inspirationen
giebt, so wird man auch den religioesen Inspirationen seine Anerkennung
nicht versagen koennen. Die Religion ist, ganz allgemein gefasst, das
Bewusstsein von der Verbindung des Menschen mit Gott und ein auf Grund
dieses Bewusstseins eingeleiteter Verkehr des Menschen mit Gott, der in
der rueckhaltlosen Hingabe des Willens, der Person, des ganzen Wesens an
Gott seinen Grund hat und in einer persoenlichen Beziehung zu Gott besteht.
Wird nun unter Gott, wie es in der Religion der Fall ist, das ueber der
Welt der Erscheinungen erhabene Wesen verstanden, in dem alles wirkliche
Sein und alle Wahrheit ihren Grund hat, so ist begreiflich, dass gerade
auf religioesem Gebiete die Inspirationen die groesste Rolle spielen. Sie
sind von der Religion ihrem wahren Wesen nach unabtrennbar. Das kann man
nur leugnen, wenn man dieses Wesen voellig verkennt oder in sein Gegenteil
verkehrt. In allen weltbewegenden Religionen treten Seher, Propheten auf,
die sich solcher von Gott empfangener Inspirationen ruehmen. Sofern sie
eine neue religioese Bewegung herbeifuehren, nennen wir sie Gruender, Stifter
der Religionen oder Verbesserer, Reformatoren. Der Inhalt ihrer
Inspirationen sind keineswegs, nicht einmal groesstenteils, Zukunftsbilder,
sondern die ganze Natur und Menschenwelt umspannende Gedanken, die ueber
das eigentliche Wesen und die Wahrheit der Dinge, d. h. ueber ihre Stellung
und Bedeutung fuer die Gesamtheit des Wirklichen oder im System der
Wahrheit Licht verbreiten. Sie haben deshalb zu allen Zeiten das lebhafte
Interesse des Philosophen geweckt, dem es um die Erkenntnis des Wesens und
der Wahrheit der Dinge zu thun ist.

Allerdings sind diese Gedanken in erster Linie praktischer Natur, denn die
Religion ist zunaechst eine praktische, das Gefuehl und den Willen angehende
Angelegenheit. Aber sie schliessen die umfassendsten und bestimmtesten
theoretischen Voraussetzungen ein, ohne die sie Halt und Bestand verlieren
und bei deren Veraenderung sie selbst voellig veraendert werden. Und diese
theoretischen Voraussetzungen sind nicht etwa darum wahr, weil sie sich
praktisch fuer das Gefuehl und den Willen bewaehren. Der Wert der Praxis
liegt gerade darin, dass diese Voraussetzungen wahr sind. Wie alles in der
Welt, so erhaelt auch sie ihren Wert nur durch die Wahrheit, die sie
natuerlich nicht verbuergen und garantieren kann. Es ist eine den
Religionsbegriff verflachende und entleerende Auffassung, wenn man
erklaert, die Religion bestehe in blossen Gefuehlen, und wenn man sie in
diesem Sinne mit Gesinnungen verselbigt. Als ob Gesinnungen ohne
theoretische Grundlagen denkbar waeren! Gewiss, das Wesen der Religion, ihr
Herz und ihre Seele besteht nicht in theoretischen Anschauungen, nicht in
Lehren, sondern in der persoenlichen Hingabe der Menschen an Gott, in dem
Opfer seiner selbst. Aber wie verschieden ist doch die stoische Hingabe an
den Weltlauf, die auch von den Stoikern als Gehorsam gegen Gott bezeichnet
wird, und die christliche Ergebung in den Willen Gottes! Worin liegt die
Verschiedenheit? Nun darin, weil die diesen Gesinnungen zugrunde liegende
Lehre eine andere ist. Heilswahrheiten sind nicht wahr, weil sie uns Heil
bringen, sondern weil sie wahr sind, deshalb bringen sie uns Heil. Der
Glaube als rueckhaltlose Hingabe an Gott setzt die Erkenntnis Gottes als
der rueckhaltlosen Hingabe an uns voraus. Er soll den Frieden des Innern
und die Kraft zum sittlichen Handeln bringen. Aber man kann nicht auf
Probe glauben, abgesehen davon, dass das keine rueckhaltlose Hingabe waere.
Mit andren Worten: die Erkenntnis, auf der der Glaube beruht und die uns
seine Wirkung verbuergt, ist nicht um dieser Wirkung willen wahr, und der
diese Erkenntnisse einschliessende Glaube erhaelt nicht durch diese seine
Wirkung seine Wahrheit. Dass der Glaube seine Wahrheit nicht erhaelt durch
seine Wirkungen, geht schon daraus hervor, dass die Wirkungen rein
psychologisch auch eintreten, wenn der Glaube falsch ist, d. h. wenn die
in ihm enthaltene Annahme, also das intellektuelle Element in ihm, nicht
wahr ist. Ohne dieses intellektuelle Element, dass Gott ist, dass er die
Liebe ist, kommt kein Glaube zustande, ohne dasselbe kann er keinen
Augenblick bestehen. Ist es nicht wahr, so ist er Trug, Taeuschung,
Einbildung, also voellig wertlos, trotz seiner guten Wirkungen.

Aber hat das intellektuelle Element, von dessen Wahrheit wir reden, in der
Religion nur Bedeutung als Voraussetzung, als bedingender Bestandteil?
Muss man nicht vielmehr sagen, die Wahrheit sei das Einzige, was um seiner
selbst willen geschaetzt werden muesse, alles andere koenne nur darum
geschaetzt werden, weil es wahr ist (nur weil es wahr ist, ist es ja auch
wirklich)? Wir sprechen von wahrer, wirklicher Liebe, von wahrer,
wirklicher Sittlichkeit, von wahrem, wirklichem Menschsein und meinen
damit eine Liebe, wie sie sein soll, eine Sittlichkeit, wie sie sein soll,
einen Menschen, wie er sein soll. Das ist natuerlich Wahrheit in andrem
Sinne; Wahrheit als Uebereinstimmung mit einem Ideal. Aber im hoechsten
Sinne ist Liebe, Sittlichkeit, Mensch nur wahr, insofern sie eine Stellung
in der Gesamtheit des Wirklichen haben, die durch das System der Wahrheit
bestimmt wird, also als Glieder des Reiches der Wahrheit -- nur insofern
haben sie eine ewige Bedeutung und einen unvergaenglichen Wert. Insofern
ist dann die Wahrheit alles in allem, das einzige, das wahrhaft hoechste
Gut. Dieser hoechste Sinn der Wahrheit muss auch fuer die Religion gelten.
Als einzelne Wahrheit oder Teilwahrheit ist sie blosse Voraussetzung,
bedingender Bestandteil der Religion; als Wahrheit im hoechsten Sinn ist
sie auch fuer die Religion alles. Was Voraussetzung, bedingender
Bestandteil und insofern Anfang fuer Glaube, Liebe, Sittlichkeit, Religion
ist, dass muss auch das Ende, das hoechste Ziel sein. In diesem hoechsten
Sinne wird in der christlichen Religion Gott als die Wahrheit bezeichnet
und die Erkenntnis mit dem ewigen Leben verselbigt, oder das ewige Leben
auf die Erkenntnis zurueckgefuehrt. "Das ist das ewige Leben, das sie Dich
erkennen und den Du gesandt hast, Jesum Christum." In diesem hoechsten
Sinne des Wortes Wahrheit wird dann auch in der christlichen Religion
alles auf Gott, den Koenig im Reiche der Wahrheit, bezogen, alles sub
specie aeternitatis betrachtet, alles nach seiner ewigen Bedeutung im
Gegensatze zu dem vergaenglichen Scheine ins Auge gefasst und gewertet. In
diesem hoechsten Sinne des Wortes Wahrheit endlich wird alle Wahrheit in
der christlichen Religion als auf Eingebung, Inspiration, Offenbarung
beruhend betrachtet.

Fuer die Erkenntnis der Wahrheit in diesem hoechsten Sinne gilt dann
freilich auch wieder Glaube, Liebe und Sittlichkeit als Bedingung. "Wer
meine Worte haelt und danach thut, der wird erkennen, dass sie wahr sind".
Insofern muss zugestanden werden, dass die Wahrheit wohl an sich, nicht
aber fuer uns das hoechste Gut ist. Fuer uns ist die Sittlichkeit ein hoeheres
Gut als die Wahrheit und hinwiederum die Seligkeit, der Friede, ein
hoeheres Gut als die Sittlichkeit. Denn nur wenn wir die Seligkeit oder den
Frieden erlangt haben, koennen wir sittlich leben, und das sittliche Leben
hinwiederum ist Bedingung der Erkenntnis der Wahrheit im vollen Sinne des
Wortes. Insofern gilt der Primat des Willens, nicht der Primat des
Intellekts; insofern koennen wir auch die beiden letzten Glieder der fuer
das Zustandekommen des Glaubens wichtigen Reihe notitia assensus
(Einsicht) fiducia umkehren und sagen notitia fiducia assensus, was
uebrigens auf den alten Satz von der fides quaerens intellectum
hinauskommt.

Man unterscheidet Eingebung und Offenbarung. Eingebungen, Inspirationen
werden einem Einzelnen zuteil, und wenn dieser sie andren mitteilt als von
Gott stammend oder auf Inspiration beruhend, so werden sie Offenbarungen
genannt. Kann der, dem die Eingebung zuteil wird, diese wirklich als
Eingebung erkennen? Will man das bezueglich der kuenstlerischen und
wissenschaftlichen Eingebungen nicht leugnen, so ist kein Grund vorhanden,
es fuer die religioesen Eingebungen zu bestreiten. Dass der religioes
Inspirierte seine Eingebungen auf Gott zurueckfuehrt, spricht nicht dagegen.
Gott ist ihm der Koenig und Herrscher im Reiche der Wahrheit, und vom
Glaeubigen wie von dem Kuenstler und Gelehrten gilt, dass er sein ganzes
Sein und Wesen von diesem Reiche der Wahrheit zu Lehen traegt und nur als
Glied dieses Reiches ein Sein und Wesen besitzt. Wie alle Dinge, so stehen
auch die bevorzugten Menschen, die Kuenstler, Gelehrten und religioes
Inspirierten unter dem unmittelbaren Einflusse dieses Reiches und werden
von ihm unmittelbar beruehrt. Warum sollten sie nicht eine Einsicht und
darum eine wirkliche Erkenntnis davon gewinnen koennen, dass ein in ihnen
auftauchender Gedanke nicht das Ergebnis ihres Nachdenkens, noch weniger
das Endglied einer rein mechanisch sich vollziehenden Association, sondern
etwas wirklich Neues ist, das nur jenem geheimnisvollen Reiche der
Wahrheit entstammen kann, das wir um des ueberzeitlichen Charakters aller
Wahrheit willen annehmen mussten?

Koennen auch diejenigen, denen die Eingebung als von Gott stammend
verkuendigt wird, eine Einsicht davon gewinnen, dass sie wahr ist, koennen
sie mit andren Worten eine Einsicht davon gewinnen, dass der Verkuendende
die Wahrheit sagen kann und sagen will? Denn diese Einsicht ist der
einzige Weg, auf dem wir uns von der Wahrheit einer Mitteilung durch
andre, sofern sie eben eine Mitteilung ist und bleibt, ueberzeugen koennen.
Massgebend hierfuer und entscheidend ist einzig und allein der Eindruck der
Persoenlichkeit des Verkuendigers nach seiner sittlichen und religioesen
Seite. Es giebt und gab zu allen Zeiten Persoenlichkeiten, die in beider
Hinsicht einen ueberwaeltigenden Eindruck auf uns ausueben, solange wir uns
gegen solche Eindruecke nicht verhaertet und abgestumpft haben, wie wir ja
auch gegenueber dem Eindrucke der Wahrheit, dem Einleuchten oder der
Evidenz blind und gleichgueltig werden koennen. Wenn wir jenen
ueberwaeltigenden Eindruck erfahren, dann ist es einfach konsequent,
jedenfalls einzig vernuenftig, dass wir ihren auf Religion und Sittlichkeit
sich beziehenden Aussagen rueckhaltlosen Glauben schenken oder sie auf
Grund dieser mittelbaren Einsicht fuer wahr halten -- was auch immer
geschieht, wenn nicht die eigenen Neigungen und Interessen jenen Aussagen
widerstreiten. Ob wir unmittelbar von der Wahrheit dieser Aussagen eine
Einsicht oder Erkenntnis gewinnen koennen, ist eine andere Frage, die aber
fuer den Religioesen nur eine untergeordnete Bedeutung hat. Jener
ueberwaeltigende Eindruck wird bei ihm ein Ergriffensein des Gemuets und
Sichunterwerfen des Willens zur unmittelbaren Folge haben, das eine
Verstaerkung durch die unmittelbare Einsicht in die Wahrheit jener Aussagen
schwerlich und nie, sehr haeufig und leicht aber eine Abschwaechung erfaehrt,
da die unmittelbare Einsicht in die Wahrheit selbst die Gefahr mit sich
bringt, die Wahrheit zu einer blossen Verstandes- oder Kopfwahrheit
herabzusetzen. Darum begnuegt sich der Religioese gern und freudig mit der
aeusseren Einsicht in die Wahrheit der Offenbarung, die sich darauf stuetzt,
dass der die Offenbarung Verkuendigende die Wahrheit sagen konnte und sagen
wollte.

*Schluss.*

Man wird sagen, unsere Darlegung sei Metaphysik. Gewiss mit Recht! Wir
kennen keine andren Wahrheiten als die einen ueberzeitlichen Charakter
haben, und Wahrheit in diesem Sinne ist Metaphysik, auch wenn man sie
durch ihre unloesbare Verbindung mit dem Erkennen davor schuetzt, Ding an
sich zu sein. Wer die Metaphysik in diesem Sinne leugnet, fuer den giebt es
keine Wahrheit mehr. Er ist unrettbar dem Skepticismus verfallen. Oder
nicht? Man sagt, Wahrnehmungen, die sich bewaehren, sind wahr, wie die
Wahrnehmung, dass Digitalis den Puls herabsetzt, Chinin Fieber beseitigt.
Oder Wahrnehmungen, die sich als Teil einem widerspruchslosen System von
Saetzen einordnen lassen, sind wahr. In beiden Faellen werden aus den
Wahrnehmungen Erfahrungen. Das erstere ist die empiristische
Wahrheitstheorie, das letztere die rationalistische. Aber es fragt sich,
woher wir wissen, dass etwas sich bewaehrt, das etwas sich einem
widerspruchslosen System von Saetzen einordnen laesst. Doch nur daraus, dass
es uns einleuchtet und wir es einsehen. Was immer uns aber einleuchtet und
was immer wir einsehen, das leuchtet uns ein, oder das sehen wir ein als
eine Wahrheit, die fuer alle Zeiten und darum auch fuer alle Denkenden gilt.
Das Sichbewaehrende ist, wie alles induktiv Erschlossene, nur
wahrscheinlich, das Widerspruchslose nur moeglicherweise wahr. Oft wenn die
Verhaeltnisse einfach ueberschaubar sind, haben wir schon bei der einzelnen
Wahrnehmung eine Einsicht in die Wahrheit. Wir erkennen z. B. sofort, dass
der gluehende Ofen verbrennt, dass Wasser aus Wasser- und Sauerstoff
besteht; ebenso dass gleichseitige Dreiecke gleiche Winkel haben, dass
Peripheriewinkel die Haelfte der Centriwinkel ausmachen. Dort bedarf es nur
Einer Wahrnehmung, hier nur einer beliebig gewaehlten Figur. Das Probieren,
Versuchen der Wiederholung einer Wahrnehmung oder ihrer Einordnung in ein
System hat seinen Wert: die Wiederholung, um unsere Lebenszwecke zu
sichern und zu foerdern, die Einordnung, um ein Erkenntnisideal zu
verwirklichen; aber beides ist kein Pruefstein der Wahrheit.





NAMEN- UND SACHREGISTER.


*A.*

*Abhaengigkeit* voellige aller Dinge von Gott S. 51.

*Absehen* nicht das Wesen der Abstraktion S. 21, -- von dem in den
Sinnenbildern der Ausdehnung und Bewegung und den entsprechenden
Kategorien enthaltenen irrationalen Element S. 49, 57--58.

*Abstraktion*, worin sie besteht S. 21--22, -- geht der Generalisation
voran, durch sie gewinnen wir unter anderm auch die wesentlichen Merkmale
S. 9, -- sie schafft neue Einzelgebilde des Denkens, ist verschieden von
den negativen Urteilen S. 21--22.

*actio in distans* S. 68.

*Allgemein* nicht dasselbe mit wesentlich S. 8.

*Allgemeingueltigkeit* Folge der ueberzeitlichen Geltung S. V, 5.

*Analyse und analytisches Verfahren* nur die Kehrseite des Zieles des
Erkennens, seine bloss formale Folgeerscheinung S. 24, -- thut dem
Erkennen, nicht Genuege S. 27, 29; warum man alle Urteile fuer analytische
halten koennte S. 26 und 27.

*Analogieschluss*, ob notwendig fuer die Erkenntnis fremder Bewusstseine
S. 67.

*Animismus* S. 12.

*Ansteckende Wirkung* der Gefuehlsaeusserungen und Gefuehle S. 67--68.

*Anerkennen* der erkannten Wahrheit Pflicht S. 43--44.

*Anfang* und Vorhandensein in der Zeit S. 50.

*Apercu* und Intuition, inwiefern dem Blick fuer das Wesentliche aehnlich
S. 10, -- inwiefern von ihm verschieden S. 80.

*Aphaireisthai*, *abstrahere* s. *Abstraktion*.

*Aristokratisches Prinzip* in der Natur: das Vollkommnere nicht das
Staerkere siegt S. 75--76.

*Aristoteles* gegen die Trennung des Erkennens vom Gegenstand S. 1, --
gegen die Trennung von Leib und Seele S. 54, -- seine Kategorienlehre, in
der das sinnfaellige Wirkliche die erste Rolle spielt S. 45, 47, --
unbewegter Beweger S. 30, -- kein Begriff ohne Phantasievorstellung S. 55,
59.

*Aristoteliker*: Praedikat der allgemeinere Begriff S. 27.

*Art*, inwiefern sie zu den Praedikabilien gehoert S. 46.

*Assensus*, inwiefern ihm die fiducia vorangeht S. 85.

*Associatives Wissen* S. 65.

*Association* der Willensimpulse mit den Sinnenbildern S. 12.

*Aufgenoetigt*, *aufgedraengt*, Empfindungen, Gedanken, auch Eingebungen;
aber nicht das Einleuchten, die Einsicht S. 22, 38, 78, 80.

*Augustins* veritates aeternae S. 7.

*Ausdehnung*, Sinnenbild und Begriff derselben S. 11, irrationales Element
in der Ausdehnung S. 48.

*Aussenwelt*, was darunter nicht zu verstehen ist S. 52, 57; wir haben von
ihrer Existenz, nicht von ihrer Beschaffenheit eine unmittelbare Einsicht
S. 53; warum wir bezueglich der Aussenwelt nicht leicht von einer Einsicht
sprechen S. 61, 62 und 55; sie steht mit unserm Bewusstsein in
untrennbarem Zusammenhang S. 56 und 63.

*Ausgangspunkte* zwei verschiedene fuer unser Erkennen, Erkenntnismittel
nicht eigentliche Erkenntnisquellen S. 81--82.

*Ausserwesentlich* das Zufaellige, das Notwendige zum Teil, ob es zum
Seienden gehoert oder nicht S. 46.

*B.*

*Bacon* und die Methode der Naturwissenschaften S. 9.

*Bedeutung* der ueberzeitlichen Geltung der Wahrheit S. 4, -- von Raum und
Zeit fuer das Reich der Wahrheit S. 30, 50, -- der Zeit S. 5, 62.

*Begriff* von Ausdehnung und Bewegung verschieden von den entsprechenden
Sinnenbildern und Vorstellungen S. 11--12, -- von Punkt, Linie, Flaeche,
Geist desgleichen S. 14; -- umfasst die wesentlichen Merkmale S. 21, 7--8,
-- umfasst nicht alle Merkmale, die einem Ding und nur ihm zukommen S. 8,
46, -- der Religion S. 69, 82; -- der Philosophie S. 15--17. Der _Eine_
Begriff, welcher die Stellung der Dinge im System der Wahrheit bestimmt,
und unsere Begriffe S. 15, 18, 21.

*Begriffsworte* enthalten eine Wissensdisposition, die betreffenden
Urteile faellen zu koennen S. 11.

*Believe* Dafuerhalten, S. 71.

*Berkeley* ueber die Dinge als Gedanken Gottes S. 53, 54.

*Beruehrung* enthaelt ein irrationales Element a) als Bestandteil der
Ausdehnung, b) als Bestandteil der Substanz S. 48--49.

*Beschraenktheit* als seiendes Nichtsein S. 47.

*Bewegung*, Sinnenbild und Begriff derselben S. 11; irrationales Element
in der Bewegung S. 48.

*Beweis* fuer die Existenz der Aussenwelt S. 54--56.

*Bewusstheit* Wissen des Bewusstseinsvorgangs um sich selbst S. 58, --
uneigentliches, nicht namentliches, nicht begriffliches Wissen, keine
Einsicht oder Erkenntnis S. 59, -- hat einen uebergreifenden Charakter
S. 60--61, -- analog dem Bewusstsein des Ich und Selbst von sich S. 63, --
ist die Erscheinung der Bewusstseinsvorgaenge im Bewusstsein, die sich in
der Reflexion wiederholt S. 64, -- kommt bei der Uebertragung der
sinnlichen Vorstellungen auf die Bewusstseinsvorgaenge zur Geltung S. 59.

*Bewusstsein* der Wahrheit S. 6; unser Bewusstsein und die fremden
Bewusstseine S. 61; Ich- und Selbstbewusstsein S. 63.

*Beziehung* auf die Objektivitaet gleich Bewusstsein der Wahrheit S. 6--7,
-- setzt zwei Glieder voraus S. 28, -- eine Kategorie S. 28.

*Bild*, was ihm eigentuemlich ist S. 17.

*Bildliche* Vorstellungen S. 59.

*Blick des Geistes fuer das Wesentliche*, eine Abstraktion (s. d.) S. 9; --
schafft, erzeugt ein neues Gebilde des Denkens, ist Voraussetzung der
Urteile der zergliedernden, der verbindenden, der negativen S. 13, 21, 14,
-- vermittelt die Uebertragung der sinnlichen Vorstellungen auf die
Bewusstseinsvorgaenge S. 60, -- erste Stufe des Erkenntnisvorgangs, noch
keine Erkenntnis S. 20, 21; doppelte Funktion dieses Blickes:
Vereinzelung, Zusammenfassung, Trennen, Zusammenschauen S. 13, 21.

*Blinde* Ueberzeugung, worauf sie sich gruendet S. 34, -- Gewissheit,
wodurch von der einsichtigen verschieden S. 36, -- Wissensinhalte sehr
zahlreich S. 65, 25.

*Brentano* ueber aeussere und innere Wahrnehmung S. 58.

*C.*

*Caput mortuum* das Ding an sich, ein toter Punkt S. VI.

*Cartesius* Trennung von Leib und Seele S. 1, 54.

*Causari* hervorgebracht werden, verschieden von sequi folgen S. 32.

*Christliche* Ergebung und stoischer Gehorsam S. 83, -- Religion,
Mittelpunkt derselben S. 79; inwiefern sie Gott als die Wahrheit erklaert
S. 85.

*Commercium immediatum animarum* unmittelbare, gegenseitige Beeinflussung
der Bewusstseine S. 68.

*Condillac* S. 82.

*Criterium quo cognoscitur* -- das, wodurch wir erkennen, die Einsicht,
Kennzeichen der Wahrheit im uneigentlichen Sinne S. 24.

*Criterium secundum quod cognoscitur* -- das, gemaess dem wir erkennen, das
Einleuchten Kennzeichen der Wahrheiten im eigentlichen Sinne S. 24.

*Cues* Nikolaus v., ideelle Existenz der Dinge wahrer als die
zeitraeumliche S. 7.

*D.*

*Definition* der Empfindung unmoeglich ohne Zuhuelfenahme koerperlicher
Vorgaenge S. 54, -- der Wahrheit gewoehnliche, a) falsche Auffassung b)
richtige Auffassung S. 1, 2. Was gehoert in die Definition? S. 8.

*Denken*, inwiefern Gegenstand der Logik S. IV.

*Denkgesetze* Formalgesetze: das Gesetz des Enthaltenseins und des Grundes
S. 33.

*Denknotwendigkeit* oft nur Folgerung aus der Gewissheit S. 39, -- in
keinem Falle Grund unserer Einsicht in die Wahrheit S. 40, 41, 42.

*Descartes* s. Cartesius.

*Ding an sich* ein ungereimter Begriff S. VI, -- fuehrt zu einer Auffassung
der Definition der Wahrheit, die alle Erkenntnis unmoeglich macht S. 1, die
Wahrheit nicht Ding an sich S. 5, 6, 31.

*Dinge im Allgemeinen* S. 50.

*E.*

*Eckhart* S. 7.

*Eigenschaft*, das Eigentuemliche derselben S. 28, warum sie ein
Selbststaendiges voraussetzt S. 41, und Proprietaet S. 46.

*Einbildung* und Eingebung S. 81.

*Einbildungskraft* schoepferische verschieden von Eingebung S. 77, 78.

*Eingebung* verglichen mit dem Einleuchten, dem Blick fuer das Wesentliche,
der Einsicht S. 10, 78, 80, -- noch kein Erkennen, vielmehr Ausgangspunkt
(zweiter) fuer das Erkennen S. 81, 82, wann Gedanken Eingebungen sind
S. 79, 81, worin die Eingebungen ihren Grund haben S. 81.

*Einheit* Gesetz der Einheit S. 30, 31, -- Kategorie S. 47; -- gebrochene
in der Natur S. 57, 73 -- des Bewusstseins S. 61.

*Einleuchten* und *Einsicht*, Verschiedenheit beider S. 22, 23, 24,
Einleuchten keinerlei Zwang S. 22, 34, 38, 43, 80, -- verglichen mit
Inspiration und Auffassen der Inspiration S. 78, -- wirklich oder bloss
vermeintlich S. 35, 36, 37, 38; Schein des Einleuchtens, wie beseitigt
S. 37; Einleuchten unmittelbar oder mittelbar S. 37, 38. Einsicht innere
und aeussere S. 71, 87. Einleuchten keine Erkenntnis, Grund der Erkenntnis
S. 22, 34, 38, Einleuchten Massstab, Kennzeichen der Wahrheit; das, nach
dem wir ueber Wahrheit und Falschheit urteilen S. 24.

*Einsicht* Erkenntnis S. 23, Sehen, Wahrnehmen der Zusammengehoerigkeit
S. 34, -- verschieden von Urteil, Bewusstsein der Wahrheit, Gewissheit
S. 23, keine wahrscheinliche oder zweifelhafte Einsicht moeglich S. 35, 36
-- hat keine Grade S. 36, -- unmittelbare in die Existenz der Aussenwelt
S. 53 -- in die religioes-sittliche Beschaffenheit eines Andern S. 70,
diese der Grund, dass wir seinen Aussagen ueber Religion und Sittlichkeit
Glauben schenken S. 87, -- subjektiv wie die Gewissheit S. 23; inwiefern
kann die unmittelbare Einsicht grundlos, inwiefern der Grund der Einsicht,
das Einleuchten, als subjektiv bezeichnet werden? S. 31, die vorausgehende
Einsicht fuer die nachfolgende Reflexion eigentliches Kennzeichen der
Wahrheit (criterium secundum quod), Einsicht an sich genommen nur
uneigentlich sogenanntes Kennzeichen der Wahrheit (criterium quo) S. 24.

*Einzelwirklichkeit* -- Gegensatz Gesamtwirklichkeit S. 4, Gesamtheit des
Wirklichen S. 15. Gesetze fuer das Einzelwirkliche; auch das Gesetz des
ausgeschlossenen Dritten gilt nur fuer das Einzelwirkliche S. 29.

*Empfindungen* a) als Gegenstand der Reflexion S. 60, b) als
Erkenntnismittel S. 55, 59, c) isoliert vom Koerper bei Cartesius und in
der Psychologie S. 54, Definition der Empfindungen S. 54.

*Enargein* Einleuchten S. 24.

*Einzelgebilde* des Denkens, die wesentlichen Merkmale S. 13, -- ueberhaupt
das durch Abstraktion Geschaffene S. 21; das Urteil kein Einzelgebilde,
vom Denken geschaffene Verbindung S. 23.

*Enthaltensein*, Gesetz des Enthaltenseins fuer Begriffe S. 26; Gesetz des
Enthaltenseins fuer Urteile -- das Gesetz des Grundes S. 32; im
Enthaltensein eine Denknotwendigkeit vorhanden S. 40.

*Entwicklung* fortschreitende in der Natur S. 76, 81, 74.

*Entwicklungstheorie* fuehrt den Zweckbegriff wieder ein S. 75.

*Erfahrung* Ausgangspunkt des Erkennens a) die Empfindungen als
Erkenntnismittel der Aussenwelt, b) die Bewusstseinsvorgaenge als
Erkenntnismittel der Innenwelt, -- keine Erkenntnis S. 82.

*Erinnerung*, was sie ist S. 61; warum wir bei ihr nicht leicht von
Einsicht reden S. 61--62, unter welchen Vorbehalten es einsichtige
Erinnerungen gibt S. 62.

*Erkennen* hat eine metaphysische Bedeutung S. V, VI; a) empiristischer
Begriff, b) rationalistischer Begriff des Erkennens S. 2, -- Lehre vom
Erkennen erster Teil der Logik, Lehre vom Denken zweiter Teil S. IV; das
Erkennen und die Wahrheit S. IV, 2; die Wahrheit unabtrennbar vom Erkennen
S. VI, 2, 5, 31, -- nicht Abdruck, Spiegelbild, muessige Wiederholung der
Wirklichkeit, besitzt die Wirklichkeit selbst S. 6, 17. Erkennen gleich
Einsicht verschieden vom Urteil S. 23, 6.

*Erkenntnisideal* S. 88

*Erkenntnismittel* S. 55, 82.

*Erkenntniswert* der Naturwissenschaften und Geschichte S. VI, 73, 76, --
der Begriffs- und Thatsachenurteile S. 72.

*Erklaerung* mechanische der Natur, wann moeglich? S. 75, -- psychologische
der Entstehung und Zusammensetzung unserer Vorstellungen der Weltdinge
S. 52, 12.

*Ermoeglichung* der Empfindungen S. 52, Gesetz der Ermoeglichung S. 32.

*Evidenz evidentia* Einleuchten S. 24.

*Ewigkeitscharakter* der Wahrheit S. V, 4.

*Existenz* der Aussenwelt unmittelbar erkannt S. 53, -- des Ich
desgleichen; keine Erkenntnis seiner Beschaffenheit S. 63--64.

*F.*

*Faith* Glaube in religioesem Sinne S. 71.

*Fiducia* religioeser Glaube, der dem assensus der Zustimmung des
Verstandes oder dem einsichtigen Urteil vorangeht, ein und dasselbe mit

*Fides* quaerens intellectum religioeser Glaube, der die einsichtige
Erkenntnis erstrebt d. h. die mit ihr verbundene aeussere Einsicht durch
die innere zu ergaenzen sucht S. 85.

*Farbe*, Wesen der Farbe S. 16, unsere Auffassung der Farben Grund der
Objektivationstheorie S. 54, 55.

*Formalgesetze* Denkgesetze, das des Enthaltenseins und des Grundes S. 33.

*Formalkategorien* Raum und Zeit S. 50.

*Formen* (3) des Gesetzes des Widerspruchs S. 33.

*Formulierung* falsche des Kausalitaetsgesetzes S. 31--32.

*Fragen*, ihr Wert S. 16--17, Philosophie Wissenschaft der Fragen S. 16,
-- ob die Dinge so sind, wie wir sie wahrnehmen, thoericht, ungereimt
S. 34, 52.

*G.*

*Gattung*, wann Proprietaet S. 46, 8, verglichen mit der Zahl S. 46.

*Gebiet* das sinnliche konstituiert von den Empfindungen, inwiefern?
S. 59.

*Gedanken* aufgedraengte S. 80, 22, -- Gottes die Dinge der Welt S. 53, 54,
56.

*Gefuehle* Grund der blinden Ueberzeugung S. 34; die Religion besteht nicht
in blossen Gefuehlen S. 83.

*Gegenstand* Unbestimmtheit des Wortes S. 2; einziger Gegenstand des
Erkennens die Wahrheit S. 2; im eigentlichen Sinne giebt es nur auf Grund
des Urteils Gegenstaende S. 12.

*Gegenstaendlicher* Charakter der Vorstellungen, wie kommt er zu Stande
S. 12.

*Geist*, Blick des Geistes S. 9, 13--14, 20--21, 60; -- und Koerper S. 16,
Begriff und Sinnenbild des Geistes S. 14.

*Gelten* mehr als Existieren S. 4, vergl. ideelle Existenz in Gott wahrer
als zeitraeumliche Existenz S. 7.

*Gemuet*, Ergriffensein des Gemuets von der Wahrheit S. 43, 87.

*Generalisation* S. 8--9.

*Geschichte*, Erkenntniswert der Geschichte S. VI, 73, 76, Bedeutung des
Individuums in der Geschichte S. 73, 77, Fortschritt in der Geschichte
S. 76, Gedanken in der Geschichte S. 73, 76.

*Gesamtheit des Wirklichen* s. *Einzelwirklichkeit*.

*Gesetze* als Ausdruck des Wesens der Dinge S. 14; -- des Erkennens:
Grundgesetz, Urteilsgesetze S. 25 u. 29, Schlussgesetze S. 30 ff., Gesetz
der Gleichfoermigkeit des Naturlaufs S. 38.

*Gewissheit* einsichtige und blinde, ihr Unterschied S. 35--36.

*Glaube* in religioesem Sinne S. 84, 71, 72; als Fuerwahrhalten der
Mitteilungen andrer S. 70.

*Glaubensueberzeugungen* geschichtliche Erkenntnisse S. V, Kant ueber
Glauben S. V.

*Gleichheit* und Verschiedenheit Praedikabilien S. 46.

*Goethe* ueber das Allgemeine und Besondere S. 9; Motto seiner Iphigenie
S. 78, 79.

*Gravitation* zeitlos S. 68, Gesetz der -- S. 5

*Gott* als Bewusstsein ueberhaupt S. 5, 53, -- der Eine Erkennende vom
System der Wahrheit vorausgesetzt S. 30--31, 85, seinem Wesen nach
Selbstentaeusserung, rueckhaltlose Hingabe S. 51, 84.

*Grund*, Gesetz des Grundes S. 32--33; subjektiver, objektiver Grund der
Wahrheit S. 30--31, 7.

*Gut*, die Wahrheit an sich das hoechste Gut S. 18, 44, 84--85, nicht fuer
uns S. 85, ein sittliches Gut, ein Gemeinschaftsgut S. 44.

*H.*

*Hegel* und die Evidenz des Gesetzes des Widerspruchs S. 38.

*Heraklit* und die Evidenz des Gesetzes des Widerspruchs S. 38.

*Homoiosis* Veraehnlichung S. 6.

*Horror vacui* kein leerer Raum S. 56.

*Humes* Irrtum ueber das Ich S. 63.

*I.*

*Ich*, inwiefern erkennbar S. 63--64.

*Ideal* der Erkenntnis S. 88.

*Ideelle Existenz* wahrer als zeitraeumliche S. 7.

*Ideen*, Persoenlichkeiten in der Geschichte, ihre Traeger S. 76.

*Ideenwelt* Platons dasselbe mit dem System der Wahrheit S. 7.

*Immediatum commercium animarum* s. *Commercium*.

*Inhaltsmerkmal* der Wahrheit S. 2; die negativen Begriffe keine
Inhaltsmerkmale S. 28.

*Induktion* S. 9, 66.

*Individualitaet* des Kuenstlers S. 78.

*Individuation* Prinzip der -- S. 50.

*Intellectus* s. *Fides quaerens intellectum*.

*Irrational* vom Erkennen nicht aufzuhellen S. 48.

*Inkommensurabel* vom Erkennen nicht aufzuhellen S. 48.

*Intuitionen* s. *Apercu*.

*Inspirationen* s. *Eingebung*.

*Isolierung* der Teile des Ausgedehnten und Bewegten durch die Abstraktion
S. 13, 21, der Empfindungen und koerperlichen Vorgaenge S. 54, der
Bewusstseinsvorgaenge S. 60.

*K.*

*Kant* ueber Glauben und Wissen S. V, sein Einfluss auf die Logik S. I;
Trennung des Gegenstandes vom Erkennen -- Ding an sich S. VI und S. 1, --
vom guten Willen S. 44.

*Kategorien* des Aristoteles S. 45, -- vier: Ding, Eigenschaft, Vorgang,
Beziehung S. 28, Formalkategorien: Raum und Zeit; Realkategorien: Substanz
und Kausalitaet S. 50, Wesen und Einheit sind Kategorien S. 46--47;
Wirklichkeit eine Realkategorie S. 51.

*Kausalitaet* Verursachung; Ursprung des Begriffs S. 12--13, 49, Ursache
und Vorgang S. 28, Gesetz der Kausalitaet S. 31--32; irrationales Element
S. 49; -- die Ermoeglichung nicht hervorbringende Ursache S. 31, 50, -- als
symbolischer Ausdruck fuer die voellige Abhaengigkeit der Dinge von Gott
S. 51. Siehe *Substanz*.

*Kausalzusammenhang* S. 31.

*Kenntnisnahme* verschieden von Erkennen S. 65.

*Kenntnisse* keine Erkenntnisse S. 65--66, 71, -- erster und zweiter Hand
S. 72.

*Kennzeichen* der Wahrheit S. IV, 3, nicht die Einsicht sondern das
Einleuchten S. 24.

*Kinder* Erfahrungen an -- S. 67, -- unmuendige S. 55, wodurch belehrt ueber
den Unterschied des eigenen von fremden Koerpern S. 56.

*Koinonia* Teilnahme an einer Sache S. 6.

*Kopfwahrheit* S. 45, 87.

*Koerperwelt*, unser Bewusstsein unabtrennbar mit ihr verbunden S. 56, 63,
doppelte Auffassung ihres Wesens S. 74, 81, dreifache Auffassung ihres
Verhaeltnisses zum Geiste S. 74--75.

*Konstante* Merkmale S. 9.

*Kraft* enthaelt wie die Zeit und Kausalitaet ein irrationales Element,
gehoert darum nur zur Erscheinung der Welt im Bewusstsein S. 57.

*L.*

*Leben* das ewige eine Erkenntnis S. 85.

*Leib* und Seele untrennbar S. 1, 54, vergl. S. 63.

*Locke* u. Aristoteles ueber die Schranken unserer Erkenntnis des
Innenlebens anderer S. 69.

*Logik* als Denklehre in erster Linie Erkenntnislehre S. IV, -- formale u.
erkenntnistheoretische S. III--IV.

*Logismus* formalistischer S. VI.

*Lueckenhaftigkeit* der Erinnerung, wie erkannt S. 62.

*M.*

*Materie* siehe *Kraft*.

*Mathematik*, ob fuer alle verstaendlich S. VII, warum und inwiefern ihre
Lehrsaetze durch- (ein-)sichtige Klarheit besitzen S. 58, 49.

*Mensch*, Begriff des Menschen S. 8, Wesen des Menschen S. 16.

*Merkmale*, Wertunterschiede unter den Merkmalen S. 8, -- wesentliche und
unwesentliche S. 6--7, 46, -- begriffliche und sinnfaellige S. 10 ff.

*Metaphysik* vermeintliche Grundvoraussetzung das Ding an sich S. VI,
Scheu vor der Metaphysik S. VI, Begriff der Wahrheit ist Metaphysik S. 87.

*Metaphysische Bedeutung* des Erkennens S. VI.

*Methode psychologische*, Isolierung der Empfindungen vom Koerper S. 54,
der Bewusstseinsvorgaenge von einander S. 60.

*Mill, Stuart* S. 54, 52.

*Mittelalterliche* Philosophie S. 1, 54.

*Mitgeteilte* Urteile keine selbstgefaellten S. 70--71.

*Mitte* zwischen Bejahen und Verneinen ausgeschlossen fuer das
Einzelwirkliche S. 29.

*N.*

*Nacheinander* in der Zeit ausgeschlossen durch den Uebergang S. 48.

*Namenwissen* blosse Kenntnis S. 65--66.

*Namentliches* begriffliches Wissen eigentliches Wissen S. 59.

*Natur* Wissenschaft der Natur S. 57--58, Erkenntniswert geringer als der
der Geschichte S. VI, 73, 76, Auffassung der Natur mechanische S. 75,
Auffassung der Natur doppelte unverifizierbare S. 74, 81.

*Natura non facit saltus* keine Spruenge in der Natur S. 56.

*Nebeneinander*, ausgeschlossen durch die Beruehrung S. 48.

*Neues* in Natur und Geschichte S. 77.

*Newtons* Gravitationsgesetz S. 5.

*Negation* nur im Urteil moeglich, setzt aber den Blick fuer das, was anders
ist, voraus S. 14, 28.

*Nichtsein* wirkliches S. 47.

*Nichtseinsollendes* ob wirklich S. 19, 47.

*Nihil.* *Ex nihilo fit nihil.* Aus Nichts wird Nichts S. 77.

*Noetigung* keinerlei -- beim Einleuchten und der Einsicht. S. 22, 34, 38,
80.

*Notwendigkeit des Denkens* scheinbare als Folge der Gewissheit. S. 39,
42--43 wirkliche einsichtige im Verhaeltnis des Enthaltenseins S. 40,
wirkliche einsichtige in den Unvertraeglichkeitsverhaeltnissen S. 41--42,
wirkliche einsichtslose S. 41.

*O.*

*Objektiver* Grund aller Wahrheit S. 31.

*Objektivationstheorie*, Grund derselben S. 54, Ersatz derselben S. 55.

*Offenbarung* im allgemeinen Sinne die Inspiration mit einschliessend
S. 77, im Unterschied von der Inspiration S. 85--86.

*Ort* der Dinge, Ursprung des Bewusstseins derselben S. 52.

*Ortsbestimmung* loest alles in Beziehungen auf, setzt darum ein
Unraeumliches voraus S. 30. Prinzip der Individuation S. 50.

*P.*

*Parusia* Gegenwart S. 6.

*Pestalozzi* ueber die Schranken unserer Erkenntnis des Innern anderer
S. 69.

*Phantasie* schoepferische des Kuenstlers S. 78.

*Phantasiebild* als Begleiter der Begriffe S. 55, 59.

*Persoenliches Verhaeltnis* das Wesen der Religiositaet S. 69.

*Persoenlichkeiten* in der Geschichte als Traeger der Ideen S. 76.

*Philosophie* Wissenschaft vom Wesen der Dinge, Wissenschaft der Fragen
S. 16.

*Prinzip* aristokratisches in der Natur S. 76, -- der Individuation S. 50.

*Platons* Theaetet S. VII, Ideenlehre S. 7, Ansicht vom Koerper S. 16, 55.

*Psychologische Methode* Isolierung der Empfindungen vom Koerper S. 51, der
Bewusstseinsvorgaenge von einander S. 60.

*Primat des Intellekts, des Willens* S. 85.

*Probe* auf Probe glauben in religioesem Sinne unmoeglich S. 84.

*Porphyrius* ueber die Praedikabilien S. 45.

*Proprietaet* und Eigenschaft S. 46.

*R.*

*Rationalistischer* Begriff des Erkennens S. 2, der Wahrheit S. 88.

*Raum* als Kategorie S. 48, als Begriff S. 49, Formalkategorie, Prinzip
der Individuation S. 50, symbolischer Ausdruck der scheinbaren
Selbststaendigkeit der Dinge, der Unendlichkeit S. 51, 81, enthaelt ein
irrationales Element, gehoert darum nur zur Erscheinung der Welt in unserm
Bewusstsein S. 57.

*Realgesetze* S. 33--34.

*Realkategorien* S. 50.

*Rehmke* S. 53, 54.

*Religion*, positive Seite der Moral S. 69, ihr Wesen S. 82, 83, ihre
doppelte Wirkung S. 84, vergl. S. 85, Bedeutung der Erkenntnis in der
Religion S. 84--85.

*Reflexion* verschieden von dem Bewusstheit genannten Wissen S. 59,
Wiederholung desselben S. 64, Empfindung als Gegenstand der Reflexion
S. 60.

*S.*

*Scheinbar*, inwiefern das Scheinbare wirklich S. 19, die geliehene
Selbststaendigkeit verschieden von der anmasslichen nicht etwas bloss
Scheinbares S. 51, 19, scheinbare Selbststaendigkeit, Symbol derselben
S. 51, 81.

*Schoepfung* Akt der Selbstentaeusserung S. 51.

*Schranken* unuebersteigliche oder noch nicht ueberwundene fuer die
Erkenntnis der Aussenwelt und unserer eigenen Innenwelt S. 64, fuer die
Erkenntnis der Innenwelt anderer S. 69.

*Schluss* der Analogie S. 67, der Induktion S. 66, 9.

*Selbstbewusstsein* unmittelbare Einsicht in die Zusammengehoerigkeit der
Bewusstseinsvorgaenge, die wir unsere nennen, mit dem Ich oder Selbst,
S. 63, 61.

*Selbsterkenntnis* S. 69.

*Selbstentaeusserung* s. *Schoepfung*.

*Seligkeit* als Friede, Voraussetzung der Sittlichkeit S. 85, 84.

*Sensualisten* S. 82, VI.

*Sinnfaellige* Wirklichkeit S. 48, -- Eigenschaften S. 57.

*Sinnliches* Gebiet, wodurch konstituiert S. 59--60, sinnliche Merkmale
S. 10.

*Sinnenbilder*, was sie sind S. 11; die Grundbestandteile des Sinnlichen,
Sinnfaelligen, die Sinnenbilder der Ausdehnung und Bewegung S. 10--11,
einfache Sinnenbilder die genannten, aus ihnen entstehen erweiterte, neue,
umfassendere S. 49, Sinnenbilder und Vorstellungen S. 11--12, Sinnenbilder
und Begriffe S. 49.

*Sittlichkeit* in dem negativen Moment der Selbstlosigkeit bestehend, das
einer Ergaenzung bedarf S. 69, Kraft zum sittlichen Handeln S. 84;
inwiefern fuer uns ein hoeheres Gut als die Wahrheit S. 85.

*Skepticismus* -- Folge der Leugnung des metaphysischen Charakters der
Wahrheit S. 87.

*Spinoza* S. 4, 7.

*Stoiker* S. 83.

*Stoische Hingabe* S. 83.

*Stufen*, Vorstufen und Stufen als Bestandteile des Erkenntnisvorgangs
S. 20, 21, S. 21--23.

*Subjektiv* grundlos was unmittelbar einleuchtet, hat einen objektiven
Grund S. 31.

*Subjekt* der Urteile das Einzelwirkliche S. 29, -- Sinnenbilder oder
Vorstellungen und wesentliche Merkmale S. 26.

*Substanz* entsteht aus dem Willensding S. 12, setzt ein umfassenderes
Sinnenbild als die Ausdehnung voraus S. 49, begriffliche Bearbeitung,
Begriff der Substanz S. 13, 49, enthaelt das irrationale Element in
verdoppeltem Masse S. 49, gehoert darum nur zur Erscheinung der Welt in
unserm Bewusstsein S. 57, symbolischer Ausdruck fuer die scheinbare
Selbstaendigkeit der Dinge S. 51.

*Synthese* Ziel des Erkennens, nicht Analyse S. 27, 29, 24.

*Symbolischer Ausdruck* fuer die scheinbare Selbstaendigkeit der Dinge Raum
und Substanz, fuer ihre voellige Abhaengigkeit Zeit und Kausalitaet S. 51, 81.

*System* der Wahrheit wesentlich S. 30, 24, 15, 4.

*T.*

*Thatsachen*, Urteile ueber Thatsachen ueberzeitlich S. 4, -- und Gedanken,
S. 3.

*Trennung* abstrakte von Leib und Seele, Gegenstand und Erkennen S. VI,
VIII, 1, 54, Abstraktion ein Trennen, Isolieren S. 21, 13.

*U.*

*Uebereinstimmung*, Gesetz der -- S. 25.

*Uebergreifender Charakter* der Bewusstheit, warum notwendig, S. 60, 61.

*Uebertragung* der sinnlichen Vorstellungen auf geistige Vorgaenge wie
vermittelt? S. 59, 60.

*Ueberzeugung*, blinde, ihr Grund S. 34--35, auch als Gewissheit von der
einsichtigen Gewissheit verschieden S. 36.

*Unerkennbarkeit* des Wesens der Dinge S. 16, 24--25.

*Untrennbarkeit* der Seele vom Leibe (seinem Wesen nach), des Gegenstandes
vom Erkennen S. VI, 1, 2, 5, 6, 31, 54.

*Unvertraeglichkeitsverhaeltnisse* S. 41--42.

*Urteil* gedankliches Gebilde, Verbindung von gedanklichen Einzelgebilden
S. 23, sein gedanklicher Ausdruck eine Analyse, schliesst bei allen
synthetischen, nicht auf dem Enthaltensein beruhenden Urteilen eine
Synthese als bedingenden Bestandteil ein, sprachlicher Ausdruck wieder
Synthese S. 26--27.

*V.*

*Verkuendiger* der Offenbarung, kann die Eingebung als solche erkennen
S. 86, 79, wann glaubwuerdig S. 86--87, 69--70.

*Verstandesakt* die Einsicht S. 43, 87.

*Vorgefundenes* Grundelement der Thatsachen S. 3, von doppelter Art:
Sinnenbilder und Vorstellungen S. 20--21.

*Vorstellungen*, wie werden aus den Empfindungen Vorstellungen? S. 11--12,
sinnliche und uebertragene S. 59, 60, keine blossen Vorstellungen von den
Bewusstseinsvorgaengen S. 60.

*W.*

*Wahrheit*, metaphysischer immanenter empiristischer, rationalistischer
Wahrheitsbegriff S. V, 48, 87--88, keine einzelne Wahrheit S. 81, 24, 20,
4, Wahrheit und Wirklichkeit S. 86, 84, 81, 19, 5--6, 4, V, Wahrheit und
Wesen der Dinge S. 15, Wahrheit an sich hoechstes Gut S. 18, 85, Wahrheit
kein Ding an sich S. 2, 5, 6, 31, 81.

*Wahrscheinlichkeit* der Saetze der Induktion S. 66, das einzige, was die
empiristische Wahrheitstheorie verbuergt S. 88, keine wahrscheinliche
Einsicht sondern nur Einsicht in die Wahrscheinlichkeit S. 35--37.

*Wesen* s. *Wahrheit* -- der Religiositaet S. 69, -- der Farbe, -- des
Menschen S. 16, -- der Religion S. 83.

*Wesentliche* s. *Blick fuer das Wesentliche*; -- Merkmale der Sinnenbilder
noch keine Erkenntnis des Wesens S. 21; ob immer mit Einsicht verbunden?
S. 25.

*Wirklichkeit*, ganz und gar abhaengig von der Wahrheit S. V, 4, 5--6, 19,
81, 84, 86, Sinnfaellige Wirklichkeit S. 48, Wirklichkeit Realkategorie
S. 51, Was ist Wirklichkeit? S. 51, 4, VII.

*Wissen*, Wissens-Disposition S. 11, -- uneigentliches nicht namentliches,
nicht begriffliches S. 59, Namenwissen S. 65--66, -- associatives S. 65,
Wissen und Glauben S. 70--71.

*Wissenschaft*, Naturwissenschaft S. VI, beschreibende S. 57, erklaerende
S. 73, Geschichtswissenschaft S. 72--73.

*Wissenschaftliche* Inspiration S. 79--81.

*Z.*

*Zeit* vergl. *Raum*, -- symbolischer Ausdruck der thatsaechlichen
Abhaengigkeit und Beschraenktheit S. 51, Zeitlichkeit des
Erkenntnisvorganges S. 5--6.

*Ziel* des Erkennens, Synthese nicht Analyse S. 24.

*Zielstrebigkeit* in der Natur S. 75.

*Zulaenglichkeit* des Kennzeichens der Wahrheit S. 3, 36--38.

*Zusammengehoerigkeit* S. VIII, 24, 20, 22, siehe *Einleuchten* und
*Einsicht*.

*Zweckzusammenhang* in der Natur S. 74.

                    A. W. Zickfeldt  Osterwieck  Harz






ANMERKUNGEN DER KORREKTURLESER


Von den Korrekturlesern des _Project Gutenberg_ wurden mehrere Aenderungen
am Originaltext vorgenommen.

Seite 7 Zeile 13 lies statt Unveraenderliche *Veraenderliche* (Diese
Anmerkung erscheint im Original auf Seite XVIII und wurde in der
Gutenberg-Fassung beruecksichtigt).

Auf den (Original-)Seiten XIII, 75, 90 und 91 wurden die Anfangsbuchstaben
'Ue' zu 'Ue' komprimiert.

Es folgen paarweise Textzeilen im Original und in der vorliegenden
geaenderten Fassung.



sondern auch allem Vergaenglichen, Unveraenderlichen so entgegengesetzte
sondern auch allem Vergaenglichen, Veraenderlichen so entgegengesetzte

nicht enbehren koennen. Um ihn zu vermeiden, mussten wir
nicht entbehren koennen. Um ihn zu vermeiden, mussten wir

einer vermeinlichen Einsicht und eines vermeintlichen Einleuchtens
einer vermeintlichen Einsicht und eines vermeintlichen Einleuchtens

ein solcher Notwendigkeitszusammenhang des Zusammengegehoerigen
ein solcher Notwendigkeitszusammenhang des Zusammengehoerigen

reden, aber man darf eben nur dies mit dem Enthaltensein gegegebene
reden, aber man darf eben nur dies mit dem Enthaltensein gegebene

auch zum Seienden? Gattung und Art sind oftenbar Praedikabilien,
auch zum Seienden? Gattung und Art sind offenbar Praedikabilien,

Bakon und die Methode der Naturwissenschaften S. 9.
Bacon und die Methode der Naturwissenschaften S. 9.

Subjektiv grundlos was ummittelbar
Subjektiv grundlos was unmittelbar

ohne dass wir darum wuessten. Unsre Erkenntniss von den Dingen
ohne dass wir darum wuessten. Unsre Erkenntnis von den Dingen

Persoenliches Verhaeltnis das Wesen der Religioesitaet S. 69.
Persoenliches Verhaeltnis das Wesen der Religiositaet S. 69.





***END OF THE PROJECT GUTENBERG EBOOK EINFUeHRUNG IN DIE MODERNE LOGIK. ERSTER TEIL.***



CREDITS


January 5, 2008

            Project Gutenberg TEI edition 1
            Juliet Sutherland, Ralf Stephan, and the Online Distributed
            Proofreading Team at <http://www.pgdp.net/>.



A WORD FROM PROJECT GUTENBERG


This file should be named 24172.txt or 24172.zip.

This and all associated files of various formats will be found in:


    http://www.gutenberg.org/dirs/2/4/1/7/24172/


Updated editions will replace the previous one -- the old editions will be
renamed.

Creating the works from public domain print editions means that no one
owns a United States copyright in these works, so the Foundation (and
you!) can copy and distribute it in the United States without permission
and without paying copyright royalties. Special rules, set forth in the
General Terms of Use part of this license, apply to copying and
distributing Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works to protect the Project
Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} concept and trademark. Project Gutenberg is a registered
trademark, and may not be used if you charge for the eBooks, unless you
receive specific permission. If you do not charge anything for copies of
this eBook, complying with the rules is very easy. You may use this eBook
for nearly any purpose such as creation of derivative works, reports,
performances and research. They may be modified and printed and given away
-- you may do practically *anything* with public domain eBooks.
Redistribution is subject to the trademark license, especially commercial
redistribution.



THE FULL PROJECT GUTENBERG LICENSE


*Please read this before you distribute or use this work.*

To protect the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} mission of promoting the free
distribution of electronic works, by using or distributing this work (or
any other work associated in any way with the phrase "Project Gutenberg"),
you agree to comply with all the terms of the Full Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}
License (available with this file or online at
http://www.gutenberg.org/license).


Section 1.


General Terms of Use & Redistributing Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works


1.A.


By reading or using any part of this Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic work,
you indicate that you have read, understand, agree to and accept all the
terms of this license and intellectual property (trademark/copyright)
agreement. If you do not agree to abide by all the terms of this
agreement, you must cease using and return or destroy all copies of
Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works in your possession. If you paid a fee
for obtaining a copy of or access to a Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic work
and you do not agree to be bound by the terms of this agreement, you may
obtain a refund from the person or entity to whom you paid the fee as set
forth in paragraph 1.E.8.


1.B.


"Project Gutenberg" is a registered trademark. It may only be used on or
associated in any way with an electronic work by people who agree to be
bound by the terms of this agreement. There are a few things that you can
do with most Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works even without complying
with the full terms of this agreement. See paragraph 1.C below. There are
a lot of things you can do with Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works if you
follow the terms of this agreement and help preserve free future access to
Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works. See paragraph 1.E below.


1.C.


The Project Gutenberg Literary Archive Foundation ("the Foundation" or
PGLAF), owns a compilation copyright in the collection of Project
Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works. Nearly all the individual works in the
collection are in the public domain in the United States. If an individual
work is in the public domain in the United States and you are located in
the United States, we do not claim a right to prevent you from copying,
distributing, performing, displaying or creating derivative works based on
the work as long as all references to Project Gutenberg are removed. Of
course, we hope that you will support the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} mission of
promoting free access to electronic works by freely sharing Project
Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} works in compliance with the terms of this agreement for
keeping the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} name associated with the work. You can
easily comply with the terms of this agreement by keeping this work in the
same format with its attached full Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} License when you
share it without charge with others.


1.D.


The copyright laws of the place where you are located also govern what you
can do with this work. Copyright laws in most countries are in a constant
state of change. If you are outside the United States, check the laws of
your country in addition to the terms of this agreement before
downloading, copying, displaying, performing, distributing or creating
derivative works based on this work or any other Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} work.
The Foundation makes no representations concerning the copyright status of
any work in any country outside the United States.


1.E.


Unless you have removed all references to Project Gutenberg:


1.E.1.


The following sentence, with active links to, or other immediate access
to, the full Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} License must appear prominently whenever
any copy of a Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} work (any work on which the phrase
"Project Gutenberg" appears, or with which the phrase "Project Gutenberg"
is associated) is accessed, displayed, performed, viewed, copied or
distributed:


    This eBook is for the use of anyone anywhere at no cost and with
    almost no restrictions whatsoever. You may copy it, give it away
    or re-use it under the terms of the Project Gutenberg License
    included with this eBook or online at http://www.gutenberg.org


1.E.2.


If an individual Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic work is derived from the
public domain (does not contain a notice indicating that it is posted with
permission of the copyright holder), the work can be copied and
distributed to anyone in the United States without paying any fees or
charges. If you are redistributing or providing access to a work with the
phrase "Project Gutenberg" associated with or appearing on the work, you
must comply either with the requirements of paragraphs 1.E.1 through 1.E.7
or obtain permission for the use of the work and the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}
trademark as set forth in paragraphs 1.E.8 or 1.E.9.


1.E.3.


If an individual Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic work is posted with the
permission of the copyright holder, your use and distribution must comply
with both paragraphs 1.E.1 through 1.E.7 and any additional terms imposed
by the copyright holder. Additional terms will be linked to the Project
Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} License for all works posted with the permission of the
copyright holder found at the beginning of this work.


1.E.4.


Do not unlink or detach or remove the full Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} License
terms from this work, or any files containing a part of this work or any
other work associated with Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}.


1.E.5.


Do not copy, display, perform, distribute or redistribute this electronic
work, or any part of this electronic work, without prominently displaying
the sentence set forth in paragraph 1.E.1 with active links or immediate
access to the full terms of the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} License.


1.E.6.


You may convert to and distribute this work in any binary, compressed,
marked up, nonproprietary or proprietary form, including any word
processing or hypertext form. However, if you provide access to or
distribute copies of a Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} work in a format other than
"Plain Vanilla ASCII" or other format used in the official version posted
on the official Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} web site (http://www.gutenberg.org),
you must, at no additional cost, fee or expense to the user, provide a
copy, a means of exporting a copy, or a means of obtaining a copy upon
request, of the work in its original "Plain Vanilla ASCII" or other form.
Any alternate format must include the full Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} License as
specified in paragraph 1.E.1.


1.E.7.


Do not charge a fee for access to, viewing, displaying, performing,
copying or distributing any Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} works unless you comply
with paragraph 1.E.8 or 1.E.9.


1.E.8.


You may charge a reasonable fee for copies of or providing access to or
distributing Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works provided that

    - You pay a royalty fee of 20% of the gross profits you derive from
      the use of Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} works calculated using the method you
      already use to calculate your applicable taxes. The fee is owed to
      the owner of the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} trademark, but he has agreed to
      donate royalties under this paragraph to the Project Gutenberg
      Literary Archive Foundation. Royalty payments must be paid within 60
      days following each date on which you prepare (or are legally
      required to prepare) your periodic tax returns. Royalty payments
      should be clearly marked as such and sent to the Project Gutenberg
      Literary Archive Foundation at the address specified in Section 4,
      "Information about donations to the Project Gutenberg Literary
      Archive Foundation."

      You provide a full refund of any money paid by a user who notifies
      you in writing (or by e-mail) within 30 days of receipt that s/he
      does not agree to the terms of the full Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} License.
      You must require such a user to return or destroy all copies of the
      works possessed in a physical medium and discontinue all use of and
      all access to other copies of Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} works.

      You provide, in accordance with paragraph 1.F.3, a full refund of
      any money paid for a work or a replacement copy, if a defect in the
      electronic work is discovered and reported to you within 90 days of
      receipt of the work.

      You comply with all other terms of this agreement for free
      distribution of Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} works.


1.E.9.


If you wish to charge a fee or distribute a Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic
work or group of works on different terms than are set forth in this
agreement, you must obtain permission in writing from both the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation and Michael Hart, the owner of the
Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} trademark. Contact the Foundation as set forth in
Section 3 below.


1.F.


1.F.1.


Project Gutenberg volunteers and employees expend considerable effort to
identify, do copyright research on, transcribe and proofread public domain
works in creating the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} collection. Despite these
efforts, Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works, and the medium on which they
may be stored, may contain "Defects," such as, but not limited to,
incomplete, inaccurate or corrupt data, transcription errors, a copyright
or other intellectual property infringement, a defective or damaged disk
or other medium, a computer virus, or computer codes that damage or cannot
be read by your equipment.


1.F.2.


LIMITED WARRANTY, DISCLAIMER OF DAMAGES -- Except for the "Right of
Replacement or Refund" described in paragraph 1.F.3, the Project Gutenberg
Literary Archive Foundation, the owner of the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}
trademark, and any other party distributing a Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}
electronic work under this agreement, disclaim all liability to you for
damages, costs and expenses, including legal fees. YOU AGREE THAT YOU HAVE
NO REMEDIES FOR NEGLIGENCE, STRICT LIABILITY, BREACH OF WARRANTY OR BREACH
OF CONTRACT EXCEPT THOSE PROVIDED IN PARAGRAPH F3. YOU AGREE THAT THE
FOUNDATION, THE TRADEMARK OWNER, AND ANY DISTRIBUTOR UNDER THIS AGREEMENT
WILL NOT BE LIABLE TO YOU FOR ACTUAL, DIRECT, INDIRECT, CONSEQUENTIAL,
PUNITIVE OR INCIDENTAL DAMAGES EVEN IF YOU GIVE NOTICE OF THE POSSIBILITY
OF SUCH DAMAGE.


1.F.3.


LIMITED RIGHT OF REPLACEMENT OR REFUND -- If you discover a defect in this
electronic work within 90 days of receiving it, you can receive a refund
of the money (if any) you paid for it by sending a written explanation to
the person you received the work from. If you received the work on a
physical medium, you must return the medium with your written explanation.
The person or entity that provided you with the defective work may elect
to provide a replacement copy in lieu of a refund. If you received the
work electronically, the person or entity providing it to you may choose
to give you a second opportunity to receive the work electronically in
lieu of a refund. If the second copy is also defective, you may demand a
refund in writing without further opportunities to fix the problem.


1.F.4.


Except for the limited right of replacement or refund set forth in
paragraph 1.F.3, this work is provided to you 'AS-IS,' WITH NO OTHER
WARRANTIES OF ANY KIND, EXPRESS OR IMPLIED, INCLUDING BUT NOT LIMITED TO
WARRANTIES OF MERCHANTIBILITY OR FITNESS FOR ANY PURPOSE.


1.F.5.


Some states do not allow disclaimers of certain implied warranties or the
exclusion or limitation of certain types of damages. If any disclaimer or
limitation set forth in this agreement violates the law of the state
applicable to this agreement, the agreement shall be interpreted to make
the maximum disclaimer or limitation permitted by the applicable state
law. The invalidity or unenforceability of any provision of this agreement
shall not void the remaining provisions.


1.F.6.


INDEMNITY -- You agree to indemnify and hold the Foundation, the trademark
owner, any agent or employee of the Foundation, anyone providing copies of
Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works in accordance with this agreement, and
any volunteers associated with the production, promotion and distribution
of Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works, harmless from all liability, costs
and expenses, including legal fees, that arise directly or indirectly from
any of the following which you do or cause to occur: (a) distribution of
this or any Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} work, (b) alteration, modification, or
additions or deletions to any Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} work, and (c) any Defect
you cause.


Section  2.


           Information about the Mission of Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}


Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} is synonymous with the free distribution of electronic
works in formats readable by the widest variety of computers including
obsolete, old, middle-aged and new computers. It exists because of the
efforts of hundreds of volunteers and donations from people in all walks
of life.

Volunteers and financial support to provide volunteers with the assistance
they need, is critical to reaching Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}'s goals and ensuring
that the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} collection will remain freely available for
generations to come. In 2001, the Project Gutenberg Literary Archive
Foundation was created to provide a secure and permanent future for
Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} and future generations. To learn more about the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation and how your efforts and donations
can help, see Sections 3 and 4 and the Foundation web page at
http://www.pglaf.org.


Section 3.


   Information about the Project Gutenberg Literary Archive Foundation


The Project Gutenberg Literary Archive Foundation is a non profit
501(c)(3) educational corporation organized under the laws of the state of
Mississippi and granted tax exempt status by the Internal Revenue Service.
The Foundation's EIN or federal tax identification number is 64-6221541.
Its 501(c)(3) letter is posted at
http://www.gutenberg.org/fundraising/pglaf. Contributions to the Project
Gutenberg Literary Archive Foundation are tax deductible to the full
extent permitted by U.S. federal laws and your state's laws.

The Foundation's principal office is located at 4557 Melan Dr.
S. Fairbanks, AK, 99712., but its volunteers and employees are scattered
throughout numerous locations. Its business office is located at 809 North
1500 West, Salt Lake City, UT 84116, (801) 596-1887, email
business@pglaf.org. Email contact links and up to date contact information
can be found at the Foundation's web site and official page at
http://www.pglaf.org

For additional contact information:


    Dr. Gregory B. Newby
    Chief Executive and Director
    gbnewby@pglaf.org


Section 4.


  Information about Donations to the Project Gutenberg Literary Archive
                                Foundation


Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} depends upon and cannot survive without wide spread
public support and donations to carry out its mission of increasing the
number of public domain and licensed works that can be freely distributed
in machine readable form accessible by the widest array of equipment
including outdated equipment. Many small donations ($1 to $5,000) are
particularly important to maintaining tax exempt status with the IRS.

The Foundation is committed to complying with the laws regulating
charities and charitable donations in all 50 states of the United States.
Compliance requirements are not uniform and it takes a considerable
effort, much paperwork and many fees to meet and keep up with these
requirements. We do not solicit donations in locations where we have not
received written confirmation of compliance. To SEND DONATIONS or
determine the status of compliance for any particular state visit
http://www.gutenberg.org/fundraising/donate

While we cannot and do not solicit contributions from states where we have
not met the solicitation requirements, we know of no prohibition against
accepting unsolicited donations from donors in such states who approach us
with offers to donate.

International donations are gratefully accepted, but we cannot make any
statements concerning tax treatment of donations received from outside the
United States. U.S. laws alone swamp our small staff.

Please check the Project Gutenberg Web pages for current donation methods
and addresses. Donations are accepted in a number of other ways including
checks, online payments and credit card donations. To donate, please
visit: http://www.gutenberg.org/fundraising/donate


Section 5.


      General Information About Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} electronic works.


Professor Michael S. Hart is the originator of the Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}
concept of a library of electronic works that could be freely shared with
anyone. For thirty years, he produced and distributed Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}
eBooks with only a loose network of volunteer support.

Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~} eBooks are often created from several printed editions,
all of which are confirmed as Public Domain in the U.S. unless a copyright
notice is included. Thus, we do not necessarily keep eBooks in compliance
with any particular paper edition.

Each eBook is in a subdirectory of the same number as the eBook's eBook
number, often in several formats including plain vanilla ASCII, compressed
(zipped), HTML and others.

Corrected *editions* of our eBooks replace the old file and take over the
old filename and etext number. The replaced older file is renamed.
*Versions* based on separate sources are treated as new eBooks receiving
new filenames and etext numbers.

Most people start at our Web site which has the main PG search facility:


    http://www.gutenberg.org


This Web site includes information about Project Gutenberg{~TRADE MARK SIGN~}, including how
to make donations to the Project Gutenberg Literary Archive Foundation,
how to help produce our new eBooks, and how to subscribe to our email
newsletter to hear about new eBooks.






***FINIS***